Für Lehrer in Baden-Württemberg sind soziale Netzwerke ab sofort passé. Zumindest im schulischen Alltag muss man von nun an auf Facebook und Co. verzichten. So will es das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden Württemberg; und dazu hat es eine neue Leitlinie veröffentlicht. Hauptgrund des Verbots sind datenschutzrechtliche Bedenken gegenüber Firmenservern, die nicht in der EU stehen.
Klare Grenzen
Auf der Seite des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg ist die neue Leitlinie zu finden. Bezeichnenderweise läuft sie unter dem Titel: „Handreichung … zum Einsatz von ‚Sozialen Netzwerken‘ an Schulen“. Wem sie die Hand reichen ist dabei aber nicht ganz klar.
Zumindest Lehrer wissen nun woran sie sind: Soziale Netzwerke sind für die dienstliche Verarbeitung personenbezogener Daten generell verboten. Im Klartext: Kommunikation über Facebook und Co. ist zwischen Lehrern und Schülern sowie zwischen Lehrern untereinander verboten. Dazu gehören alle Chats, Emails, Materialseiten, Lerngruppen, Terminvereinbarungen und so weiter.
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Fanpages von Schulen sind ebenfalls nicht gerne gesehen. Am besten sollten sie ausschließlich auf die Homepage der Schule verlinken. Auch hier sind persönliche Daten selbstverständlich tabu.
Grundsätzlich sind aber auf den ersten Blick nicht alle Sozialen Netzwerke betroffen. Konkret heißt es:
Generell ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen der schulischen Arbeit auf Sozialen Netzwerken von Anbietern unzulässig, soweit deren Server außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes betrieben werden, es sich um US-Amerikanische Unternehmen handelt oder ein Zugriff von außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes möglich ist.
Spätestens mit dieser weitreichenden Formulierung ist klar: Finger weg von sozialen Netzwerken im Unterricht. Mails sind davon ausgenommen. Dafür gibt es eigene Richtlinien. Aber auch die machen es Lehrern alles andere als leicht, ihren Unterricht über das Internet zu gestalten. Grundsätzlich ist stets eine schriftliche Einverständniserklärung erforderlich, personenbezogene Daten sind zu verschlüsseln.
Facebook für Bildungszwecke erwünscht
So ganz realitätsfern ist aber auch die Landesregierung nicht. Ausdrücklich erkennt man an, dass die modernen Netzwerke längst zum Alltag deutscher Schüler gehören. Facebook-Bildung ist deshalb ausdrücklich erlaubt. Schüler dürfen beispielsweise anhand ihres persönlichen Profils Funktionalitäten im Unterricht erläutern. Nur zu einer Mitgliedschaft darf niemand gezwungen werden.
Soweit so gut. Die Kenntnisse von Lehrern über die Thematik stehen auf einem anderen Blatt. Ebenso die technische Ausstattung der meisten deutschen Schulen. Naheliegender Weise sind diese Aspekte zwar nicht Bestandteil der Richtlinie, sie lassen einen aber daran zweifeln, ob Schulen unter den gegebenen Bedingungen der richtige Ort sind, um jungen Menschen etwas über social media zu erzählen.
Wie ging das nochmal ohne Internet?
Um noch mehr schwarz zu malen: Ein bisschen hört sich die neue Dienstvorschrift so an, als ob jemand in Baden-Württemberg einfach den Stecker rausgezogen hat. Sicher, die datenschutzrechtlichen Bedenken sind absolut nachvollziehbar. Sie sind aber andererseits auch nicht neu. Nach meinem Verständnis hätte die Richtlinie zumindest klare Alternativen für die alltäglichen Anforderungen des Schulalltags aufzeigen müssen. Zurück zum Rundbrief per Post kann hier nicht die richtige Antwort sein.
Die Regierung ist hier nach meinem Verständnis auch nicht ohne Optionen. Sie hätte beispielsweise praktikable und klar verständliche Standards mit eindeutigen Anleitungen erstellen können; oder Zertifizierungen von Anbietern. Die aktuellen Email-Leitlinien sind eben nicht wirklich praktikabel.
Erst einmal mit einem Verbot um die Ecke zu kommen ist deshalb nur eine sehr suboptimale Lösung. Immerhin: Selten zuvor hat man datenschutzrechtliche Bedenken so ernst genommen wie aktuell, im Nebel der NSA-Schnüffelei.
Bild: Weisserstier (CC BY 2.0)
Dann sollten die Schulen alternative Plattformen auf ihren Servern anbieten, bei denen Lehrer und Schüler sich einloggen können um unterrichtspezifische Daten zu tauschen. Und ich meine keine Hausaufgaben 😉
@Chris:
Die IT-Abteilung des Kultusministeriums (von denen der Schrieb kommt) hat auf seiner Webseite einen Haufen Empfehlungen zu alternativen Anbietern und dergleichen.
Ist nur an den Schulen das auch umzusetzen…
Richtig so, Baden-Württemberg. Chapeau.
Man sollte Social Media (Facebook und Konsorten) in den Schulen nicht hochjubeln und die Nutzung gar als „normales“ Verhalten betrachten, sondern als das, was es ist: eine Möglichkeit, um vor sich hin zu protzen und sich wer weiß wie toll darzustellen und eine Plattform mit unsäglichem Mobbingpotential.
Für Schüler/Schüler, Lehrer/Lehrer oder Schüler/Lehreraustausch können Schulen geschützte interne Bereiche in einem eigenen Netzwerk zur Verfügung stellen.
Den Rest macht man persönlich in der Schule oder bei Treffen am Nachmittag. Damit man persönlichen Kontakt nicht verlernt.
Eine durchaus sinnvolle Maßnahmen, gerade im Kontext der aktuellen Geheimdienstaffäre sollte jedem klar sein, dass mit Daten im Internet Verantwortungsvoll umzugehen ist. Und gerade FB gehört nicht unbedingt zu einer solchen Umgebung. Zumal, wie es auch die Handreichung darlegt, es nicht angehen kann, dass Schüler quasi gezwungen werden Mitglied einer kommerziellen Internetplattform zu werden, weil die Schule es als Kommunikationsweg nutzt.
Daher wäre eine „normale“ Internetseite einer Schule oder Klasse deutlich moderner und würde den Schülern mehr vom Internet erklären, als diese Fixierung auf Dienstanbieter. Und soweit ich das gelesen habe, steht das auch in der Handreichung, insofern werden Alternativen aufgezeigt.
Aber der „shitstorm“ ist schon längst am toben. Im Internet gibt es immer nur Gut und Böse.
Viele vergessen aber, es gibt auch eine „Welt da draussen“ und viele Menschen, die gar nichts mit FB, Twitter oder Goolge am hut haben (wollen), auch wenn sie das Internet nutzen. Denn das Internet ist viel mehr als soziale Netzwerke.
Ob den Leuten bei dem massiven Shitstorm bewusst ist, dass sie damit genau die Entscheidung untermauern, dass sie richtig ist?
Ein interessantes Thema, welches dringend einer Klärung bedurfte.
Ich bin selbst Lehrer für Deutsch und Geographie, und verzichte in meinen Unterrichten generell auf die Nutzung des Internets. Auch die Schüler von mir werden dazu angehalten, Ausarbeitungen und Hausaufgaben (auch etwas was viele gerne abschaffen würden) ohne Wikipedia, Google oder Google-Maps anzufertigen. „Meine“ Schüler können aber noch Kartenlesen oder sich auch mal ohne Navi orientieren.
Ähnliche Beobachtungen auch im Deutsch-Unterricht.
Schüler welche in großem Umfang ihr Handy oder Smartphone nutzen (und hier besonders die Mädchen), haben in Diktaten und Aufsätzen wesentlich mehr Fehler und dadurch auch schlechtere Noten als solche, welche das Handy nur zum telefonieren und ab und zu mal ne SMS verschicken nutzen. Der Unterschied beträgt sehr oft bis zu zwei Noten.
Warum soll ich dann noch zusätzlich meine Schüler „schädigen“, indem ich diese bestärke, mit mir über FB zu komunizieren?