Wie die Kollegen von TechCrunch vermelden, hat sich Amazon einen Spiele-Entwickler gekauft. Für eine unbekannte Summe wurde Double Helix, das unter anderem den Xbox One-Titel „Killer Instinct“ entwickelt hat, einverleibt. Stellt sich die Frage: Was will Amazon damit? Ist diese Übernahme nun ein deutliches Zeichen für das, was die Spatzen schon seit vielen Monaten von den Dächern pfeifen – nämlich den Vorstoß ins Spielekonsolen-Business? Könnte sein. Ergibt das Sinn?
Welchen Kunden hat Amazon im Sinn?
Gegenüber TechCrunch erklärte der Handelskonzern nur knapp, die Übernahme sei ein Teil des Bestrebens, „innovative Spiele“ zu entwickeln:
„Amazon has acquired Double Helix as part of our ongoing commitment to build innovative games for customers.“
Aha. Aber welche Kunden meint Amazon damit genau? Die Besitzer von Xbox-, Wii- und Playstation-Konsolen? Oder wieder Fans von Social Games, die bereits mit Spielen aus der Feder der Amazon Games Studios bedient wurden? Oder Casual Games für den PC, immerhin hat Amazon bereits 2008 den Anbieter Reflexive übernommen?
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Oder hat der Konzern die Android-Benutzer im Sinn? Das wäre das Offensichtlichste. Und das Sinnvollste. Den Amazon-App-Shop für Smartphones, Tablets und seine eigenen Kindle-Geräte haben die Amerikaner bereits erfolgreich am Markt etabliert. Mit guten Preisen und Gratis-Angeboten kann man bislang punkten. Doch für ein richtiges Unterscheidungsmerkmal zu Google Play oder anderen Android-Stores fehlt etwas Essentielles: einzigartiger Content.
Amazon-Konsole – Ja oder Nein?
Der Spruch „Software sells Hardware“ ist eine uralte Weisheit, die sich immer wieder bewahrheitet. Da Games ein Wachstumsmotor sind, ist derartiger Content extrem wichtig. Stellen wir uns mal vor, es gäbe ein Must-Have-Game für den Kindle Fire; eine Art „Super Mario“, „Halo“ oder „GTA“, das einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Eine derartige Killer-App könnte die Verkaufszahlen deutlich nach oben treiben. Mehrere solcher System-Seller – und schwupps, wäre Amazon plötzlich als Plattform-Anbieter extrem interessant.
Bei solchen Gedankenspielen ergeben die Gerüchte um eine Konsole Sinn. Mit einem eigenen Store und eigenen, starken Spielen wäre der Schritt von Tablets zur Konsolen nicht mehr weit. Diese Überlegungen sind ja nicht neu: Von der Ouya bis zur Snake Vyper (ehemals Unu) gibt es mittlerweile fast unüberschaubar viele Firmen und Start-Ups, die Android-Spiele auf den Fernseher bringen wollen. Bislang hat aber noch keiner den richtigen Durchbruch geschafft. Diesen Durchbruch traue ich Amazon auf jeden Fall zu. Nicht nur, weil sie die Marktmacht und Power haben, ein neues Standbein aufzubauen und ihre Hardware im Wohnzimmer zu etablieren. Sondern auch, weil sie die Meister des allumfassenden Contents sind.
Alles aus einer Hand
Microsoft und Sony versuchen schon seit unzähligen Jahren, ihre Spielekonsolen mehr als nur reine Daddelkisten zu präsentieren. Home Entertainment stand und steht noch ganz oben auf den Fahnen. Da werden TV-Funktionen angepriesen, Musik-Apps und Video-Streaming-Dienste integriert – alles nur, um über den Horizont zu schauen. Einerseits, um neue Zielgruppen zu erschließen; andererseits um die subventionierten Konsolen durch Zusatzgeschäfte rentabel zu machen.
Von E-Books über Musik und Filme bis hin zu Games und Schuh-Shopping: All dies kann Amazon aus einer Hand bedienen. Und das am PC, auf Smartphones und Tablets. Als letztes fehlt nur noch die Box im Wohnzimmer. Ob die nun als Spielekonsole oder als ultimative Entertainment-Kiste verkauft wird, ist eine Frage des Marketings.
Wagt sich Amazon ins Haifischbecken?
Gibt es dabei Risiken? Natürlich. Sollte Amazon sein Gerät – ich nenne es mal „Amazon-Box“ – auf den Markt bringen und Games zu einem Zugpferd machen, dann begeben sie sich in ein Haifischbecken. Sony, Microsoft und Nintendo befinden sich seit vielen Jahren darin und zerfleischen sich gegenseitig. Die Wii U ist hier der erste Leidtragende. Aber auch die Gerüchte, dass Microsoft seine Xbox-Sparte abgeben will oder soll, kommen immer wieder auf. Das Konsolen-Business ist genadenlos hart. Hier kann man nur mit viel Geld und langem Atem durchhalten. Zumal Free2Play-Spiele auf PC und mobilen Geräten das Geschäft weiter mächtig unter Druck setzen.
Groß und finanzstark, das ist Amazon. Im Mobile- und Free2Play-Sektor sind sie auch schon mehr oder weniger aktiv. Im Games-Business spielten sie bislang noch keine tragende Rolle. Aber das könnte sich bald ändern. Und wie immer könnten sie mit einem Niedrigpreis die Konkurrenten in Bedrängnis bringen. Spekulationen gehen davon aus, dass die Amazon-Box für unter 300 Dollar verkauft werden könnte. 300 Dollar (oder wie immer 1:1 in Euro umgerechnet) – DAS wäre ein Argument, das zumindest Casual Gamer und Familien zuerst ins Grübeln bringen könnte. Wenn es dann auch noch „große“ Games für die Amazon-Box geben würde, ein Rennspiel im „Need for Speed“-Stil, ein Fußball-Spiel oder gar einen erstklassigen Shooter, würden bestimmt auch einige PS4-Fans abtrünnig werden.
An dieser Stelle kommen üblicherweise die Schlaumeier ins Spiel, dass auf Android-Basis keine grafisch anspruchsvollen Spiele entwickelt werden können. Mag sein. Aber ist eine Grafik auf Hollywood-Niveau wichtig? Nein! Was zählt, ist der Spielspaß. „Minecraft“, „Counter-Strike“, „Starcraft“ oder die diversen „Super Mario“-Spiele: Alle haben sie gemeinsam, dass sie nicht gerade prickelnd aussehen, aber seit Jahren Millionen von Gamern begeistern.
Bild: Amazon