887,03 Euro möchte das Bundesministerium des Inneren (BMI) von der Website FragDenStaat.de wegen der Veröffentlichung eines Dokumentes kassieren, das gemäß des Informationsfreiheitsgesetzes herausgegeben wurde. Die Seite wehrt sich.
Urheberrecht zur Zensur missbraucht?
FragDenStaat.de ist eine Seite der Open Knowledge Foundation und soll dabei helfen, Informationen von Behörden schneller und einfacher zu erlangen. Eine solche Anfrage und die anschließende Veröffentlichung der Auskunft wird für die Initiative nun zum Problem: Am 14. Oktober fragt ein Nutzer über FragDenStaat.de beim Bundesinnenministerium ein Dokument an, das im „SPIEGEL“ erwähnt wurde. Es geht um ein internes Gutachten, in dem sich Juristen des Bundesinnenministeriums damit beschäftigen, ob eine 2,5-Prozent-Hürde bei der Europawahl rechtlich zulässig ist oder eben nicht.
Dazu gibt es vom Ministerium ganz klar den Hinweis, dass dieses Dokument nur für den privaten Gebrauch, nicht aber zur Veröffentlichung bestimmt ist. Wenig später widersetzt sich die Seite der Vorgabe und dem Hinweis auf das Urheberrecht und veröffentlicht das Gutachten mit der Begründung, dass man das Urheberrecht nicht zur Zensur gebrauchen dürfe. Dem Innenministerium schmeckt das erwartungsgemäß überhaupt nicht – und lässt die Website von einer Anwaltskanzlei abmahnen.
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„Der Bundesregierung geht es nicht um Autorenrechte“
Die Kosten für die Abmahnung: 887,03 Euro. Die Open Knowledge Foundation möchte sich dieser Abmahnung aus verständlichen Gründen allerdings nicht fügen. Sie – und ihre Anwaltskanzlei – sind der Meinung, dass das Urheberrecht hier a) nicht gelte, da es sich nur um einen kurzen Vermerk handle und b) nicht zum tragen kommen dürfe, um das Presserecht zu zensieren. Stefan Wehrmeyer, Projektleiter der Seite, urteilt:
Der Bundesregierung geht es nicht um Autorenrechte. Sie nutzt das Urheberrecht willkürlich, um die Veröffentlichung von brisanten, staatlichen Dokumenten zu verhindern. Es entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung die Nachvollziehbarkeit politischen Handelns erschweren will.
Und auch das Rückschreiben der Anwälte von Wehrmeyer und seiner Seite ist mehr als lesenswert. Darin nehmen die Juristen die Abmahnung in jedem Punkt auseinander. Zudem geben sie bekannt, dass es nicht zu einer Unterlassungserklärung kommen wird. Ob das Ministerium nun tatsächlich klagt oder Vernunft walten lässt, ist noch nicht bekannt. Die Anwaltskanzlei der Open Knowledge Foundation sieht dem allerdings gelassen entgegen – und stellt fest:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat erst kürzlich klargestellt, dass in Fällen wie diesem die Meinungsfreiheit schwerer wiegen kann, als das Urheberrecht. In dieser Abmahnung tritt der Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und Urheberrecht außergewöhnlich klar zu Tage. Gerade in politischen Angelegenheiten darf das Urheberrecht nicht zur Zensur missliebiger Veröffentlichungen missbraucht werden.
Es bleibt spannend.
Bild: Screenshot