Die EU braucht ja oft etwas länger in ihren Gesetzen und Regelungen. Das Thema Internet ist da keine Ausnahme. Und auch wenn ich den praktizierten Pluralismus eigentlich sehr schätze, ist das Hin und Her in Brüssel doch oft nicht nur an der Schmerzgrenze, sondern geht schon darüber hinaus.
Eines der aktuellsten Beispiele dafür ist das Thema Netzneutralität. Hier ist sich die Netzgemeinde ja sehr einig: gleiche Datenübertragung für alle, unabhängig von Herkunft, Ziel, Inhalt oder den Anschlüssen von Sender oder Empfänger. Tim Berners-Lee, der Vater des Web, sieht Netzneutralität als Menschenrecht und meint, dass das offene Internet womöglich auch Gesetze zum Schutz braucht.
Auch Neelie Kroes bat Ende Mai zunächst um Unterstützung gegen Drosselung und für freies Internet:
Neue Stellenangebote
Mitarbeiter*in (m/w/d) für Social Media, Öffentlichkeitsarbeit und Städtepartnerschaft (m/w/d) meinestadt.de in Sachsenheim |
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Content Creator / Social Media / Marketing (m/w/d) Delitzscher Schokoladenfabrik GmbH in Delitzsch |
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Content Creator / Social Media / Marketing (m/w/d) Halloren Schokoladenfabrik AG in Delitzsch |
Blocking & throttling Internet services, apps hurts us all – no reason 2b anti-competitive like this. Pls back me 2 stop it #netneutrality
— Neelie Kroes (@NeelieKroesEU) May 30, 2013
Eine Frage der Definition
Doch zwischen Internetnutzern und Behörden scheint es unterschiedliche Definitionen von Netzneutralität zu geben. Netzpolitik.org hat vergangene Woche einen Entwurf einer neuen Verordnung veröffentlicht, mit dem die EU-Kommission feste Regeln für Netzneutralität aufstellen will. Von der ursprünglichen Ankündigung, dass die Netzneutralität geschützt werden sollte, ist jedoch nicht mehr viel übrig geblieben. Jedenfalls nicht in dem Sinne, wie wir alle Netzneutralität verstehen, mahnt netzpolitik.org:
Dieser Verordnungs-Vorschlag dürfte alles legalisieren, was derzeit in deutschen Netzen an Verstössen gegen die Netzneutralität stattfindet: Spotify-Exklusiv-Deal mit T-Mobile – kein Problem! VoIP, P2P und IM in den AGB von Mobilfunktarifen verbieten – kein Problem, wenn man das transparent dazuschreibt! Drosselung von p2p bei Kabel Deutschland ab einem bestimmten Volumen? Kein Problem! Einführung von Managed-Services bei der Deutschen Telekom? Klar!
Scharfer Protest
Diese Berichterstattung über den neuen Entwurf stieß der EU-Kommissarin äußerst sauer auf:
Both @laquadrature @netzpolitik are misleading European citiziens. I have promised an absolute safeguard of the open internet #NetNeutrality
— Neelie Kroes (@NeelieKroesEU) July 12, 2013
Ihr Sprecher versicherte der Presse, der Entwurf sei echt, aber mittlerweile überholt und verbessert worden, Blocken werde verhindert. In ihrem Blog hat die EU-Kommissarin Kroes jetzt ausführlicher dargelegt, wie sie sich das mit der Netzneutralität vorstellt. Blocken und Drosseln sollen verboten werden:
Zu viele Europäer finden, dass ihr Anschluss von ihrem Provider geblockt und gedrosselt wird. Jeder sollte Zugang zu einem vollständigen und offenen Internet haben. Deshalb werde ich neue Regeln aufstellen, um solche Praktiken zu beenden.
Hü oder Hott?
Klingt gut, oder? Aber die weitere Lektüre verwirrt eher: Denn Drosselung bleibt irgendwie auch erlaubt, solange es der Provider vorher etwa in seinen AGB ankündigt. Dazu heißt es etwa:
(…) Viele Leute bezahlen für eine Internetverbindung, die nur ein bestimmtes monatliches Datenvolumen beinhaltet. Einige halten solchen „Datenobergrenzen“ aus ideologischen Gründen für einen Skandal; aber ich stimme dem nicht zu. Wenn ich weiß, dass ich im Monat nicht mehr als ein paar Megabyte auf meinem Smartphone verbrauchen werde, warum sollte ich gezwungen sein, jemanden zu subventionieren, der deutlich mehr verbraucht?
Spezifische Inhalte für bestimmte Dienste sollen dann durchaus schneller übertragen werden können; Premium-Dienste explizit erlaubt bleiben.
Wenn ein offenes Netzwerk geschützt werden soll, ist Überregulierung genau der falsche Weg. Fakt ist, dass viele innovative neue Dienste auf schnelle Verbindungen über IP-Netze angewiesen sind. (…) Für nahezu jede Art von Produkt – von Postdienstleistungen bis hin zum Benzin im Auto – haben Premium-Produkte die Freiheit der Nutzer kaum eingeschränkt: stattdessen sorgen diese für mehr Auswahl. Wer für das Premium-Extra nicht zahlen will, verdient natürlich immer noch ein gutes Produkt: und deshalb wird das Internet nach dem „Best Effort“-Prinzip durch meine Vorschlägen noch besser.
Darüber hinaus verweist Kroes auf die Investition der Netzbetreiber. Das Internet sei nicht zum Nulltarif zu haben. Auch sei eine Festschreibung der Netzneutralität in Netzen keine Antwort auf viele Probleme, etwa mit Plattformen und Endgeräten.
Also was nun? Hü oder Hott? Dabei sollte doch klar sein: Netzneutralität ist ein Grundsatz, der geschützt werden muss, gegen wirtschaftliche und politische Interessen – falls nötig, auch mit Gesetzen. Auf die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes brauchen wir dabei aber offenbar nicht zu zählen.
Bild: DG EMPL / Flickr (CC BY-ND 2.0)