Microsoft hat gestern Abend sein neues Betriebssystem enthüllt. Natürlich ein weiteres Windows. Aber das hört nicht auf den Namen Windows 9, sondern zur Überraschung der meisten auf Windows 10. Ist das Überspringen einer Versionsnummer ein guter Schachzug? Wie wirkt der „Neuanfang“? Welche Features sind überzeugend, an welchen sollte noch geschraubt werden? Und wie verzweifelt ist Microsoft? Unsere Redakteure Tobias Gillen (Mac-User) und Jürgen Kroder (Windows-User) diskutierten über das neue Werk aus Redmond in einem Chat.
Jürgen Kroder: Sag mal, Tobias, du als OS-X-User: Hat dich die Ankündigung eines neuen Windows gejuckt, zum Beispiel, weil du gerne über den Tellerrand schaust, was die „Konkurrenz“ so macht? Oder bist du so in deiner Apple-Welt gefangen, dass dir egal ist, was die Redmonder so treiben?
Tobias Gillen: Warum so angriffslustig, Jürgen? Steht Microsoft schon so unter Druck?
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Jürgen Kroder: Angriffslustig? Ja – aber nicht ich. Dafür steht Microsoft wirklich unter Zugzwang, immerhin wurden sie in den letzten Jahren von iOS und Android links und rechts überholt. Nun versuchen sie mit Windows 10 wieder Boden gut zu machen. Nach der ersten Präsentation muss ich sahen: Klingt interessant, was die Redmonder vorgestellt haben. Denn es geht in die richtige Richtung: Weg von verschiedenen Betriebessystemen für verschiedene Plattformen, hin zu einem OS. Das kann Apple ja noch nicht.
Tobias Gillen: Naja, Apple hat mit seinem iOS ja schon ein Betriebssystem für die mobilen Geräte. Und mit der neuen Continuity-Funktion im neuen Mac OS X Yosemite wird Apple auch da nachbessern und zumindest die Grenzen etwas verwischen. Dennoch: Was Microsoft da vorstellt, scheint mir die Zukunft zu sein. Problematisch wird es eben nur bei der Kluft zwischen riesigem Marktanteil bei PCs und minimalem Marktanteil bei mobilen Geräten.
Jürgen Kroder: Noch ist da eine Kluft. Aber ich hole mal meine Glaskugel heraus und behaupte, der Marktanteil von Windows könnte durch Nummer 10 zulegen. Denn ein Betriebssystem für alle (oder für viele) Geräte – das ist schon „sexy“.
Tobias Gillen: Glaube ich nicht. Android und iOS sind so weit weg, da muss mehr kommen als ein Einheitsbetriebssystem.
Jürgen Kroder: Da gebe ich dir teilweise Recht. Microsoft hat in den letzten Jahren extrem an Richtung verloren. Google und Apple sind ja nicht nur bei Smartphones und Tablets vertreten, sondern zunehmen bei TVs, Autos, etc. Trotzdem habe ich die leise Hoffnung, dass Microsoft – zumindest etwas – durch Windows 10 wieder gut machen kann. Denn das Oligopol von Apple und Google gefällt mir gar nicht!
Tobias Gillen:Absolut, Konkurrenz belebt das Geschäft. Aprops Windows 10: Was sagst du zur Nummerierung? Eigentlich wäre ja Windows 9 an der Reihe gewesen?
Jürgen Kroder: Klar, nach 8 kommt 9, dann 10, hehe. Manch einer kritisiert, dass Microsoft eine Versionsnummer überspringt und sich so auf die Augenhöhe von OS X „mogelt“. Ich denke aber, das ist ein guter Schachzug. Einerseits, weil sie so deutlich Distanz zum Rohrkrepierer Windows 8 bzw. 8.1 nehmen…
Tobias Gillen: Das wäre aber gleichzeitig ein albernes Eingeständnis, oder?
Jürgen Kroder: Nun ja, man kann das als albern sehen. Gerade mich als Gamer erinnert das an die „Leisure Suit Larry“-Reihe, bei der Teil 4 übersprungen wurde. Aber ich finde, das ist ein klares Zeichen: Windows 10 ist etwas Neues. Es ist kein Update von Windows 8 bzw. 8.1. Es soll einen richtigen Neustart darstellen. Wobei ich hierfür eher erwartet hätte, dass sie bei der Benennung noch mutiger sind. Dass sie das neue Windows wirklich beispielsweise als „One“ – wie es teilweise spekuliert wurde – bezeichnen. Oder ihm wie die Konkurrenz – die auf Raubkatzen und Süßigkeiten setzen – einen einprägsamen, artfremden Beinamen geben.
Tobias Gillen: Oder wahlweise einen kalifornischen Nationalpark? Spaß beiseite: Mich stört bei Windows – nicht erst seit gestern – dass eine klare Linie fehlt. Wenn Apple das Mac OS X updatet, finde ich mich zurecht. Ich weiß, wo was ist. Selbiges gilt für die mobilen iOS-Versionen. Bei Microsofts Windows fehlt mir das. Ich komme öfter mit Windows XP, Windows 7 und Windows 8 in Berührung – aber warm werde ich mit keinem von den dreien, weil ich mich einfach nicht zurechtfinde. Windows 10 reiht sich, so wie ich das aktuell sehe, in diese nicht vorhandene Linie mit ein.
Jürgen Kroder: Nicht vorhandene Linie? Eigentlich gab es nur wenige krasse Veränderungen in der Windows-Geschichte. Zum Beispiel von Windows 3.11 auf Windows 95, als beispielsweise der Startbutton eingeführt wurde. Erst mit Windows 8 kam was Neues – und das war mit der ehemals Metro UI genannten Oberfläche etwas Radikales. Zu radikal. Deswegen rudert man jetzt wieder ein bisschen zurück und versucht, das „alte“ Windows mit dem „neuen“ zu verheiraten. Das ist ein guter Weg, finde ich. Denn Windows ist und bleibt vorrangig ein Desktop-Betriebssystem. Deswegen kam der kluge Schritt von Microsoft, Windows 10 wieder mehr wie Windows 7 aussehen zu lassen. Andererseits haben sich die Zeiten stark verändert. Der User von heute nutzt lieber Smartphones und Tablets, um Videos zu schauen, im Internet zu surfen, kurze Mails zu tippen oder um schnell ein Game zu spielen. Und genau bei diesem gigantischen und noch wachsenden Markt hat Microsoft vollkommen verloren. Das versuchen sie nun aufzuholen, indem es nur noch ein Windows für alle Plattformen geben soll.
Tobias Gillen: Aber damit bestätigst du doch nur meine Aussage. Man rudert zurück, weil der Umbruch zu radikal war? Wo ist da die Linie? Von Selbstbewusstsein und voller Überzeugung ist da kaum was zu spüren. Ich fand den Schritt zum Touchdisplay mit Windows 8 genau richtig und zukunftsorientiert, nun macht meinen einen Schritt zurück zum Desktop-PC, um sich der dezentralen Zukunft mit mobilen Geräten zu widmen?
Jürgen Kroder: Ja, ich fand den Ansatz auch sehr innovativ und gewagt. Aber als „echter“ User, der halt nicht nur Apps nutzen, sondern auch damit arbeiten will, war Windows 8 unausgereift, da man ständig zwischen den Welten wechseln muss. Das soll sich ja nun verändern. Hoffentlich schafft es Microsoft so, die zwei Welten – Produktivität und Entertainment – zu verheiraten. Aber Selbstbewusstsein und Überzeugung zeigt sich IMHO nicht darin, an Dingen unbedingt fest zu halten, sondern auch die Eier in der Hose zu haben, seine Fehler einzugestehen und Dinge zu optimieren. Das ist wahre Größe. Das Ergebnis, Windows 10, ist also „nur“ eine kleine Revolution, die durch den Schritt zurück entstanden ist. Why not? Aber es muss sich zeigen, wie gut das funktioniert. Gespannt bin ich auch, wie die Multiplattform-Strategie damit greifen wird . Wenn man sich eine App aus dem Store herunterlädt, soll die auf Windows, aber auch auf der Xbox One laufen. Klingt interessant, findest du nicht?
Tobias Gillen: Sehr sogar. Ich bin kein Gamer, habe entsprechend auch kaum Erfahrung mit der Xbox. Würdest du das so einschätzen, dass das einen Mehrwert bietet?
Jürgen Kroder: Ehrlich gesagt, finde ich nur die Möglichkeit, eine App auch auf der Xbox One zu nutzen, interessant. Aber ich denke nicht, dass das ein „Killerfeature“ für die Konsole ist. Die wankt ohnehin schon so stark, dass so etwas sie wohl nicht retten kann. Aber sicherlich hat Microsoft eine langfristige Strategie. Wer weiß: Vielleicht lassen sie die Xbox One fallen und bringen dafür eine Mediabox, die nur auf Windows 10 basiert? Quasi ein PC direkt am Fernseher. Dann könnten auch Computerspiele einfacher für den Konsum am TV umgesetzt werden. Das wäre eine mögliche Richtung. Und dann natürlich Windows 10 auf Smartphones, Tablets, in Autos und auf smarten Devices – Windows everywhere. Als Gegenpol zu Android und iOS – das wäre eine denkbare und vernünftige Strategie. Damit sind wir wieder an dem Punkt unserer Diskussion, wo wir schon vorher waren. Also ein neues Thema: Was gefällt dir als Apple-Jünger am neuen Windows? Gibt es ein paar Features, die dich überlegen lassen, eventuell von Mac OS auf Windows zu wechseln?
Tobias Gillen: Das Arbeiten scheint mit Windows 10 tatsächlich angenehmer geworden zu sein. Wie gesagt: Ich habe hin und wieder mit diversen Windows-Rechnern zu tun, ganz gewechselt bin ich aber damals von XP auf Mac OS X. In der Folge habe ich deutlich gespürt, wie viel produktiver ich mit dem Mac arbeiten kann. Windows 10 scheint den großen Unterschied wieder etwas aufzulösen, was ich sehr begrüße. Aber für einen Wechsel reicht das nicht. Das liegt aber auch daran, dass ich – leider? – im Apple-Ökosystem festhänge. Mein Smartphone interagiert perfekt mit meinem Mac und durch die kommende Continuity-Funktion verspreche ich mir davon noch mehr. Ein Wechsel wäre für mich also nur mit dem kompletten Switch von Smartphone, Tablet und PC möglich – und das ist schlicht nicht möglich, finde ich. Hier greift eben das Ökosystem: Bist du einmal drin, ist es schwer, wieder rauszukommen. Das hat Apple vor jedem anderen Hersteller verstanden und die Nutzer gefesselt.
Jürgen Kroder: Ach ja – das Ökosystem. Genau deswegen bin ich seit Urzeiten Windows-User und werde es wohl auch bleiben. Und deswegen freue ich mich auf Nummero 10. Zumal: Wenn es nach der heiß umwitterten Windows-Logik geht, müsste das neue OS ein Hammer werden. Denn Windows 95 war klasse, Windows 98 nicht so, Windows XP super, Windows Vista dagegen nicht, Windows 7 erfreut sich noch immer großer Beliebtheit, Windows 8 absolut nicht. Also wird Windows 10 wieder ein System, das ich mir gerne freiwillig installieren werde. /Aberglaube off/ Apropos „off“: Wir sollten unsere Diskussion mal so langsam beenden. Möchtest du als „Macianer“ noch eine Spitze in Richtung Windows-Jünger werfen? Oder etwas Versöhnliches?
Tobias Gillen: Ich würde mich nie als „Macianer“ bezeichnen, genauso wenig als Apple-Fanboy oder ähnliches. Ich bin ein zufriedener Apple-User, der sich im Ökosystem verheddert hat und freue mich trotzdem auf die Erfahrungen mit Windows 10. Denn das werde ich sicher bald ausprobieren. Auch auf deine Erfahrungen, die du ja sicher hier bald aufschreiben wirst, bin ich gespannt, Herr Kollege.
Jürgen Kroder: Vielen Dank für die letzten, versöhnlichen Worte, Tobias. Und vielen Dank für die Diskussion.
Ich denke, nun sollten wir unsere Leser mal zu Wort kommen lassen. Was haltet ihr vom neuen Windows? Geht Microsoft damit in die richtige Richtung? Kann Redmond damit wieder etwas Boden gut machen?
Dieses Chat-Format ist ein Experiment. Wir würden uns neben eurer Meinung zu Windows 10 auch freuen, ein wenig Feedback dazu zu bekommen. Gefällt euch diese Art des Beitrags? Warum? Warum nicht?
Bilder: Microsoft