Mehr Menschlichkeit, Spaß und Herz verlangte Ex-Kollege Jürgen vor einigen Monaten drüben bei netzwertig.com in einem Beitrag über Single-Börsen im Internet. Kann man zunächst unterschreiben. Allerdings denke ich, dass für Menschlichkeit im eigentlichen Sinn bei dieser recht technischen und schematischen Art der Partnersuche generell nur wenig Platz ist. Ich weiß nicht, wie das bei euch so aussieht, aber mir persönlich wäre zudem die damit verbundene recht plakative Art der Selbstpräsentation eher unangenehm. Doch das ist Ansichtssache.
Schwarze Schafe im Visier
Viel schwerer wiegt eine andere Problematik, die mit der Partnersuche über Dating-Portale einhergehen kann: dreiste Abzocke. Derartiges ist der gesamten Branche ein Dorn im Auge, rücken diese doch das Geschäft mit der digitalen Partnervermittlung in ein schlechtes Licht. Um sich von möglichen schwarzen Schafen abzusetzen, muss also ein vertrauenswürdiges Unterscheidungsmerkmal her. Und was liegt da näher als – natürlich – ein Siegel.
Was bei Online-Shops gang und gäbe ist, lässt sich schließlich auch auf andere Vermarktungsformen übertragen. Im Mai letzten Jahres stellten daher mit Neu.de, FriendScout24, eDarling und Parship (inzwischen abgesprungen) vier große Anbieter in Kooperation mit dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) den sogenannten „S.P.I.N.-Kodex“ vor, der im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung „faire und transparente“ Geschäftspraktiken sicherstellen will.
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Ein Siegel soll Vertrauen schaffen
Obwohl das zugehörige Siegel bereits auf einigen Websites prangt, startet nun die eigentliche Zertifizierung der teilnehmenden Unternehmen anhand eines vorgegebenen Kriterienkataloges. Als „unabhängige Zertifizierungs- und Kontrollinstanz“ wurde dafür das Unternehmen ePrivacyconsult verpflichtet, das als sogenannter „Auditor“ gemeinsam mit dem BVDW bei Verstößen oder Nutzerbeschwerden aktiv werden soll. Hier sieht das S.P.I.N.-Regelwerk Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro vor. Zumindest theoretisch – in der Praxis muss sich das System noch beweisen. Und da hängt „freiwilligen Selbstverpflichtungen“ ja doch eher ein zweifelhafter Ruf an.
Generell stellt sich die Frage, ob bei derartigen Lösungen nicht der Bock zum Gärtner gemacht wird. Schließlich sollen sich die Anbieter mehr oder weniger selbst kontrollieren. Bildet S.P.I.N. hier eine Ausnahme? Vielleicht. Für Skepsis sorgen bei mir jedoch die gegenseitigen Verquickungen der Mitglieder. So kann an der Initiative nur teilnehmen, wer auch Mitglied im BVDW ist – und somit einen Mitgliedsbeitrag an den Verband entrichtet.
Dieser wiederum soll aber gegebenenfalls Sanktionen gegen seine eigenen zahlenden Mitglieder verhängen – zumindest keine besonders glückliche Konstellation. Der BVDW sieht darin aber kein Problem. Auf Nachfrage teilte uns Verbandsexperte Thomas Schauf mit, man könne keine Interessenkollisionen erkennen. Vielmehr helfe die Mitgliedschaft, wichtige Branchenthemen weiterzuentwickeln. „Würden wir die Partnerbörsen nicht in den Verband integrieren, wüssten wir nicht um deren Unternehmensentwicklung. Auch für mögliche Sanktionierungen ist dies unkritisch, da für alle Verfahrensbeteiligten die Spielregeln von Anfang an klar sind“, so Schauf.
Offene Fragen bleiben
Ein zweiter Schwachpunkt scheint die fehlende regelmäßige Kontrolle zu sein. So prüft ePrivacyconsult jeden Antrag eines Unternehmens darauf, ob dieses den gültigen Kriterienkatalog erfüllt und übermittelt einen Bericht an den BVDW, der dann das Siegel ausgibt. Soweit so gut. Danach kann dieses aber offenbar ohne weitere Prüfungen auf unbestimmte Zeit genutzt werden. Dass die Portale das Siegel nur zu Marketing-Zwecken beantragen und sich später nicht mehr um die Kriterien kümmern, daran glaubt der Verband nicht. „Es dürfte wenig sinnvoll für Unternehmen sein, sich einem Verhaltens- und Qualitätskodex anzuschließen und diesen nach bestandener Prüfung nicht mehr zu erfüllen“, meint BVDW-Vertreter Schauf. Er gehe daher davon aus, dass es kaum Beschwerden geben dürfte.
Falls doch, sieht man sich gut gerüstet. Auch auf ein höheres Beschwerdeaufkommen könne man umgehend reagieren, heißt es. Ob berechtigte Beschwerden zu Verstößen von S.P.I.N.-Portalen transparent und offen kommuniziert werden – also wirklich Ross und Reiter genannt werden – ist allerdings bisher unklar. Aus Richtung BVDW war zum Thema Sanktionsmaßnahmen lediglich zu hören, dass gerade eine Verfahrensordnung zur Regelung der damit verbundenen Fragen ausgearbeitet werde, die in Kürze online verfügbar sein soll. Was ebenfalls bisher fehlt, ist ein zentrales Beschwerdeformular – dieses soll in Kürze im Rahmen eines Relaunches der Website freigeschaltet werden, so der Verband.
Für mich bleibt damit vorerst nur ein Fazit: Grundsätzlich sind alle Bemühungen zu begrüßen, der Abzocke und Ausnutzung von Menschen auf Partnersuche zu begegnen. Ob die S.P.I.N.-Initiative hier wirklich zu substantiellen Verbesserungen führt oder lediglich ein weiteres Stück gut zu vermarktende Scheinsicherheit bietet, muss sich aber noch zeigen.
In der ursprünglichen Version dieses Beitrags wurde auf eine Klage der Verbraucherzentrale Hamburg gegen das Dating-Portal ElitePartner verwiesen. ElitePartner hat mittlerweile eine einstweilige Verfügung gegen die Verbraucherzentrale Hamburg erwirkt, derzufolge die dabei erhobenen Vorwürfe unzutreffend sind. Wir haben den entsprechenden Teil des Textes daher entfernt.
Bild: Internet dating computer keyboard and heart / Shutterstock; Logos: BVDW