Jede Bewegung entwickelt eine Gegenbewegung. Das scheint eine Gesetzmäßigkeit in unserer modernen Gesellschaft zu sein. Der Jugendkulturforscher Philipp Ikrath ist davon überzeugt, dass sich Jugendliche vom Internet und den sozialen Netzwerken abwenden, eben weil diese gerade absolut im Trend unter Gleichaltrigen sind. Analog ist das neue Digital?
Differenziertere Haltung zum Internet
Der 1980 geborene Philipp Ikrath ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Jugendkulturforschung in Hamburg. Dort wurde unter anderem das sogenannte „Defriending“ bei Facebook unter die Lupe genommen. Demnach würden viele Jugendliche mittlerweile ihre virtuellen Freunde entfernen, mit denen sie nicht im echten Leben befreundet sind. Besonders außergewöhnlich klingt das nicht. Auch stelle man häufiger den „digitalen Selbstmord“ fest. Teenager steigen aus den sozialen Netzwerken aus, da sie diese überfordern. In Zeiten, in denen Cybermobbing eine wachsende Herausforderung für Eltern wird, mag dies auch absolut nachvollziehbar sein.
Auf dem 10. Kinderschutzforum Köln bezeichnete Philipp Ikrath dieses Verhalten als „Avantgarde von digitalen Aussteigern“. Der Trend sei bereits in den USA dokumentiert worden, eine Ursache wäre unter anderem das Elternhaus. Wenn Mutter und Vater selbst den ganzen Tag vor Rechnern und mobilen Geräten sitzen, würde sich dies auf den Nachwuchs auswirken. Sie könnten später als Erwachsene die digitale Welt skeptischer, differenzierter betrachten.
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Ernsthaft?
Einerseits klingt das plausibel, andererseits stellt sich mir die Frage, ob eine Pauschalisierung möglich ist. Zum einen hatte Ikrath offenbar keine präzisen Statistiken parat, zum anderen: Was sollten die Jugendlichen denn ohne Internet mit ihrer Freizeit anstellen? (Spaß!)
Nüchtern betrachtet kann ich noch keine Gegenbewegung erkennen, die sich bewusst von den Digital Natives abwendet, um das Leben, die Natur, die echten Freunde zu entdecken, zu spüren, zu erleben. Denn machen wir uns nichts vor: Das haben die meisten jungen Menschen doch nie aus den Augen verloren. Das Smartphone ist auch prima dazu geeignet, sich mit Kumpels zu verabreden, in Kontakt zu bleiben, sich auszutauschen und Freundschaften zu pflegen. Studien kritisieren eher die zu intensive Nutzung des Internets als die Verweigerung des Netzes. Und das auch junge Menschen ihren Medienkonsum hinterfragen, mag ein Prozess sein, der mit dem Erwachsenwerden in Verbindung steht. Oder mit (negativen) Erfahrungen, die man im Lauf der Jahre sammelt.
Kein kompletter Ausstieg – wieso auch?
Hier sei auf Sexting verwiesen, das bei der jungen Generation zunehmend an Bedeutung gewinnt – erschreckenderweise. Außerdem: Zu erkennen, dass es nicht nur das Telefon, Tablet oder den PC gibt, führt nicht zwangsläufig zu einem kompletten Ausstieg. Wieso auch?
Schaue ich mir die vermüllten Parkanlagen und die zahllosen Einweggrills am Elbufer meiner Wahlheimat an, scheint sich ja bezogen auf das echte Leben nichts geändert zu haben – es ist immer noch da und wird von den Teens genutzt. Eigentlich schade – ich würde es mögen, wenn meine geschätzte Elbe sauberer wäre – aber das ist eine andere Geschichte…
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