Das in Deutschland am meisten unterschätzte Verkehrsmittel ist das Fahrrad. Nirgends wird dies offensichtlicher als an einem Ort wie Köln, dessen planerische Nachkriegsgeschichte entscheidend von der aus heutiger Sicht fast absurden Leitlinie der „autogerechten Stadt“ beeinflusst wurde. Dementsprechend privilegiert wird hier – und nicht nur hier – das Auto behandelt, während Drahtesel-Ritter sich mit handtuchbreiten Radwegen inklusive Schlaglöchern, unsinnigen Ampelschaltungen und (für den Radfahrer) lebensgefährlichen Überholmanövern Adrenalin-geschwängerter Autofahrer auseinandersetzen müssen. Dennoch steigt die Zahl der nicht motorisierten Zweiradpiloten – zumindest gefühlt – stetig weiter an.
Und das zu Recht: Intelligente Verkehrskonzepte der Zukunft werden ohne das Rad kaum tragfähig sein. Smarte Dienste, mit denen mehr Leute zumindest ab und zu von vier auf zwei Reifen umsteigen, sind daher aus meiner Sicht nicht nur willkommen, sondern überaus notwendig – nur so lässt sich der Drahtesel als gleichwertiges Verkehrsmittel allgemein stärker ins Bewusstsein rücken. Eine weltweit nutzbare zentrale Verleihplattform könnte das fehlende Glied in der Kette sein. Das US-Startup Spinlister schickt sich nun mit frischem Elan an, eben diese Lücke zu schließen. Dabei helfen soll eine neue iOS-App.
Mietplattform mit Potenzial
Das Konzept des bereits 2011 gegründeten Dienstes ähnelt Portalen wie AirBnB und ist schnell erzählt: Besitzt ihr ein Fahrrad, welches oft nur in der Ecke steht, könnt ihr dieses über Spinlister stunden-, tage- oder gar wochenweise vermieten. Das funktioniert neben den USA aktuell praktisch weltweit – noch ist der Dienst aber ausschließlich in Englisch, mit Kreditkartenzahlung und Dollarangaben verfügbar. Interessenten haben anschließend via Homepage oder per App die Möglichkeit, euer Rad zu buchen. Vom Mietpreis streicht Spinlister 17,5 Prozent als Provision ein. Sollte das Rad während einer Ausleihe beschädigt oder gestohlen werden, springt der Anbieter ein und zahlt bis zu 5.000 Dollar Entschädigung. Kunden in den USA und Kanada bekommen zudem als nette Geste einen Entschuldigungskuchen. Wer ein Rad ausleiht, kann den Verleiher hinterher bewerten. So entsteht ein zusätzliches Auswahlkriterium. That’s it.
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Klingt nach einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Statt Erst- oder Zweitrad im Hinterhof verrosten zu lassen, kann man damit sogar noch Geld verdienen. Ausleiher wiederum haben etwa in fremden Städten die Möglichkeit, aus zahlreichen Angeboten und Radtypen bequem per Smartphone auszuwählen. Allerdings ist der Dienst sehr von der Flexibilität des einzelnen Verleihers abhängig und zumindest bei Privatanbietern wenig für spontane Trips geeignet – ein Rad muss schließlich zunächst reserviert bzw. gebucht werden. Anders liegt der Fall bei professionellen Verleihern. Für diese könnte Spinlister zum zentralen Aggregator werden. Gerade kleinere Anbieter hätten dann die Möglichkeit, einen größeren Kundenkreis zu erreichen und gleichzeitig mit günstigen Preisen gegenüber Riesen wie der Deutschen Bahn („Call a Bike“) zu punkten. Darin liegt vielleicht das eigentliche Potenzial von Spinlister.
Angebot in Deutschland noch verschwindend gering
Noch ist das Angebot in Deutschland aber verschwindend gering; die Preise der offerierten Drahtesel erstrecken sich von günstig bis recht teuer. Als Vergleichsmaßstab eignet sich das bereits erwähnte und zu einheitlichen Konditionen verfügbare „Call a Bike“. Dort werden nach einmaliger Anmeldung etwa im Grundtarif 8 Cent pro Minute fällig, also 4,80 Euro je Stunde, sowie maximal 15 Euro für einen Tag. Und bei Spinlister? Beispiel Köln: Hier gibt es bisher nur einen Nutzer, der ein neuwertiges Rennrad vermietet – für 7 Dollar pro Stunde (5,30 Euro), 25 Dollar pro Tag (18,90 Euro) oder 125 Dollar für eine ganze Woche (94,30 Euro).
Oder Berlin: In der Hauptstadt ist die Auswahl mit immerhin sechs Rädern unterschiedlicher Art etwas größer. Die Gebühren erstrecken sich von 4 (1,50 Euro) bis 8 Dollar (6 Euro) je Stunde beziehungsweise 15 (11,30 Euro) bis 25 Dollar (18,90 Euro) pro Tag. Wochenweise sind von 75 (56,60 Euro) bis 125 Dollar (94,30 Euro) zu zahlen. Die Qualität der Räder schwankt dabei von der ollen „Stadtschlampe“ ohne Licht bis zum schnittigen Stadt- oder Rennrad. Noch ein Blick auf Hamburg: In der Hafenstadt ist nur ein einsames Hollandrad gelistet. Dieses ist dafür aber äußerst günstig für unschlagbare 3 Dollar pro Stunde (2,26 Euro), 10 Dollar pro Tag (7,54 Euro) oder 50 Dollar die Woche (37,70 Euro) nutzbar. Und zu guter letzt: München. In der bayrischen Landeshauptstadt sind sechs Räder unterschiedlicher Couleur, darunter ein „Fixie“, zu Pauschalen von 12 bis 25 Dollar pro Tag zu haben; die Stundentarife liegen bei 4 bis 5 Dollar (3 bis 3,80 Euro). Eine Woche ist ab 45 Dollar (34 Euro) buchbar.
Alles in allem ist das hiesige Angebot also noch stark (!) ausbaufähig – ganz zu schweigen von fehlenden Euro-Preisen und einer deutschsprachigen Oberfläche. Da der Dienst aber gerade erst gestartet ist, dürfte die Zahl der Nutzer in Deutschland in den nächsten Monaten noch deutlich nach oben gehen. Spätestens dann, wenn es eine dedizierte deutsche Version von Spinlister gibt. Gleichzeitig sinken mit zunehmendem Fuhrpark wahrscheinlich auch die Preise. AirBnB und Co. haben vorgemacht, wie Vermittlungsportale einen Markt schaffen beziehungsweise revolutionieren können. Als nächstes sind nun also wohl die Mieträder dran.
Bilder: Cropped view of a bicyclist / Shutterstock; Screenshots
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Das ist das gleiche Prinzip wie bei MP3… viele werden sich fragen, wieso sie dafür bezahlen sollen, wenn sie die Räder auch „umsonst“ bekommen können 😀
Da Fahrräder nicht in einem so auf Sicherheit ausgelegtem System gewartet und gepflegt werden wie Autos, weil man selber schrauben kann, wäre die Frage, wie geht das System z.B. mit einer versagenden Bremse um.
„lebensgefährliche Überholmanöver Adrenalin-geschwängerter Autofahrer“?
Ich glaub die wenigsten Autofahrer machen das freiwillig und vorsätzlich, aber oft lassen einem Radfahrer keine andere Wahl. Da werden super ausgebaute, teure Radwege gebaut, und am Ende fahren die feinen Radfahrer doch auf der Straße, und behindern den Verkehr. Und wenn ein Auto von hinten kommt, halten sie es nicht für nötig auch mal hintereinander, und nicht zu 4. nebeneinander zu fahren. Irgendwann muss man dann einfach überholen… Wer sich so gegenüber dem normalen Verkehr verhält, braucht sich dann auch nicht wundern, wenn er es zurück bekommt.
Und „adrenalingeschwängerte“ Radfahrer gibt es auch zuhauf. Sich im Berufsverkehr durch die Autokolonne schlängeln, ohne Zeichen abbiegen, und Vorfahrt missachten – dann aber einen auf „ich bin ja der arme Radfahrer, ich kann da nix dafür“ machen, wenn man tatsächlich mal auf der Motorhaube liegt.
Was Spinlister betrifft: Ich sehe die Zielgruppe nicht. In der Stadt, wo eh viele mit dem Rad unterwegs sind, hat eh fast jeder ein eigenes. Und für die Mietpreise kann ich bei Kurzstrecken eh auf den ÖPNV oder Taxi umsteigen.. Aber die Idee ist nett 🙂
Klar, es gibt überall Unvernünftige. Und natürlich sind rote Ampeln für einige Radfahrer offenbar unverbindliche Hinweise. Sehe ich auch oft und ärgere mich darüber – zumal ja da der Führerschein mit dranhängt, das ist den wenigstens aber offenbar klar. Wie auch immer: Fakt ist, dass der Radfahrer im Duell mit dem Auto IMMER den Kürzeren zieht. Daher fahre ich z. B. schon recht defensiv und verzichte letztendlich sogar auf Rechte wie „Rechts-vor-links“…was meinst du, wie oft ich so mein Leben wohl entscheidend verlängert habe. Denn zahlreiche Autofahrer nehmen das Rad nicht als Verkehrsteilnehmer wahr, sondern als lästiges Hindernis, welches man auch mal schneiden kann.
Ansonsten kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass Radwege in Deutschland oft am Bedarf vorbei geplant sind. Was nützt bitte ein schmaler Streifen mit lockeren Steinen zwischen Fußgängern, Cafés und parkenden Autos, wie hier in Köln etwa auf den Ringen? Gefährlicher geht es kaum mehr. Dass einige dann lieber auf der Straße fahren, ist nur verständlich – diese gehört ja auch nicht nur dem Auto. Diese Attitüde ist bei vielen Autofahrern aber leider unumstößlich. (Ich habe übrigens auch Auto und Führerschein – es gibt also nicht nur DEN Radfahrer und DEN Autofahrer, das am Rande).
Auf einer engen Straße mittig zu fahren, ist zudem nicht unbedingt Provokation, sondern oft einfach Selbstschutz – vor sich plötzlich öffnenden Türen parkender Autos (alles schon erlebt) und Autofahrern, die trotz 30er-Zone und enger Straße mit Abstand von 50 cm überholen, um dann an der bereits zu sehenden Ampel wieder neben einem zu stehen. Großes Kino. Wenn das kein Vorsatz ist, dann wenigstens Gedankenlosigkeit.
Zur Zielgruppe: Ich denke, diese ist bei den Menschen zu finden, die auch sonst mal ein Rad ausleihen – etwa in anderen Städten. Und günstiger als ÖPNV und Taxi ist es ja schon noch, ganz zu schweigen vom Bewegungsaspekt. 😉
Call-a-Bike kostet ja zwischen 9€ und 18€ am Tag, die Verleih Räder in Berlin sind so ab 10€ zu haben. Aber auf denen will man ja nicht immer die Stadt erkunden. Ein Rennrad würd ich mir schon mal für das Wochenende ausleihen.
Pro Tag 9 bis 18 Euro? Da kaufe ich mir doch gleich ein Fahrrad. Warum denn ausleihen? Es sei denn man ist in einem anderen Stadt und möchte mit dem Fahrrad die Stadt erkunden, aber ansonsten wüsste ich nicht warum Ausleihen besser sein soll als Kaufen.
Was für Fahrräder gilt, kann auch in anderen Bereichen funktionieren. Warum nicht wenig genutzte Gegenstände anderen zur einmaligen oder kurzzeitigen Nutzung zur Verfügung stellen. Dies kann sowohl eine Bohrmaschine, Akkuschrauber oder Tapeziertisch für die Renovierung sein als auch Anhänger für Autos zum Transport.Dieser Trend des Economy sharing wächst rasant an. Dies bestätigen hohe Nutzerzahlen in entsprechenden Online Portalen.
Einerseits spielt das Kostenbewustsein der Menschen aber auch ökologische Aspekte mit einer mittlerweile perfekten Kommunikationsstruktur im Internet eine große Rolle.