Chef von BlackBerry wird man zwar einfach nicht so, aber unter Umständen doch recht plötzlich. Schon seit Monaten suchte die Firma nach einem Käufer – die Liste der spekulierten Interessenten war lang: Google, Intel, Lenovo, Samsung und einige andere. Doch nichts funktionierte so richtig, und ein Kaufinteressent nach dem anderen sprang ab, oder konnte sich den Kauf doch nicht leisten, wie die Investmentfirma Fairfax. Hinter den Kulissen brodelte es derweil offenbar heftig. Als Verlierer des internen Machtkampfes ging schließlich der deutsche CEO Thorsten Heins hervor, der seinen Sessel wegen anhaltender Erfolglosigkeit ohne Perspektive auf Besserung räumen musste.
In der offiziellen BlackBerry-Mitteilung klang das natürlich deutlich geschmeidiger. Fakt ist jedoch: Statt eines Verkaufs der Firma wird ein Kredit von immerhin 1 Milliarde Dollar aufgenommen, um die Firma auf neuen Kurs zu bringen. Und das mit einem neuen Kapitän: Heins-Nachfolger John Chen ist dabei erst einmal kommissarisch eingesetzt. Eine seiner Aufgaben: einen neuen CEO finden.
Erfahrung im Drehen des Ruders
Dabei kann auch Chen mit breiter Erfahrung punkten: Von der New Yorker Börse, wo er im Vorstand saß, über Disney und den Datenbankentwickler SyBase, den Finanzdienstleister Wells Fargo, die Investmentfirma Silver Lake Partners (die zusammen mit Michael Dell den Computerhersteller Dell wieder in Privatbesitz brachten) – Chen hat reichlich Führungserfahrung gesammelt. Die Hoffnung bei BlackBerry ist, dass er den angeschlagenen Smartphone-Hersteller wieder in Richtung Erfolg steuern kann. Dass er eine Firma nicht nur profitabel machen kann, hat er bei SyBase bewiesen. Der Software-Entwickler war schwer angeschlagen, als Chen 1998 an dessen Spitze trat. Zwölf Jahre schloss er den Verkauf der Firma an SAP ab – für 5,8 Milliarden Dollar. Das weckt bei den BlackBerry-Verantwortlichen wohl Hoffnungen auf ein zweites Wunder von John Chen.
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Mit Äußerungen zur Zukunft von BlackBerry ist dieser natürlich vorsichtig, nur einen Tag nach seiner offiziellen Ernennung. Und so hält sich Chen im Interview mit der BlackBerry-Fanpage Crackberry.com mit konkreten Aussagen zurück. Klar wird dabei: Einen fertigen Zukunftsplan für den angeschlagenen Smartphone-Bauer scheint der Interims-Chef nicht in der Schublade zu haben. Von schnell zusammengerührten Fertigrezepten hält er augenscheinlich ebenfalls nicht viel. So erteilt Chen den auch im Fall Nokia immer wieder auftauchenden Forderungen nach einem schnellen Schwenk ins Android-Lager vorerst eine Absage:
Es ist viel zu früh für mich, darüber ein vernünftiges Urteil zu fällen. Das wäre sehr sehr voreilig. Was auch immer die richtige Sache für das Geschäft ist, es muss weiterhin einen Grund für die Existenz von BlackBerry geben. Auf Android aufzuspringen, ohne zu durchdenken warum es BlackBerry geben sollte und was BlackBerrys auszeichnet, ist unpassend. (…) Wenn ich solche definitiven Aussagen jetzt – nach gerade einmal 24 Stunden – treffen würde, sollte man mich abziehen und erschießen.
Ruhe ist das oberste Gebot
Aber selbst ohne die Anwendung solch drakonischer Mittel ist Chen nicht zu beneiden. Jedes Wort kann in der aktuellen Phase über Aufstieg oder Untergang entscheiden – die oberste Devise heißt daher, Ruhe in den Laden bringen. Denn vor allem die Börse ist nervös. Vom Überraschungsschwenk der Kanadier waren die Anleger jedenfalls nicht gerade begeistert. Infolge der Heins-Absetzung und dem abgesagten Verkauf stürzten die BlackBerry-Aktien um etwa 15 Prozent in die Tiefe.
Doch womöglich war dies nur der erste Schock und die Ungewissheit darüber, was nun folgt. Denn im Moment geht der Trend wieder leicht aufwärts, hat aber die Verluste von gestern längst nicht aufgeholt. Und die schmerzen ganz besonders bei einer Firma, die seit 2008 95 Prozent ihres Wertes verloren hat. BlackBerry hat den Anschluss auf dem Smartphone-Markt verloren – wie Chen die Firma wieder auf Kurs bringen will, und ob er das Vertrauen der Anleger bekommt, wird zumindest spannend. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das aktuelle OS BlackBerry 10 vor kurzem noch als letzte Chance galt.
Logo: BlackBerry; Bild: m lobo / Flickr (CC BY-SA 2.0)