Wer von euch Michaels zweiwöchigen Selbstversuch als iPhone-Nutzer im Windows-Phoniversum verfolgt, bekam es gerade erst wieder vor Augen geführt: Auch drei Jahre nach seiner Erstvorstellung leidet das Microsoft-System nicht nur weiterhin an Kinderkrankheiten, sondern auch fehlenden und qualitativ nicht konkurrenzfähigen Apps. Das sage ich übrigens als zufriedener Nutzer eines Lumia 920. Natürlich gibt es auch für Windows Phone inzwischen viele hervorragende und von ihren Entwicklern mit viel Liebe zum Detail auf die Eigenheiten der Plattform zugeschnittene Anwendungen.
Und dennoch: Die vergleichsweise wenigen Leuchtturm-Apps fallen im dunklen Meer der Mittelmäßigkeit eben auch besonders auf. Dabei kann man es den Entwicklern wohl nicht verdenken, dass ihre Prioritäten klar verteilt sind. Ziel einer App ist es schließlich, so viele Nutzer wie möglich zu erreichen und darüber Einnahmen zu generieren. Solange Windows Phone aber in Sachen Marktanteil im einstelligen Bereich verbleibt, wird es aus Sicht der App-Hersteller immer nur die dritte oder vierte Geige spielen.
Hinter der Fassade schwelt es
Gerade für Nokia spielt dieses Problem eine besondere Rolle – der im Smartphone-Segment allein auf Windows Phone fokussierte Hersteller steckt nicht ohne Grund viel Zeit und Geld in die Entwicklung eigener hochklassiger Apps. Und offenbar schwelt hinter den Kulissen zunehmend der Unmut über den Plattform-Partner Microsoft. Wir erinnern uns: Der Deal beider Konzerne lag vereinfacht gesagt darin, dass Nokia schöne und konkurrenzfähige Hardware liefert und die Redmonder sich um Plattform und Ökosystem kümmern. Während man getrost behaupten darf, dass die Finnen ihrer Aufgabe nach anfänglichen Startschwierigkeiten vorbildlich nachkommen, scheint Microsoft mit dem schnellen Pulsschlag des mobilen Zeitalters weiterhin ein wenig überfordert oder muss einfach zu viele Baustellen gleichzeitig bearbeiten.
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Was immer es auch ist: Für Nokia werden die langatmigen Update- und Entwicklungszyklen bei Windows Phone nicht zuletzt durch damit verbundene Hardware-Limitierungen zur Eisenkugel, die den Sprung nach oben verhindert. Beispiel Quad-Core-CPUs: Unabhängig von der Frage, ob man diese nun in einem Smartphone benötigt oder nicht – die Unterstützung wird erst zum Jahresende mit dem GDR3-Update erwartet. Das gleiche gilt für höhere Auflösungen und viele andere Dinge. Noch weiter entfernt ist das nächste große Upgrade auf Windows Phone 8.1 (Blue), das unter anderem ein „Notification Center“ bringen soll. Hier ist vor 2014 nichts zu erwarten.
Nokias Vice President redet Klartext
Auch wenn Microsofts Windows-Phone-Evangelist Joe Belfiore erst in diesen Tagen wieder betont, man bemühe sich redlich, ist Nokias Vice President Byran Biniak im Gespräch mit der „International Business Times“ nun ein klein wenig der Kragen geplatzt.
Die Finnen sehen sich von Microsoft offenbar im Stich gelassen. Zwar zahlt Redmond zum Dank für die Nutzung von Windows Phone jährlich dreistellige Millionensummen nach Espoo, der übrige Support scheint aber zumindest ausbaufähig zu sein. Vor allem bei exklusiven Apps sieht Biniak Microsoft in der Pflicht, endlich einen Gang hoch zu schalten und Windows Phone stärker zu unterstützen. Andernfalls seien eingefleischte iPhone- und Android-Nutzer nicht zum Umstieg zu bewegen. Und wenn sie dennoch aus Neugier vorbeischauen, sind sie schnell wieder weg. Da der Smartphone-Markt aber zunehmend in Richtung Sättigung strebt, werden Wechselnutzer immer wichtiger. Die geht es aus Sicht von Biniak zu gewinnen:
Um dir einen Grund zum Umstieg zu geben, muss sichergestellt sein, dass deine Lieblings-Apps nicht nur auf unseren Telefonen existieren, sondern dass diese auch besser sind. Es muss also darum gehen, ein einzigartiges Nutzererlebnis zu schaffen, dass du nicht auf anderen Geräten bekommst.
Geschwindigkeit ist alles
Auf dem Weg dorthin zählt darüber hinaus vor allem eines: Geschwindigkeit. Und genau hier sieht der Nokia-Spitzenmanager eine Schwäche Microsofts. Während man selbst innerhalb weniger Monate Smartphone um Smartphone vorstelle, sei der an die jährlichen Update-Zyklen der alten PC-Desktop-Ära gewöhnte Windows-Konzern zu statisch und schwerfällig, um sich mit der notwendigen Agilität an die wechselnden Gegebenheiten des Smartphone-Marktes anzupassen.
Zudem räume Microsoft seiner Mobilplattform – etwa im Vergleich zu Neuvorstellungen wie der Xbox One – einfach zu wenig Priorität ein. Dies wirke sich auch negativ auf den Nokia-Absatz aus. Man versuche daher, bei Microsoft einen kulturellen Wandel in der Unternehmensphilosophie anzuregen, den Faktor Zeit bei der Entwicklung von Windows Phone stärker in die Mittelpunkt zu rücken, so Biniak. Microsoft müsse im Mobilbereich seine Gewohnheiten ändern, da der Schlüssel zum Erfolg eben vor allem in einer starken Plattform mit dem entsprechenden App-Katalog liege:
Es geht nicht nur um die Hardware, es geht um die Tools, die auf der Hardware basieren. Man kann Telefone einfach nicht ohne Apps verkaufen, das funktioniert nicht.
Salz in die offene Wunde
Dies streut zweifelsohne Salz in eine offene Wunde: Selbst gängigste Anwendungen wie Facebook, Twitter oder YouTube sind bei Windows Phone zu oft nur schlecht umgesetzt – aller nativen Integration zum Trotz. Wenn Umsteiger gewonnen werden sollen, muss das App-Angebot stimmen. Selbst wenn die Schuld dafür nicht immer bei Microsoft zu suchen ist, fällt es letztendlich auf die gesamte Plattform negativ zurück. Der Konzern muss das fehlende Interesse der Anderen also notfalls selbst kompensieren – ob er will oder nicht. Eine ungewohnte Situation für ein Unternehmen, das jahrzehntelang den Takt vorgegeben hat.
Zumindest bei der bislang fehlenden offiziellen YouTube-App tut sich auch etwas – sogar gegen den anfänglichen Widerstand Googles. Dieser Weg müsse jedoch konsequenter weiterverfolgt werden, fordert Biniak. Denn es sei nicht einmal so, dass es generell zu wenige Apps gebe. Es fehlten eben nur die wirklich wichtigen. Man befinde sich aber mit allen großen Entwicklern in Gesprächen. Bis Jahresende werde Windows Phone an einem Punkt angelangt sein, an dem nur noch schwer gesagt werden könne, diese oder jene App gebe es nicht, so die selbstbewusste Prognose.
Ich will nicht übermäßig pessimistisch sein. Aber kommt euch das auch irgendwie bekannt vor?
Bild: Mobility and business telecommunication technology concept / Shutterstock
das „dunkle Meer der Mittelmässigkeit“ ist doch schon seit Gründung von Microsoft deren Heimatgewässer – was bitte hat den Nokia erwartet als man sich für ein stagnierenedes OS (WP war zum Zeitpunkt der strategischen Entscheidung bereits deutlich im Abschwung) und mit Eneloop für einen branchenfremden CEO entschied…?
Ich mag Windows Phone echt, aber ich frage mich wirklich was die ganzen Entwickler dafür bei Microsoft den ganzen Tag machen. Das scheint echt ein entspannter Job zu sein oder da arbeiten nicht mehr als 5 Entwickler derzeit an Windows Phone. Es kann doch nicht sein, dass man für Sachen wie ein Notification Center über ein Jahr braucht. Es gab schon ein Notification Center für WP vom nur einem Entwickler für gejailbreakte Geräte. Es wird Zeit das Microsoft umsetzt was Steve Ballmer auf der Build versprochen hat: Rapid Release, Rapid Release!
Denke die Schwerpunkte liegen womöglich falsch oder anders. Ist aber nicht nur bei Microsoft so. Apple brauchte auch bis zu iOS 7, bis nun endlich mal ein lange überfälliger Schnellzugriff auf die Schnittstellen (WLAN, Bluetooth) eingebaut wird.
Ich bin auch von iPhone auf Lumia820 umgestiegen, finde viele Sachen gut und innovativ gelöst, keine Frage. Wenn das jetzt auch mal so langsam mit den Updates klappt, wird das sicherlich in den nächsten 3 oder 4 Jahren was sehr gutes. Ich bin mit dem Nokia zufireden. Ich kann alles machen, was ich möchte, habe keinerlei Einschränkungen.
Was soll ein Notification-Center für Windows Phone 8 denn tun?
Sämtliche Meldungen – ob von Apps, Kontakten oder dem System – gesammelt und übersichtlich aufführen.
Windows Phone ist doch für Microsoft ein Verlustgeschäft und die große Frage wird sein ob es nicht irgendwann wieder Eingestellt wird, denn das Angestrebte und Angestammte MS Geschäftsmodell mit der Finanzierung durch OS-Verkauf wird sich nicht mehr Durchsetzen und klappt nur bei einem hohen Marktanteil und viele Alleinstellungsmerkmale wie beim Windows.
Daher bliebe MS nur das „Google-Modell“ oder die Herstellung und Verkauf eigener Hardware wie Apple, wobei Nokia dann das Nachsehen hätte oder einfach Übernommen würde.
Die Xbox One ist natürlich für MS viel Wichtiger, denn mit diesen muss mittlerweile das Geld Verdient werden auch für die teuren Smartphone Abenteuer.
Ich denke das die zukünftige Strategie von Microsoft noch nicht Geklärt ist, vieles ist Möglich auch die Aufgabe für sie Unrentabler Märkte.
@Mika B.:
oder auch nciht
Den Grundzügen des Artikels stimme ich zu, dass MS durchaus in der Umsetzungsgeschwindigkeit zulegen kann. Wo der Autor IMHO großzügig interpretiert, ist die Aussage:
„Da der Smartphone-Markt aber zunehmend in Richtung Sättigung strebt, werden Wechselnutzer immer wichtiger.“
Erstens wurde die Aussage so nicht seitens des Nokia VPs getroffen und zweitens erkenne ich keine Argumentation, dass der Smart Phone bereits in Richtung Sättigung geht.
Anscheinend öffnet die Verbreiterung der Angebotspalette sowohl bei Android als auch bei Windows Phone (Beispiel Nokia Lumia 520)neue Käuferschichten. Die kommen zwar aus einem Wechselpotential, aber eher aus dem Bereich der einfachen Feature Phones (Symbian, etc) und nicht aus dem Experienced User Segment.
Und genau spielt die Angebotsvielfalt der Apps eine untergeordnete Rolle.
Kritisch wird es sicher dort, wo der Experienced User seine Empfehlung für einen Neukauf ausspricht und basierend auf seinem Erfahrungshorizont auf den Mangel von „wichtigen“ Apps hinweist.
Das Thema Apps bleibt sicher ein Check box-Punkt, damit Schnupperer aus anderen OS-Welten „oberflächlich“ zufriedengestellt sind. Und auch ohne eigenen Wechselwillen die entsprechenden Familien- und Freundesempfehlungen aussprechen.
Was leider völlig ausgeblendet wurde, ist das Potential an Business-Apps, die eine natürliche Ergänzung zum typischen Microsoft Geschäft wären. Darüber liest man in der Tat wenig und wäre ein gutes zusätzliches Verkaufsargument im B2B-Geschäft.
Du hast Recht, die Aussage kam nicht vom Nokia VP – daher steht sie auch nicht in indirekter Rede. Hätte ich vielleicht klarer machen können, aber gut. 🙂
Die Schwerfälligkeit von MS wurde hier im Blog schon mal thematisiert.
Ein ehemaliger Produktmanager hat das ganz schön beschrieben:
http://techcrunch.com/2012/04/22/frustration-disappointment-and-apathy-my-years-at-microsoft/
(Link stammt aus dem Artikel „Microsoft-Mitarbeiterin kündigt via YouTube“)
@Mika B.:
Solange es keinen anderen Weg gibt ein Ökosystem Bereitszustellen als WP wird man bestimmt daran festhalten. Sowas bindet schließlich Kunden. Würde Windows Phone fallen gelassen verminderte man damit auch die Zukunftschancen vom Hauseigenen Desktop System. Da nimmt man gerne auch mal die Bewirtschaftung eines Unrentablen Marktes in Kauf.
Eine Alternative zu WP wäre zB ein übergreifendes System für alle Gerätetypen oder (nur rein theoretisch) eine vertragliche Zusammenarbeit, beispielsweise mit Blackberry.
Nebenbei bemerkt: Es ist nicht ungewöhnlich dass es lange dauert,bis ein Unternehmen oder ein Unternehmenszweig schwarze Zahlen schreibt (zB Amazon, Zalando, Sky (bei den letzten beiden weiß ich nicht ob die überhaupt schon aus dem Minus raus sind).
Und MS kann es sich ja leisten.
Es ist schon ein echtes Unding was ms nun bereits mit der zweiten (nicht auf- noch abwärtskompatiblen wp-variante hier betreibt. Während 7 bspw. Eigentlich keine sd-Erweiterung vorsah, ist die nun mit viel tamtam beworbene erweiterbarkeit ein schuss in den Ofen: nicht mal das hauseigene nokia maps darf seine Karten auf der card ablegen, auch podcasts und spotify-downloads liegen nur direkt im phonespeicher, der bspw. Bei meinem 720 (ansonsten das beste Handy das ich je besessen habe) mit gerade mal 8 gb, von denen nur in etwa die Hälfte tatsächlich nutzbar ist, extrem knapp bemessen ist. Wer denkt sich so etwas aus?!
Problem für Nokia bzw. Microsoft ist eher folgendes. MS hat eigentlich nur Nokia als (Zwangs) Exklusiv Partner.
Damit Nokia überleben kann werden die ein Betrag X von MS erhalten
@Leonard
Natürlich ist es nur Spekulation nur bleibt die Frage ob sich MS auch zukünftig noch leisten wird auf allen „Hochzeiten“ mitzutanzen, denn es werden immer mehr von Smartphone, Tablets , Smart-TV , Autosoftware …. bis zu einen Google Glass oder iWatch Äquivalent.
Es ist auch Richtig das es länger Dauert bis man Schwarze Zahlen schreibt, nur bleibt eben die Frage ob MS im Smartphone Markt oder ähnliche eines Tages so viele Marktanteile Übernehmen kann damit ihr Geschäftsmodell überhaupt aufgehen kann?
Meiner Meinung nach benötigt MS für diese Zukunftsmärkte ein neues Geschäftsmodell, der Verkauf oder ihr Lizenzmodell vom Desktop Windows funktioniert dort nicht mehr.
Eine Lösung wäre die „Hardware Nahe“ das MS die Entwicklung Auslagert, also Nokia Übernehmen und dann ihr „Windows Phone“ dort Entwickeln lassen.
@Mika B. :
also auf die Erklärung bin ich gespannt, warum eine Auslagerung zu Nokia eine bessere variante ist.
@mini
Ganz Einfach weil es für „non PC“ Geräte besser ist wenn Hard- und Software Entwicklung weitgehend in einer Hand liegen.
Dies hätte Vorteile für Nokia und auch für Microsoft, denn Nokia wird sicher besser wissen wie das OS weiterzuentwickeln ist als Redmond, was ja auch der Hintergrund dieses Knatsch hinter den Kulissen ist.
@Berthold:
Die Nokia Karten lassen sich schon auf die SC-Karte speichern, allerdings muss man dazu vorher die App Lumia Speicherüberprüfung installieren … dort gibts eine entsprechende Option.
Meine Erfahrungen nach 2 Monaten WP8 und Lumia 620: Die Exchange- und Office Integration ist super, ebenso die Nokia (Here) Karten und Navigation. Ich habe auch ein Android-Handy, da gibts mehr Apps, aber die wichtigsten davon gibts auch auf WP8 und es werden immer mehr – zB seit kurzem Google Maps. Es kommen fast täglich Updates für diverse Apps, es tut sich also was.
Ich bin seit 2 Jahren zufriedener WP Nutzer. Für mich ist die Bedienung und das Design, wesentlich intuitiver und übersichtlicher.
Was am meisten stört, ist die Tatsache, dass es so gut wie keinerlei spezielle Business-Apps von Firmenanbietern gibt.
Es macht sich noch keiner die Mühe hier für zu programmieren.
Im privaten Bereich gibt es eigentlich alles was man braucht.
Die eine oder andere App die mich noch interessieren würde gibt es nur für Android. Aufgefallen ist mir aber auch, dass es für iPhone auch weniger Apps gibt als für Android. Das was ich brauche habe ich alles bis eben auf die wenigen Ausnahmen. Von der Handhabung und vom Design gefällt mir WP alle male besser als Android. Mit meinem WP kann ich meine Startseite ganz so wie es mir gefällt gestalten. War echt eine gute Entscheidung. Und dieser ganze technische Schnick, Schnack kann man brauchen oder nicht brauchen. Ich persönlich bin ja ganz offen für technischen Schnick, Schnack entscheide aber für mich, ob ich es gebrauchen kann oder will. Bis auf 2 Ausnahmen hatte ich immer Nokia Handys. Nokia steht bei mir immer an erster Stelle.