Ohne große mediale Aufladung veröffentlichte Beyoncé heute überraschend ihr fünftes Studio-Album. Der Clou: dies geschah exklusiv bei iTunes und wird allem Anschein nach in digitalisierter Form vorerst auch so bleiben. Dieser Schachzug ist aus vielerlei Hinsicht interessant und gleichsam kritikwürdig. Da auch Streaming-Dienste wie Spotify nicht bedient werden, könnte man das Vorgehen als stillen Protest gegen all die neuen Einzelkauf- und Streaming-Geschäftsmodelle einordnen. Im Sinne der Fans ist diese Strategie jedenfalls nicht. Wieso sie trotzdem kopiert werden dürfte, verrate ich später.
Visuell aufgeladenes Gesamtkunstwerk
Beyoncé Knowles is back. Die US-Amerikanerin, nach der eine australische Pferdebremsenart benannt ist (auf Grund ihrer „Form“, kein Witz!), geht kurz vor Weihnachten zur besten Vermarktungs-Jahreszeit mit einem neuen Musikalbum an den Start. Das, wie einfallsreich, „Beyoncé“ genannte Werk, erhält dabei den Zusatz „The Visual Album“ – eine Anspielung auf die teils mit Kinder-Warnhinweis versehenen, offenbar aufreizenden, „visuell umwerfenden“ 17 Videos, die beim Kauf des Albums mitgeliefert werden.
Klingt zunächst einmal mutig, weil etwas anders, als das altbekannte Titel-Zusammenstellungs-Konzept. Es bleibt auch mutig, wenn man sich die Vermarktungsstrategie der Künstlerin und ihres Managements etwas genauer ansieht.
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Alles oder nichts: Zurück ins CD-Zeitalter
So sind bis 20. Dezember alle Titel nur in Verbindung mit dem gesamten Album zu erstehen. Titel-Einzelkauf? Erst einmal Fehlanzeige. Echte Beyoncé-Fans müssen somit knackige 15 Euro hinblättern, auch wenn es nur ein, zwei Titel sein mögen, die sich final in den Gehörgang brennen. Auch ist der Kauf nur im Apple-Kosmos möglich. Das Album „Beyoncé“ ist exklusiv bei iTunes erhältlich.
Ein exklusiver Deal also. Zwischen Sony Music und Apple, um genau zu sein. Streaming-Dienste mit bezahlbarem Premium-Modell wie Spotify, Ampya oder Rdio bleiben ebenso außen vor, wie die Vertriebsgiganten Amazon oder Google. iTunes, sonst nirgends. AAC, sonst nichts. Punkt. Aus.
Gewinnmaximierung. Auf den Schultern der Fans
Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Sinn für die exklusive Partnerschaft zwischen Sony Music und Apple sehr einfach zu greifen. Im Wirtschaftsjargon nennt man dies „Gewinnmaximierung“. Die Idee dahinter: Wenn ein Produkt nur von einem einzigen Anbieter verkauft wird, geht davon eine große Marktmacht aus. Eine monopolistische Marktsituation für dieses eine Produkt entsteht. Dies hat einen deftigen, weil konkurrenzfreien Preis zur Folge. Im Beyoncé-Fall sind das 15 Euro für ein optisch aufgebohrtes, aber letztlich (bisher) nur digital erhältliches Musikalbum. Ziel des Ganzen: die beiden Partner Sony Music und Apple schöpfen das gesamte Marktpotential ab und freuen sich über saftige Umsätze.
Der Preis und die zum Start unflexible Vermarktungsform des neuen Beyoncé-Albums erinnert an vergangen geglaubte Zeiten der CD-Vermarktung. Damals freute man sich immerhin über einen silbernen Datenträger, dessen Verpackung sich auch gut in einem CD-Regal machte. Dem ist beim Bit-lastigen Produkt bei iTunes eher nicht so. Preistreiber sind somit lediglich die enthaltenen Videos. Und eben die monopolistische Vertriebsform. Pfui. Immerhin: eine CD und DVD ist wohl in der Mache. Dieser Fakt wird zwar die zahlenden Streaming-Kunden kaum beruhigen, sorgt aber womöglich für ein Fünkchen Wettbewerb.
In einer offiziellen Pressemitteilung begründen die Lenker hinter dem Superstar den vermarktungstechnischen Weg damit, dass Beyoncé in der Vergangenheit Ziel von Leaks gewesen sei und die jetzige Strategie eine „Präventivmaßnahme“ sei. Deshalb biete man das Album als „zusammenhängendes Gesamtwerk“, bei dem jeder Song und jedes Video von Beginn an inbegriffen sei.
Schöne Videos sind schön
Ich frage mich: wen interessieren die Videos wirklich? Sicherlich werden sich hier auch Liebhaber finden, ich behaupte aber, dass die breite Masse davon kaum etwas hat. In Zeiten sich ändernder Marktveränderungen natürlich ein intelligenter Schritt nach vorne, hin zu neuen Alleinstellungsmerkmalen und Bewegtbild-Interessensgruppen. Ich würde nun zu gerne leicht zynisch und augenzwinkernd auf den RedTube-Fall verweisen, verkneife es mir aber. Zu tragisch sind die Vorgänge.
Immerhin: Beyoncé zeigt mit der exklusiven Vermarktungspartnerschaft einmal mehr sehr schön, worum es den meisten Superstars und Musiklabels in der heutigen Zeit wirklich geht: das Geld. Vorbei die Zeiten, in denen es auch um Kunst und freigeistliche Ideologie ging. Im Grunde ist nichts Verwerfliches daran, für gute Produkte angemessene Preise zu verlangen. Traurig wird es aber dann, wenn dadurch all jene vom Hörerkreis ausgeschlossen werden, die das Geld für das Gesamtalbum nicht aufbringen können.
Kritik an Musikstreaming-Diensten?
Ob das neue Beyoncé-Album jemals die Streaming-Plattformen erreichen wird, ist derzeit unklar. Ich rechne zwar damit, jedoch nicht vor Frühjahr 2014 – dann, wenn der Hype um das neue Album ein wenig abflacht. Sony Music schöpft damit zunächst einmal den ertragreichen Käufermarkt ab, um später durch die Veröffentlichung in Spotify & Co noch einige Groschen zu verdienen.
Groschen, das Stichwort für einen kurzen Blick auf die Verdienstmöglichkeiten beim Streaming. Das „Wall Street Journal“ spricht von 0,6 bis 0,84 Cent pro abgespieltem Titel bei Spotify. Klingt tatsächlich dürftig, sorgt aber bei Millionen von Wiedergaben auch für nette Sümmchen, die andernfalls womöglich erst gar nicht aufkämen. So lassen sich insbesondere mit populären Titeln und Veröffentlichungen bei 24 Millionen Spotify-Nutzern gute Umsätze erzielen, wenn denn das Marketing stimmt.
Dass Beyoncé und ihr Management folglich durch die vorliegende Strategie Streamingdienste und ihre Vergütungsmodelle boykottieren oder offen kritisieren möchten, bezweifle ich. Vielmehr dürften Spotify-Kunden als solche zweiter Klasse wahrgenommen werden, da Käufer schlichtweg ein garantiertes Vielfaches einbringen. Ganz egal, wie oft sie sich die Titel letztlich anhören.
Trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass das vorliegende Vorbild von Beyoncé in der Branche die Runde macht. Zunächst neue Alben exklusiv einige Wochen oder Monate zum Kauf anbieten, um Streamingplattformen erst dann zu bedienen, wenn die Verkäufe abflachen. Dies erhöht einerseits den Druck auf die Streaming-Anbieter, mehr zu zahlen. Spült gleich doppelt Geld in die Kassen oder eröffnet ganz neue, individuell ausgehandelte Vertrags-Opportunitäten zwischen Labels und Streaming-Diensten. So kürzlich erst zu beobachten bei der Rockband Led Zeppelin, einst beliebtem Spotify-Boykott-Beispiel, das nun doch mit großem Tamtam seinen Weg in dessen Musikbibliothek fand. Tja, Money makes the world go ‚round!
Bei Forbes ganz oben
Die 32-jährige Beyoncé verdiente nach Hochrechnungen des Forbes Magazine im Jahr 2013 schätzungsweise 53 Millionen US-Dollar. Daraus resultiert neben einigen weiteren Faktoren Platz 4 der mächtigsten Berühmtheiten der Welt. Man darf gespannt sein, wo sie im kommenden Jahr steht. Die Weichen für einen weiteren Aufstieg sind jedenfalls gestellt. Müssen nur noch Fans und Kunden mitspielen.
Update: 14. Dezember (0:30 Uhr): In einer früheren Version des Textes fehlte der Hinweis darauf, dass ein Titel-Einzelkauf bei iTunes ab 20. Dezember möglich sein wird.