Da bin ich nun. Auf meiner ersten re:publica, der Netzkonferenz in Deutschland. Auch wenn ich schon seit Jahren im Netz unterwegs bin, so ist dieser Konferenz bisher an mir vorbei gegangen. Was habe ich in den letzten Jahren verpasst! Die Themenvielfalt der zum Teil 15 parallelen Session ist schlicht überwältigend. Viele der Teilnehmer haben großes Interesse an politischen Themen, aber mindestens genau so viel möchten sich einfach über neue technische Möglichkeiten austauschen oder sehen die re:publica als “größtes Klassentreffen der Netzgemeinde”.
Forderung nach Asyl für Edward Snowden in Russland
In der Eröffnungssession vor etwa 3.000 anwesenden Teilnehmern ruft re:publica Mitorganisator Markus Beckedahl von netzpolitik.org nicht nur dazu auf im Jahr 1 nach Snowden “unser Netz wieder zurückzuerobern”, sondern geht noch weiter und fordert Asyl in Deutschland für den in Rußland weilenden Whistleblower der NSA-Affäre Edward Snowden.
Die Internetkonferenz bleibt in vielen Teilen politisch und auch international, aber das Programm allein für den ersten Tag sprengt ausgedruckt fast eine A3 Seite ob der Vielfalt der Themen. Und dann sind da noch die Stände von z.B. Baden-Württemberg, Joiz oder digitale Gesellschaft und vielen, vielen Anderen in der großen Halle und auf dem Freigelände vor den Sessionräumen.
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Für mich ging es nach der politischen Eröffnungssession weiter zu einem Vortrag mit dem provokaten Titel “Geh’ mir weg mit Barcamps”. Stefan Evertz, einer der erfahrensten Barcamp-Orgainsatoren Deutschlands stellte die aktuellen Trends und Zahlen zu den Unkonferenzen vor und versuchte mit seinen Mitdiskutanten Vivian Pein, Stefanie Aßmann und
Kritik am Prinzip „Barcamp“
Florian Krakau auch einige Kritikpunkte am Prinzip “Barcamp” bzw wie es in Deutschland gelebt wird abzuklopfen bzw zu widerlegen. Oft waren sich die Panellisten mit den Zuschauern im Saal – die zur überwiegenden Mehrheit schon Teilnehmer auf Barcamps waren – einig und bestätigen die vorgebrachten Argumente.
Nach einer weiteren Session, in der die Journalisten David Ohrndorf und Stefan Domke das multimediale Storytelling-Tool “Pageflow” des WDR vorstellten, welches seit vorgestern unter pageflow.io als Open-Source verfügbar ist, ging es für mich wieder zurück zur Hauptbühne. Dort spricht gerade der Journalist Jacob Applebaum über die Schwierigkeiten der Verschlüsselung (“To use a condom may be easier then using PGP”) auf der Hauptbühne der re:publica.
David Hasselhoff als Kämpfer für Freiheit
Gleich danach tritt David Hasselhoff auf; Ja genau: Baywacht-Knight-Rider-rote-Badehose-Looking-for-Freedom David. Der Hersteller F-Secure hat ihn genau wegen diesem Song für die re:publica im Rahmen Ihrer “Digital Freedom” Kampange engagiert. Im Netz ist “The Hoff” schon Kult – nun will der Software Hersteller diese Popularität auch in Berlin nutzen. “The Hoff” wird frenetisch begrüßt und spricht über sein Verhältnis und seine Geschichte zu und mit Deutschland. Er vergleicht den Verlust der Privatsphäre in der DDR mit dem Fehlen von Privatsphäre im Zeitalter der digitalen Überwachung. Das Kernproblem laut F-Secure Forschungschef Mikko Hyppönen ist, dass das Netz derzeit genutzt werde, um unser Leben zu überwachen – wozu es nie gedacht war. Er möchte ein Manifest aus vier Hauptpunkten den Regierungen der Welt übermitteln, die das Netz bzw die Privatsphäre zurückfordern. Schlussendlich geht es (auch) darum, dass neue VPN-Produkt von F-Secure zu promoten. Aber zum Schluss darf David doch noch singen.
In der nächsten überfüllten Session spricht re:publica Gründer Jonny Haeusler u.a. davon dass “Alles sagen zu dürfen, nicht immer bedeutet auch recht zu haben” mit Anspielungen auf rechtslastige Autoren auf den Bestsellerlisten in Deutschland bevor er eine Art Quizduell per Twitter mit den anwesenden Teilnehmern spielt. Seine Mischung aus netzpolitischen und gesellschaftlichen Fragestellungen und die überraschenden Antworten aus dem Saal kommen sehr gut an.
Lobo: „Das Internet ist kaputt“
Wieder zurück auf der Hauptbühne hat nun Sascha Lobo das Wort. Wie alljährlich zur re:publica gibt er seine Rede zur Lage der Nation zum Besten. In seinem Startrant geht er die Zuschauer im Saal direkt an: Die Bekassine war 2013 der Gesellschaft mehr wert als das Internet: das Spendenaufkommen zugunsten des Bayrischen Vogelschutzbundes gegenüber der Netzpolitik in Deutschalnd war – gerechnet auf Vollzeitstellen – etwa 60x so hoch. Nach einem Spendenaufruf für die digitalen Interessenverbände um sie von einer “Hobby-Lobby zur Vollzeit-Lobby” entwickeln zu können, lässt Lobo die Timeline der NSA-Affäre mit eindringlichen Worten Revue passieren und schließt den Rückblick ab mit den Worten “Das Internet ist kaputt, die Idee der digitalen Vernetzung ist es nicht.” Laut Lobo geht es bei dieser Internetkrise ganz schlicht um Herrschaft und um Macht. Erfordert Bundeskanzlerin Angela Merkel direkt auf “deutlich zu machen, dass Grundrechte wichtiger sind als Obamas Gewürzgarten.“ und ruft zu einem Marsch durch die Institutionen auf um den Kampf um die “freie, offene und sichere Gesellschaft” zu beginnen. Auch fordert er dazu auf – neben einer Verschärfung der Sprache – auch bei dem “Kampf in den Köpfen um die Köpfe” die Wirtschaft auf die eigene Seite ziehen. Er wird mit langem Applaus verabschiedet; Die Rede Lobos ist in voller Länge auf Youtube verfügbar.
Es ist nun fast 19 Uhr, aber der erste Tag auf der re:publica ist noch lange nicht zu Ende: neben Sessions des Bildblog-Gründers Stefan Niggemeier oder einer Live-Runde des digitalen Quartett von Ulrike Langer, Richard Gutjahr, Thomas Knüwer und Daniel Fiene oder Sessions zu Facebook-Werbung geht es für die meisten Zuschauer entweder zu anderen Locations für Events, die am Rande der re:publica statt finden oder sie warten auf die große Party “Web Week Night” die auf dem Gelände der re:publica statt findet und die parallel stattfindende Media-Convention und die NEXT-Konferenz mit der #rp14 verbindet.
Screenshots: re:publica Homepage / f-secure-Kampagne