Ausgehen, Spaß haben, über kleine und große Erlebnisse und Katastrophen des Alltags berichten, das neue gemütliche Bistro an der Ecke empfehlen und natürlich auch mal gehörig über schlechten Service und hohe Preise meckern – soziale Bewertungsplattformen wie die inzwischen unter einem Dach verwalteten Portale Qype oder Yelp haben ihre Wurzeln in der Funktion als Wegweiser in der Welt des Konsums und bei der abendlichen Partyplanung.
Tabuthema Tod
Dass in diesem Umfeld auch wirklich ernsthafte Themen einen Platz bekommen, erwartet man eigentlich nicht. Umso ungewöhnlicher wirkte auf mich zunächst ein lokales Projekt, welches Yelp in dieser Woche erstmals in Zusammenarbeit mit dem 2012 gegründeten Verein Lebensdurst-ICH in Köln gestartet hat. Nicht zuletzt aus Neugierde habe ich mich daher nicht lange bitten lassen und bin der damit verknüpften Einladung unter dem Motto „Der besondere Moment“ gern gefolgt.
So rührt Lebensdurst-ICH an einem Thema, das auf den ersten Blick so gar nicht in die unbeschwerte Welt von Caféhaus-, Cocktailbar- und Kinobewertungen passen will: dem (möglichen) Tod eines jungen Menschen nach schwerer Krankheit. In einem Alter, in dem andere ihr Studium beginnen oder abschließen, auf Reisen gehen, Zukunftspläne schmieden oder jeden Abend einfach durch die Clubs der Stadt ziehen, werden einige Gleichaltrige plötzlich mit der Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit konfrontiert. Danach beginnt oft ein schleichender Rückzug aus dem Alltag der Jungen und Gesunden – manchmal freiwillig, häufig aber auch durch die Zwänge der eigenen schwindenden Physis.
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Etwas wie Normalität spüren
Die Folge ist mitunter ein von Angst, Verzweiflung und Langeweile geprägtes Leben in der Eintönigkeit trister Krankenhausflure. Auch die zunehmende Isolierung in den eigenen vier Wänden wird für viele Betroffene zum Problem, da ihnen mitunter einfach die Kraft fehlt, Freundschaften aktiv aufrecht zu erhalten oder das Umfeld aus Unsicherheit den Kontakt meidet. Diesem Kreislauf will Lebensdurst-ICH etwas entgegensetzen und dabei helfen, zumindest ein paar Stunden aus dem durch die Krankheit vorgegebenen Trott auszubrechen und so etwas wie Normalität zu spüren. Zudem kümmern sich die Mitglieder darum, Betroffene aus Spendenmitteln auch finanziell zu unterstützen oder scheinbar unerreichbar gewordene Wünsche zu erfüllen.
Aber wie passt das nun eigentlich mit einer Plattform wie Yelp zusammen? „Lebensdurst-ICH wurde ja dafür gegründet, um von einer schweren Krankheit betroffenen jungen Menschen wieder so alltägliche Dinge wie Ausgehen oder das Kennenlernen neuer Menschen zu ermöglichen und daraus eine gewisse Leichtigkeit zu machen“, erklärte mir der örtliche Yelp-Community-Manager Oliver Eitel am Montagabend bei dem ersten, gemeinsam mit Lebensdurst-ICH organisierten Event in einer Kölner Bar. „Ziel und Konzept von Yelp liegen in der gleichen Richtung, denn es geht ja auch bei uns darum, dass Menschen anderen Menschen helfen.“
Yelp-Mitglieder werden zu „Buddys“
Zu diesem Zweck hat Yelp ein „Buddy“-System aufgesetzt, über das Mitglieder der lokalen Community direkt mit den Erkrankten in Kontakt gebracht werden sollen. „Wir wollen das Projekt so auf einer sehr persönlichen Ebene halten, weil es eben auch um sehr individuelle Schicksale und Vertrauen geht“, betonte Eitel. Da das Interesse der Yelper im Vorfeld des ersten Events bereits sehr groß gewesen sei, habe man die ersten zehn „Buddys“ ausgelost. „Vor einer Woche hatten beide Seiten dann erstmals die Möglichkeit, sich kennenzulernen und auszutauschen, um das Eis vor der heutigen Begegnung bereits ein wenig zu brechen.“
Der weitere Verlauf ist völlig offen. Nun entscheidet wohl schlichtweg menschliche Sympathie darüber, inwiefern die geknüpften Verbindungen tatsächlich bestehen bleiben. Ob der Ansatz auf Dauer funktioniert oder das gegenseitige Interesse schnell wieder abflaut, muss sich also noch zeigen. Erfahrungswerte gibt es nicht – zumindest für Köln ist das Projekt in dieser Form ein absoluter Prototyp. „Wir hoffen aber auf jeden Fall auf eine weitere Zusammenarbeit mit dem Verein“, so Eitel. Angedacht seien etwa Wiederholungen der Buddy-Treffen im Rahmen wechselnder Events. Betroffene sollen so ungezwungen und regelmäßig die Möglichkeit bekommen, zusätzliche Abwechslung in ihren Alltag zu bringen.
Bestenfalls entstehen so echte Freundschaften – für’s Leben. Mein Eindruck des Abends sagt mir jedenfalls, dass es eine Fortsetzung geben wird. Aus einer Makroperspektive ist die Initiative derweil ein exzellentes Beispiel für die Chancen und Möglichkeiten digitaler Vernetzung an der richtigen Stelle. Es muss nicht immer die ganz große Kampagne mit Millionen von Klicks sein. Auch und gerade auf lokaler Ebene lässt sich bereits mit relativ wenig sehr viel bewegen. In diesem Fall trommeln wir als in Köln ansässiges Blog natürlich besonders gern dafür.
Bilder: Yelp / Lebensdurst-ICH e.V.