Nach „Amazon AutoRip“ folgt nun der nächste logische Schritt: Der US-Handelsriese will es langjährigen Buchkäufern mit dem neuen Dienst „Kindle MatchBook“ ab Oktober ermöglichen, bereits oder künftig erworbene Titel günstig zusätzlich als E-Book für den Kindle-Reader zu beziehen. In einigen Fällen soll es die digitalen Lesewerke sogar kostenfrei geben.
Aktuell sind Amazon zufolge bereits mehr als 10.000 Bücher in digitaler Form vorhanden. Prinzipiell steht der neue Dienst für alle Printausgaben offen, die seit dem Start des Amazon Online-Shops im Jahr 1995 verkauft wurden. Autoren und Verlagen bringt „Kindle MatchBook“ zudem ohne viel Aufwand eine zusätzliche Einnahmequelle. Zunächst ist der Start aber offenbar nur mit englischsprachigen Werken und in den USA geplant, zumindest wurde bisher nichts anderes verlautbart. Eine Ausweitung auf andere Länder ist aber sicher nur eine Frage der Zeit.
Schnäppchen gegen Wahlfreiheit
Tolle Sache also? Für eingefleischte Amazon-Fans mit Kindle-Reader auf jeden Fall. Ansonsten gilt es, kurz die Schnäppchenbrille abzusetzen und sich klarzumachen, dass der neue Dienst vor allem ein Ziel verfolgt: Neue Kunden in das hermetisch abgeriegelte Kindle-Universum zu locken. Entsprechend vorsichtig sollte die Offerte von Nutzern betrachtet werden, die bisher noch keinen E-Book-Reader besitzen. Zwar sind die genannten Preise von maximal 3 Dollar für die E-Book-Version eines neu bei Amazon gekauften Bestsellers ein äußerst attraktives Angebot. Allerdings ist der Kunde dafür auch gezwungen, ein Stück seiner Wahlfreiheit aufzugeben.
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Neben dem kleinen Aufschlag ist dies auch der entscheidende Unterschied zu AutoRip. Während dort bereitgestellte MP3s zu privaten Zwecken beliebig auf Datenträger kopiert oder abgespielt werden können, gilt bei „Kindle MatchBook“ – wie sich bereits dem Namen entnehmen lässt – generell Kindle-Zwang. Nur die hauseigenen Geräte sind in der Lage, das für E-Books genutzte Spezialformat AZW zu lesen. Will man also von den günstigen digitalen Bestsellern profitieren, führt kein Weg am Kindle vorbei. Später ist man allein deshalb an Amazon gebunden, weil die vorhandene E-Book-Bibliothek beim Umstieg auf ein Konkurrenzgerät sonst verloren wäre.
Der Deal jedes Ökosystems
Aber jammern ist hier fehl am Platze. Denn das ist eben der Deal beim Eintritt in ein Ökosystem: Alles ist aufeinander abgestimmt und funktioniert daher in der Regel reibungslos, wer aber später ausziehen will, muss seine Besitztümer meist zurücklassen. Zwar gibt es bei Kindle-Titeln ohne Kopierschutz generell die Möglichkeit, eine Umwandlung in das gängige EPUB-Format vorzunehmen. Für Kaufbücher besteht diese Option aber nicht – zumindest unter legalen Gesichtspunkten.
Die einzige Krücke, die bei einem späteren Wechsel zu Kobo und Co. noch bliebe, ist das Lesen der Kindle-Bücher im Browser oder über eine der für iOS und Android sowie PC und Mac verfügbaren Apps. Wohl nicht nur für E-Ink-Freunde höchst unbefriedigend. Daher ist der Griff zum Kindle immer auch eine – hoffentlich bewusste – Entscheidung gegen die Rest der E-Book-Welt, die sich auf den EPUB-Standard verständigt hat. Das muss nicht schlecht sein, schließlich gehören die Kindle-Reader zu den besten ihrer jeweiligen Klasse und das E-Book-Angebot bei Amazon ist gewaltig.
Offensive vor der IFA: Neuer Paperwhite und 49-Euro-Kindle
„Kindle MatchBook“ ist derweil nicht die einzige Neuigkeit, die Amazon im E-Book-Sektor zu bieten hat. So hat der Handelsgigant auch sein beleuchtetes E-Ink-Flaggschiff Kindle Paperwhite aufgemotzt und wird die neue Ausführung ab dem 9. Oktober für 129 Euro in den Verkauf bringen. Neben einem besseren Display und einer schnelleren CPU verfügt der Reader ebenfalls über eine Reihe neuer Funktionen wie „PageFlip“, einem Vokabeltrainer und „Smart-Lookup“. Und das ist noch nicht alles: Der puritanische Einstiegs-Kindle kostet ab sofort nur noch 49 statt 69 Euro.
Die Richtung ist klar: Im Vorfeld der beginnenden IFA, auf der traditionell zahlreiche neue Reader-Modelle vorgestellt werden, will Amazon angesichts der wachsenden Konkurrenz von Kobo, dem deutschen Tolino-Verbund und weiteren Herstellern wie Bookeen, Pocketbook oder Sony schon einmal eine Duftmarke setzen. Ob die aggressive Strategie zündet, wird sich spätestens zum nächsten Quartalsbericht zeigen.
Bild: Screenshot