Es gibt von Zynismus durchzogene Witze, deren Metaphorik so schmerzhaft ist, dass sie nach kurzem Gelächter zu Tränen rührt. Manch breitbandtechnisch versierter Beobachter wird den Inhalt der Digitalen Agenda 2014-2017 (PDF) emotional ähnlich aufgenommen haben, wie einen schlechten Scherz. Die Bundesregierung gibt auf fast 40 Seiten „strategische Empfehlungen“ und fordert im gleichen Atemzug einen „tiefgreifenden Veränderungsprozess“. Wahnwitzige, wenig konkrete Leere, die keineswegs zielführend ist. Dabei könnten kleine Veränderungen schon für mehr digitale Gerechtigkeit sorgen. Ein Kommentar.
Deutschland. Angekommen in der Vergangenheit.
Wir schreiben das Jahr 2014 – das Jahr, in dem der Industriestandort Deutschland eine „Digitale Agenda“ verpasst bekommt. Einen umfangreichen Ideenkatalog, der gespickt ist von guten Ansätzen, Handlungsempfehlungen – aber eben auch einen Bogen darum macht, wenn es um neue Gesetze, staatliche Investitionen oder veränderte Rahmenbedingungen geht. Immerhin ist das Thema durch die ausformulierte Agenda endlich in der Politik angekommen und bekommt dadurch die Relevanz, die schon vor Jahren nötig gewesen wäre. Ein lange überfälliger, wenn auch zurückhaltender erster Schritt.
Der Inhalt der Digitalen Agenda 2014-2017 bleibt vage und wurde bei „Spiegel Online“ recht trefflich und kompakt zusammengefasst: bis 2018 soll jeder Deutsche Zugang zu schnellem Internet erhalten, auch in ländlichen Gebieten. Start-Ups, Smart-Home-Technologien und IT-Unternehmen sollen wachsen, die Zahl der Fachkräfte soll ansteigen. Zugleich soll das Urheberrecht überarbeitet, die Störerhaftung reformiert und Netzneutralität gesetzlich verankert werden. Soll. Soll…
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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel formulierte den Kern der Digitalen Agenda auf der Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch dann auch gleich zu Beginn in allen Feinheiten aus und schickte damit die teilnehmenden Pressevertreter ohne Zögern, ganz konkret, ins Land der Träume:
„Die Digitale Agenda soll einladen zur Debatte über den strategischen Rahmen, das strategische Programm bei dieser, diesem wirklich tiefgreifenden Veränderungsprozess. Sie ist kein neues Subventionsprogramm, sie ist auch kein Maßnahmenpaket, sondern sie ist wie gesagt eine, ein strategisches Programm, das die Handlungsfelder abstecken soll, um diesen tiefgreifenden Veränderungsprozess in unserer Gesellschaft zu gestalten.“
Weiter sagte Gabriel, die Agenda sei zweierlei, nämlich „Arbeitsprogramm der Bundesregierung“ und „Einladung an alle Interessierte“ mit der Regierung über die „Ziele und einzelnen Schritte zu diskutieren“. Neue Diskussionen also. Im Jahr 2014.
50 Mbit/s für alle! Wie? Bleibt kryptisch.
Das wohl ambitionierteste Ziel der Digitalen Agenda ist der flächendeckende (!) Breitband-Ausbau bis 2018, bei dem gleichzeitig von verfügbaren Datenraten mit mindestens 50 Mbit/s die Rede ist. Dass dieses Ziel unter aktuellen Rahmenbedingungen keinesfalls realisiert werden kann, zeigt schon der Fakt, dass nicht einmal in den Metropolregionen flächendeckend Highspeed-Internet verfügbar ist. Der Grund dafür ist die Kupfer-Infastruktur des Telefonnetzes, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten schlicht nicht von heute auf morgen flächendeckend modernisiert werden kann.
Zwar treibt die Telekom die Modernisierung voran, muss hier jedoch stets auch die Wirtschaftlichkeit der Umbaumaßnahmen abwägen. Steht hinter der Investition nämlich über Jahre kein tragfähiges Geschäftsmodell, das die horrenden Summen wieder reinholt, rollen auch keine Bagger an.
Was in Großstädten gilt, gilt noch viel mehr für die ländlichen Regionen der Bundesrepublik. Wenn in der Digitalen Agenda von einem „flächendeckenden Ausbau“ die Rede ist, schließt dies 50-Seelen-Gemeinden abseits der großen Metropolen ausnahmslos mit ein. Genau hier müssten Anreize durch die Regierung geschaffen werden, Subventionen fließen. Ein „strategischer Rahmen“ oder eine Einladung zur Diskussion bringt sicher kein xDSL aufs Land. Die Telekom selbst sprach vergangene Woche im „FOCUS“ von 25 Milliarden Euro, um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen. Viel Geld. Kein Plan.
Wie planlos die Digitale Agenda bleibt, zeigen die rhetorischen Luftblasen, die sich beim Lesen immer wieder auftun.
Zu den „Rahmenbedingungen zur Unterstützung des marktgetriebenen Ausbaus“ heißt es auf Seite 9:
„Wir wollen die vorhandenen geeigneten Infrastrukturen transparent machen und eine gemeinsame Nutzung ermöglichen, eine Mitverlegung von Telekommunikationslinien bei Bauarbeiten unterstützen und Genehmigungsverfahren verschlanken.“
Zum „Digitalen Zugang für ländliche Gebiete“ heißt es auf Seite 9:
„Hier entwickeln wir Mechanismen, die die Attraktivität der Regionen erhalten und eine hochleistungsfähige Netzausstattung gewährleisten. (…) Zusätzlich wollen wir ein Finanzierungsinstrument „Premiumförderung Netzausbau“ entwickeln, um über vorhandene Programme hinaus Wirtschaftlichkeitslücken ländlicher Netzausbauvorhaben zu schließen.“
Auch möchte die Bundesregierung die „Arbeit in der digitalen Welt gestalten“ und sagt dazu auf Seite 16:
„Wir wollen die von der Digitalisierung betroffenen Berufsbilder wo erforderlich – u. a. in den IT-Berufen – an die neuen Anforderungen einer vernetzen Arbeitswelt, in der zunehmend branchenübergreifend gearbeitet wird, anpassen und so künftige Fachkräfteengpässe vermeiden. In diesem Sinne werben wir ebenfalls für die Verzahnung von IT- und Ingenieurstudiengängen.“
Und auch, wenn es scheinbar konkret wird, sucht man die wirklichen Maßnahmen vergeblich, wie beispielsweise auf Seite 13 („Digitalisierung der Wirtschaft unterstützen und vorantreiben„), wenn die optische Darbietung durch Gedankenstriche echte Maßnahmen vermuten lässt, jedoch schlussendlich wieder nur Ideen und Angriffspunkte dargelegt werden. Blickt man zurück auf die Worte von Minister Gabriel, allerdings auch wenig verwunderlich.
Momentaufnahme und Ausblick. Mehr nicht. Leider.
Die Digitale Agenda fasst weitgehend nur das zusammen, was in den kommenden Jahren durch ganz übliches Wachstum, staatliche Zuschüsse und technologischen Fortschritt ohnehin eintreten würde. Ob DSL-Vectoring, anstehende Mobilfunk-Frequenzvergabe oder fortschreitender Glasfaser-Ausbau: sowohl bei stationärem Breitband wie auch im mobilen Sektor tut sich technologisch und regulatorisch einiges. Leider scheitert die Bundesregierung seit Jahren, durch passende netzpolitische Maßnahmen die Geschwindigkeit des Fortschrittes sowie die Nutzung neuester Technologien zu beschleunigen. Genau hier sollte eine Agenda ansetzen, konkret werden, leiten.
Subventionen und Investitionen seitens des Staates sind unumgänglich, um die Breitbandlandschaft Deutschlands überall auf Innovation und Wachstum zu trimmen. Stellt sich die Frage, woher das Geld dafür kommen soll? Vielleicht wäre es an der Zeit, den Solidaritätszuschlag, wenn auch nur teilweise, für das (digitale) Wachstum eines vereinigten Deutschlands zu nutzen, quasi als Digitalisierungszuschlag? Davon würden nicht nur einzelne Regionen profitieren, sondern ganz Deutschland. Denn schnelle, freie Netze sind nicht nur YouTube, Facebook und Google, sondern auch grenzfreier Nährboden für Bildung, Startups, eine vernetzte Industrie (4.0) und Plattform neuer Streaming- und Vernetzungsdienste.
GIF: WeKnowMemes