Wenn auch viel zu spät: BlackBerry macht mit seiner neuen mobilen Plattform viele Dinge richtig. Und wird jetzt trotzdem mit voller Härte an der Börse abgestraft, weil Analysten mit knapp 700.000 verkauften Einheiten mehr rechneten. In Anbetracht der wirklich guten Arbeit nicht ganz fair, wie ich finde, aber eben die logische Folge für das Verschlafen eines wegweisenden Trends. Fragt sich, wo die Reise für die Kanadier hingehen soll? Am Scheideweg.
Wenig Luft zum Atmen
Dass der Smartphone-Markt so hart umkämpft ist wie lange nicht, dürfte mittlerweile bei jedem halbwegs Interessierten angekommen sein. Dies zeigt sich auch im massiven Preisverfall von Highend-Geräten wie dem Samsung Galaxy S4 oder dem Nokia Lumia 920.
Ehrlich gesagt, so schick und geradlinig die neue Designsprache von BlackBerry auch daherkommen mag, für mich als aktiven Marktbeobachter fristen Q10 und Z10 ein Dasein in der Mittelmaß-Nische. Schaffen es seltsamerweise nicht, in einer Liga mit den Flaggschiffen der Konkurrenz zu spielen. Das sehen die Käufer offenbar ähnlich. So reihen sich die topaktuellen „Rettungsringe“ mit BlackBerry 10 kurz nach ihrem Marktstart in die illustre Preisfall-Runde ein:
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So hat das Volltastatur-Smartphone BlackBerry Q10 innerhalb von zwei Monaten um ziemlich genau 200 Euro nachgelassen. Etwas besser erging es dem Z10, das von Anfang April bis Juni nur knapp 80 Euro einbüßen musste, kurzfristig aber für unter 400 Euro gelistet war.
Gute Hardware, schlechter Stand
BlackBerry verkaufte im ersten Geschäftsquartal rund 6,8 Millionen Smartphones, wobei nur 2,7 Millionen Geräte mit dem neuen BlackBerry 10 daher kamen. Weil eine Bloomberg-Umfrage bei Analysten mit 7,5 Millionen Verkaufseinheiten rechnete, brach die BlackBerry-Aktie am vergangenen Freitag um satte 30 Prozent ein – rangierte damit wieder exakt auf dem Niveau, mit dem die Kanadier ins Jahr 2013 starteten. Das in den letzten Monaten hart erarbeitete Vertrauen der Aktionäre wurde damit mit einem Schlag zu Nichte gemacht. Leider. Wird die Luft für BlackBerry mit einem um 30 Prozent geschmälterten Fremdkapital-Anteil in Hinblick auf die auch weiterhin nötigen Investitionen doch immer dünner.
Dies zeigt auch der operative Verlust von 64 Millionen Euro, der mich ehrlich gesagt kaum verwundert. Mit BlackBerry 10 stampfte der ehemalige Stern am Business-Himmel ein völlig neu entwickeltes mobiles OS aus dem Boden, das auf den soliden und – den durchweg positiven Amazon-Bewertungen nach zu urteilen – von den Käufern gefeierten Neuentwicklungen Z10 und Q10 seine Premiere fand und auf dem günstigeren Q5 in Kürze in der breiten Masse wildert.
„Noch am Anfang“. Vom Ende?
„Wir stehen immer noch am Anfang dieser Produkteinführung“, rechtfertigte Firmenchef Heins das schwache Ergebnis. Damit mag er nicht ganz Unrecht haben, unterschätzt aber offenbar den zeitlichen Faktor, der den Markt nicht einfacher macht. So drängen die Chinesen von Huawei mit extrem preisgünstigen Android-Geräten nach Europa und kannibalisieren das Einsteiger- und Mittelklasse-Segment mit gut verarbeiteten und technisch zeitgemäßen Smartphones. Die Oberklasse wird weiter beherrscht vom iPhone 5 und edlen Androiden wie dem HTC One – fragt sich, wo da die Nische für BlackBerry sein soll, zumal Windows Phone dank ordentlicher Nokia-Hardware an Marktmacht gewinnt und nach Analysen mittlerweile auf Platz drei rangiert.
Der Ausblick bleibt jedenfalls düster – auch im kommenden Quartal rechnet BlackBerry mit einem Verlust. Deshalb setzt das Unternehmen den strikten Sparkurs fort und streicht 5.000 der einst 16.500 Stellen. Bleibt abzuwarten, wie es für BlackBerry weitergeht. Sollten die Restrukturierungsmaßnahmen fruchten, wären immerhin operative Ersparnisse möglich. Das würde zwar die Bilanz schönern, aber keine Verkäufe generieren.
So absurd es klingt: Um wieder vorn mitzuspielen, muss BlackBerry weiter investieren. In Image, Marketing, bessere Software und nicht weniger als Highend-Hardware – Probleme, denen sich vor einigen Jahren auch Nokia gegenüber sah. Während die Finnen das Tal der Tränen nun ganz langsam zu verlassen scheinen, steht BlackBerry weiterhin vor einer ungewissen Zukunft. Zwar verfügt der Konzern noch über satte 2,8 Milliarden Dollar Eigenkapital und kurzfristige Anlagen, aber auch dieses Polster ist irgendwann verbraucht.
Skepsis bleibt
Der Markt bleibt extrem hart umkämpft, die Android-Familie erhält fast täglich Zuwachs und die nächste iPhone-Generation steht in den Startlöchern. Die zentrale Frage bleibt: Wo will und kann sich BlackBerry positionieren? Im Geschäftskundenumfeld, das einst alleine von den Kanadiern beherrscht wurde? Das allein wird kaum reichen, orientieren sich die mobilen Plattformen von Apple (iOS) und Google (Android) doch auch immer stärker in Richtung Business. Ganz zu schweigen von den mobilen Vernetzungs-Fortschritten, angeführt von Microsoft Exchange ActiveSync und freien Protokollen, die dem BlackBerry Enterprise Server die Pro-Argumente nehmen.
Also doch eher im Privatkundensegment? Diesen Weg versucht man derzeit zwar zu gehen – welche Wahl bleibt auch sonst. Als Spätstarter sind die Voraussetzungen jedoch auch hier denkbar ungünstig, wird doch der Löwenanteil des Marktes bereits von iPhones respektive Androiden beherrscht und der Rest von den Giganten Nokia und Microsoft sowie der Open-Source-Fraktion um Mozilla, Ubuntu und Co. beansprucht.
BlackBerry steht damit am Scheideweg, die Positionierung ist unklarer denn je. Es wird daher Zeit, das eigene Profil wieder zu schärfen. Die besten Aussichten winken dabei wohl trotz allem im Business-Segment. Insbesondere in den USA, Großbritannien und Schwellenländern hatte Research in Motion (jetzt BlackBerry) doch einst einen trendbehafteten Stand als mächtige Messaging-Maschine. Wo ist er hin, dieser Innovationsgeist…?