Nokia hat soeben auf einem großen Presse-Event in New York das Lumia 1020 vorgestellt. Das neue Spitzenmodell der Finnen ist ein Zwitter aus Kamera und Smartphone, das auf den Spuren des mächtigen Nokia PureView 808 wandert. Gewagt ist die Positionierung – so entthrohnt Nokia durch die Vorstellung eines neuen Topmodells jetzt mit Pauken und Trompeten sein erst kürzlich erschienenes Flaggschiff Lumia 925. Ich habe dem Event per Stream beigewohnt und alle Fakten zusammengetragen.
„Reinvent Zoom“
Das Nokia PureView 808 schlug im Frühjahr des vergangenen Jahres recht große Wellen. Einerseits überraschte es mit ansehnlichen Spezifikationen, die in dieser Form noch nie ihren Weg in ein Smartphone fanden. Andererseits verwunderte die Wahl des Betriebssystems, nämlich Symbian, das der damals immer breiter werdenden Android-Front nur wenig entgegen zu setzen hatte. Jürgen fragte sich damals deshalb zu Recht:
„Ich finde momentan keine Antwort darauf, wer das Ding eigentlich kaufen soll“.
Offenbar kaum jemand: Nokia beantwortete diese Frage indirekt mit dem Produktionsstopp von Symbian-Smartphones (Paywall) in der Mitte des Jahres 2012, kurz nach dem Start des letzten Symbian-Phones: dem PureView 808. Kraftvoll, aber ein Flop. Somit kann man Nokia nur wünschen, dass der Erfolg des nagelneuen Lumia 1020 sich nicht gänzlich am Vorbild PureView 808 orientiert.
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Das Lumia 1020 – im Inneren fast ein Lumia 925
Die Außenschale des Lumia 1020 kommt im bekannten und farblich wenig zurückhaltenden Polycarbonat-Gewand daher, das stark an das Design des Lumia 920 angelehnt ist. Das AMOLED-Display ist 4,5 Zoll groß, „Super-sensitive“ und dadurch mit Handschuhen bedienbar, stellt 1280 x 768 Pixel dar und dürfte mit dem im Lumia 925 verbauten Bildschirm identisch sein.
Als Prozessor kommt ein mit 1,5 Gigahertz getakteter Snapdragon S4-Prozessor von Qualcomm mit zwei Kernen zum Einsatz – mehr ist bei Windows Phone 8 derzeit auf Grund von Software-Restriktionen nicht möglich. Noch nicht. Im Herbst soll diese Beschränkung laut Insidern aufgehoben werden und Windows Phones mit Full-HD-Displays, Vierkern-Prozessoren und GDDR3-Speicher ermöglichen.
Der Arbeitsspeicher ist mit 2 Gigabyte (GB) doppelt so groß wie beim bisherigen Spitzenmodell Lumia 925 und sicher den speicherintensiven Kamerafunktionen geschuldet. Der interne Speicher beträgt 32 GB. Die übrigen Bauteile unter der Haube orientieren sich stark am 925: 3G-, HSPA+ und LTE-Konnektivität, WLAN bis n-Standard, USB 2.0, 2000 mAh starker Akku sowie NFC und A-GPS. Das alles verpackt in schlanker Schale und 158 Gramm.
Kameraleistung im Fokus
Abgesehen von RAM und internem Speicher, die jeweils doppelt so groß ausfallen, ist das Lumia 1020 im Inneren mit dem 925 identisch. Den Unterschied macht die, zugegeben, mächtige PureView-Kamera an der Hinterseite des Gerätes. Diese bietet mit ihrer F/2.2 Linse von Zeiss eine Auflösung von bis zu 41 (!) Megapixeln und kommt mit einem optischen Bildstabilisator (OIS) daher, der schon in früheren Lumia-Smartphones für herausragende Kameraleistungen sorgt. Ebenso sprechen der große rückbelichtete Kamerasensor – Nokia-Chef Stephen Elop bezeichnete den Chip in New York heute als größten seiner Art in einem Gerät für den Privatkundenmarkt – und ein optischer Dreifach-Zoom eine leistungsfähige Sprache. Ein Xenon-Blitz belichtet Bilder, eine zweite LED Videos.
Um die Funktionen dieses Leistungswunders auch voll auskosten zu können, hat Nokia eigenentwickelte Zusatzsoftware mit an Bord, die speziell auf die Kamera des 1020 zugeschnitten ist. Diese erlaubt beispielsweise eine längere Belichtungszeit von mehreren Sekunden. Dadurch lassen sich künstlerische, durch Bewegungen gestaltete Bilder entwerfen. Auf dem Event in New York „malten“ beispielsweise zwei Nokia-Mitarbeiter bei einer viersekündigen Belichtungszeit mit Hilfe von Nokia-Smartphones als Lichtquellen ein „1020“ in ein Bild.
Den Schwerpunkt der Vorstellung bildete aber der Teaser der Veranstaltung, der bei Twitter unter dem Hashtag #ZoomReinvented vom Nokia-Presseteam seit Wochen angeführt wurde. Den Kern dessen bildet ein so genannter „Dual Capture“-Modus, den das Lumia 1020 bei jedem Schnappschuss anwendet. Hierbei nimmt das Gerät stets zwei Bilder auf – eines in voller Auflösung und ein durch so genanntes „Oversampling“ komprimiertes Bild. Der Vorteil dabei: das Oversampling-Bild ist sehr viel kleiner als das Original und lässt sich dadurch einfacher, schneller und weniger datenlastig im Social Web teilen.
Hinzu kommt der Vorteil, dass innerhalb eines Fotos im Nachhinein sehr freizügig und scharf gezoomt werden kann. Diese Option funktioniert auch umgekehrt: wird bei einem Foto der optische Zoom in Anspruch genommen, ist es möglich im Anschluss darauf auf dem Bild heraus zu zoomen. Das Lumia 1020 nimmt quasi mehr Informationen der Umgebung auf, als letztlich vom Nutzer gewollt. Auch lassen sich ISO- und Kontrastwerte innerhalb der Nokia-Foto-App sofort einstellen, sodass das mögliche Ergebnis prompt auf dem Bildschirm zu sehen ist.
Das Lumia 1020 wird in den USA in den Farben gelb, schwarz und weiß ab 26. Juli erhältlich sein. Asien und Europa werden „in diesem Quartal“ folgen. Zum Preis machte Nokia auf der Veranstaltung in New York leider keine Angaben. Da es sich wie angesprochen quasi um ein aufgebohrtes Lumia 925 handelt, dürfte der Preis leicht darüber, also über 600 Euro liegen. Als ausgeklügeltes Zubehör wird ein „Camera Grip“ genanntes externes Gehäuse mit integriertem 1020 mAh-Zusatzakku vertrieben, mit dem das Lumia 1020 auch auf einem Kamerastativ montiert werden kann.
Unglückliche Kommunikation
Angemerkt sei, dass die Vorstellung des Lumia 1020 in meinen Augen etwas verunglückte. So berichtete das US-Blog The Verge schon Stunden vor dem großen Event in New York exklusiv von den Spezifikationen des neuen Kamera-Ungeheuers. Neu ist das nicht, wusste WP Central doch schon Anfang der Woche, was da von Nokia kommen mag. Die Meldung wurde umrahmt von offiziellen Nokia-Bildchen und in der Blogosphäre dankend verwurstet. Mir ist klar, dass solcherlei Kooperationen eine gängige Marketingstrategie sind. Nur frage ich mich, ob es der neugierigen, nach New York geladenen Journaille blumig aufstoßen mag, wenn im Grunde alle (!) Details eines innovativen Gerätes schon vor der offiziellen Vorstellung an die Öffentlichkeit gelangen. Na, ich weiß nicht.
Abschließend kann man Nokia zur mutigen Entwicklung des Lumia 1020 nur gratulieren. Die Leistung der Kamera wird in der Praxis sicher ähnlich überzeugen können, wie beim PureView 808, aber eben in Kombination mit einer modernen, Cloud-gestützten Plattform. Die Live-Präsentationen auf dem Presse-Event jedenfalls ließen keine Zweifel an der Qualität des Objektivs. Schade, dass Microsoft die Zweikern-Begrenzung bei Prozessoren noch nicht aufgehoben hat, so hätte ein Vierkern-Chip dem neuen PureView-Smartphone von Nokia sicher gut gestanden. Bleibt der fade Beigeschmack, die Öffentlichkeitsarbeit betreffend. Aber das geht vielleicht auch nur mir so.
Bleibt die Frage: welche Zielgruppe?
Ich bin mit Blick aufs neue Lumia 925 gespannt auf die Preispositionierung des 1020. Ich würde mir an der Stelle der Nokia-Manager dahingehend jedenfalls schwer tun. Denn wer ist Zielgruppe für ein Smartphone mit 41-Megapixel-Kamera? Sicher nicht der Standardnutzer, der hier und da mal einen Schnappschuss tätigt. Eher professionelle Anwender. Fragt sich nur, welchen Aufpreis diese für eine solche Linse zu zahlen bereit sind? Und ob selbst Profis und Fotografen letztlich ein solches Smartphone überhaupt benötigen?
Fragen über Fragen. Man kann nur hoffen, dass das Lumia 1020 kein ähnliches Nischen-Schicksal ereilt, wie sein Vorgänger. Losgelöst davon bin ich jedenfalls sehr gespannt auf erste Tests der Kamera, auch im Vergleich mit der zwar klobigeren, aber ähnlich konzipierten Samsung Galaxy Camera.