10.000 Euro für einen Kommentar auf einer Facebook-Pinnwand? Klingt nach leicht verdientem Geld. Problematisch wird es aber, wenn es der letzte Kommentar sein soll – und kein finaler Zeitpunkt genannt wurde.
10.000 Euro in großen Scheinen
Radio 95.5 Charivari („Münchens Hitradio“) hat sich jetzt genau mit einer solchen Aktion ein schönes Eigentor geschossen. Gestern lobte der Sender aus: „10.000.- Euro!!!! Der letzte Facebook-Kommentar bekommt die Kohle!!!“ Dazu ein Foto der beiden Moderatoren Herold und Jenna, die die 10.000 Euro in 500-Euro-Scheinchen in die Kamera halten.
Auf den ersten Blick ist die Aktion gut gemacht: Das Bild und das Geld sorgen für Aufmerksamkeit, der Post ist kurz und knackig und kann gut weitergeteilt werden und die Aufgabe ist so einfach, dass sie wirklich jeder versteht… Oder, doch nicht? Denn was genau ist mit „der letzte Facebook-Kommentar“ gemeint? Der letzte Kommentar aller Zeiten auf Facebook? Im Jahr 2149, wenn Facebooks Server dann endlich zusammengebrochen sind, weil sie Daten in der Größe eines NSA-Rechenzentrums zu speichern versuchten? Oder der letzte Kommentar auf der Fanseite, bevor man das Bild wieder löscht? Aber wann wäre das? Und wie überhaupt will man das feststellen? Und… ach, egal.
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Mit der Aktion überfordert
Jedenfalls dürfte feststehen: Radio Charivari hat sich mit diesem „Gewinnspiel“ gehörig übernommen. Denn das Feedback auf diese Aktion war für eine Seite mit 28.700 Likes überwältigend groß: Mehr als 15.000 Likes, über 1.000 Shares und – festhalten – weit über 250.000 500.000 Kommentare schenkten dem Sender eine Menge Aufmerksamkeit.
Für Radio Charivari allerdings nicht in der Form, in der man es sich gewünscht hätte. Die Kommentarflut glich zuletzt einem Shitstorm, immer mehr Kommentatoren fragten nach der Glaubwürdigkeit solcher Aktionen, beleidigten den Sender und ließen ihrer Wut freien Lauf. Über die Art und Weise lässt sich streiten, über den Grund dafür aber nicht. Denn zu Unrecht steht der Sender hier nicht in der Kritik.
Nachdem die Aktion dann vollends aus dem Ruder lief, machte Facebook dem Elend ein Ende und löschte das Posting. Es verletze „die Standards der Facebook-Gemeinschaft“, schreibt das Unternehmen. Radio Charivari, offenbar weiterhin in dem Glauben, dass das eine gelungene Aktion war: „Leider hat uns von facebook gerade folgende Meldung erreicht.“
Facebooks „Promotion“-Richtlinen nicht beachtet
Interessant wird es, wenn man sich Facebooks Regeln für eine Verlosung (bei Facebook „Promotion“ genannt) ansieht. Seit Kurzem ist es nämlich auch möglich, Gewinnspiele nicht mehr nur über eine App, sondern auch auf der Pinnwand durchzuführen. Allerdings unter einigen Bedingungen, etwa:
Promotions auf Facebook müssen folgende Elemente enthalten: Anerkennung, dass die Promotion in keiner Verbindung zu Facebook steht und in keiner Weise von Facebook gesponsert, unterstützt oder organisiert wird.
Das bedeutet, dass ein Satz wie „Dieses Gewinnspiel steht nicht in Verbindung mit Facebook“ Pflicht ist. Dieser fehlt bei Radio Charivari.
Wenn du Facebook nutzt, um über eine Promotion zu berichten bzw. diese zu organisieren (z. B. einen Wettbewerb oder eine Verlosung) bist du für die den ordnungsgemäßen Ablauf dieser Promotion verantwortlich, einschließlich: Angebotsbedingungen und Auswahlkriterien
Bedeutet: Eine Bedingung wäre etwa gewesen, einen Start- und einen Endzeitpunkt festzulegen und zu kommunizieren. Zudem mögliche Einschränkungen, wenn es sie denn gibt, wie „Erst ab 18 Jahren“ oder „Nur für Teilnehmer in Deutschland“.
Weiterer Beispiele bedarf es eigentlich schon nicht mehr, wenngleich Radio Charivari sicherlich noch gegen andere Regeln verstoßen hat. Man darf wohl annehmen, dass eine „Einholung notwendiger regulatorischer Genehmigungen“ und Co. nicht erfolgt sind. Demnach hat der Sender die Bedingungen von Facebook fast in Gänze ignoriert – und Facebook durchaus das Recht, dem ein Ende zu setzen.
Wer hat denn nun gewonnen?
Eine Frage ist aber nach wie vor offen: Wer hat denn nun die 10.000 Euro gewonnen? Schließlich – und das ist die Ironie an der Sache – gibt es inzwischen ein Ende der Aktion – und damit auch einen letzten Kommentar. Radio Charivari schweigt sich dazu aus und provoziert dadurch gleich die nächste Shitstorm-Welle. Ein Nutzer postet:
WER hat den nun den letzten Kommentar gepostet? Nun wurde die Aktion, wenn auch durch einen Dritten, beendet UND es gibt den letzten Kommentar. Heißt die 10.000,- Euro MÜSSEN ausbezahlt werden. Rechtlich betrachtet stand in der Beschreibung NICHT, dass die Aktion durch Charivari beendet werden muss, sondern es ging um den letzten Kommentar.
Ein weiterer:
Hoffentlich kostet euch diese dubiose und leicht betrügerische PR-Aktion RICHTIG viele Hörer.
Ein nächster (in von uns grob korrigierter Version):
Tolle Verarsche, 95.5 Charivari, nächstes mal vielleicht vorher sicher erkundigen was die Bedingunge(n) für sowas sind als einfach drauf los machen…. macht euch sehr unsympathisch und auch etwas dümmlich ! Aber respekt(.) niemand hat es geschaf(f)t(,) so schnell so viele Leute zu vera(
a)rschen(;) großes Lob ! Euer Sender? Nie wieder(.)
Wieder andere fordern, das Geld zu spenden; viele sind – durchaus nachvollziehbar – einfach nur wütend und enttäuscht. Wie der Sender nun mit dem PR-Disaster umgehen will, hätten wir ja allzu gern gewusst. Leider gab es bislang keine Antwort auf unsere bereits gestern gestellte Anfrage. Sobald da noch etwas kommt, werden wir den Post entsprechend ergänzen.
Update, 16:10 Uhr: Selbstverständlich verstößt das Gewinnspiel von Radio Charivari auch gegen geltendes deutsches Recht (§4 Nr. 6 UMWG), wie uns ein Leser auf Facebook freundlicherweise mitteilte.
Update, 17. Oktober: Von Einsicht ist bei Radio Charivari nichts zu erkennen. Statt einer Entschuldigung gibt es lediglich die Info, dass das Geld eventuell gespendet wird.
Update, 18. Oktober: Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke hat gegenüber BASIC thinking zu den rechtlichen Hintergründen derartiger Facebook-Gewinnspiele Stellung bezogen und sagt klar: „Ein solches Vorgehen ist nicht rechtmäßig.“
Bild: Screenshot