Die Grundidee hinter Wikipedia ist simpel: Jeder kann einen Eintrag bearbeiten, und die Community kann die ganze Zeit beobachten, korrigieren und eingreifen. Die Maßstäbe an einen Artikel sind ähnlich einfach und klar: In erster Linie müssen Artikel neutral und in freier CC-Lizenz verfügbar sein. Auch persönliche Angriffe sind zu vermeiden – das sollte aber eh klar sein.
Doch gerade die Offenheit der Online-Enzyklopädie ist auch ihre größte Schwäche – gerade weil jeder Artikel schreiben und bearbeiten kann. Und findige Firmen haben hier längst die Chance erkannt, mit geschönten Auftragstexten richtig Geld zu verdienen. Doch Wikipedia wehrt sich: Der englische Ableger der Online-Enzyklopädie führt gerade eine große Suche nach derartigen „sockpuppets“ durch. Es könnte um mehrere tausend (Fake-)Accounts und zehntausende Artikel gehen.
Ich kaufe mir einen Wikipedia-Artikel
Ganz vorn auf dem Gebiet gekaufter Wiki-Artikel dabei ist die Firma Wiki-PR. Der Name ist hier Programm: Das Unternehmen bietet nicht nur komplette Neueinträge an, auch die wohlwollende Überarbeitung lässt sich natürlich buchen. Auch Übersetzungen bis hin zum akuten Krisenmanagement sind unter der Headline „Werden Sie bei Wikipedia unfair dargestellt?“ im Angebot. Angesprochen werden dabei sowohl Privatkunden als auch Unternehmen. Noch im September brüstete sich Wiki-PR mit zwei neuen Großkunden – der Schnäppchenseite Priceline und dem Medienkonzern Viacom.
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Das Unternehmen hält dabei nach eigenen Angaben die Wikipedia-Grundregeln ein – so steht es jedenfalls auf der Website: „Wir respektieren die Community und deren Regeln gegen Promotion und Werbung.“ Doch genau da liegt eigentlich das Problem. Denn laut der englischen Wikipedia verstoßen die bezahlten Artikel durchaus gegen die Wiki-Regeln. Und auch die Wikimedia-Stiftung hat mittlerweile eine offizielle Stellungnahme abgegeben:
Eine Anzahl von Accounts – womöglich mehrere Hundert – scheinen bezahlt worden zu sein für Wikipedia-Artikel, die Organisationen oder Produkte bewerben und gegen etliche Grundregeln verstoßen.
Die Prüfung durch die Community hat dazu geführt, dass bisher mehr als 250 Accounts gesperrt wurden, weil sie durch die internen Analysen und die Überprüfung der von ihnen erstellten Artikel als beauftragte Accounts identifiziert wurden.
Nicht nur Zustimmung
Aber ist das Problem dann überhaupt so dringend? 250 Accounts sind schließlich nicht viel, wenn man die gesammelte Wiki-Gemeinde gegenüberstellt – und sogar mehrere zehntausende Artikel wären im Vergleich zu 4,3 Millionen Einträgen auf der englischen Wikipedia vergleichsweise wenig. Und tatsächlich: Auch die Community ist in dieser Frage gespalten. Die einen äußern Erleichterung, dass etwas gegen bezahlte Artikel getan wird, weil sie eine Verwässerung der Wiki-Qualität befürchten. Andere winken gelangweilt ab: Die Auftrags-Einträge seien nur halb so wild, und die ganze Aufregung der englischen Wikipedia-Community nur eine große Blase.
Manche Nutzer sehen das wahre Problem ohnehin woanders und nehmen die Debatte erneut zum Anlass, das System Wikipedia als Ganzes zu hinterfragen. Sie verweisen auf eine harsche Diskussionskultur, die vor allem Neulinge schnell abschreckt und allzu selbstherrlich agierende Admins: Selbst berechtigte Änderungen würden etwa immer wieder ohne Begründung zurückgewiesen und Accounts bei Widerworten schnell einmal gesperrt. Für ein Mitmach-Lexikon sind derartige Anschuldigungen mindestens ebenso gefährlich wie gekaufte PR-Artikel – Stichwort Autorenschwund.
Bild: Screenshot