Berlin ist im Ausnahmezustand, Barack Obama besucht die Hauptstadt. Doch bei Twitter ist der größte Aufreger bislang eine Äußerung der Gastgeberin Angela Merkel: „Das Internet ist für uns alle Neuland, und es ermöglicht auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung, mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen.“ Spott und Kritik stoßen seitdem auf zartes Verständnis und ehrliche Selbstreflektion.
Kaum einer traut sich in die Glaskugel zu schauen
Aber wie auch immer – natürlich hat der Satz einen kleinen Fehler. Genau genommen müsste es nämlich heißen: „Das Internet bleibt für uns alle Neuland“. Und wenn man ganz penibel ist, müsste man das „für uns alle“ durch „für die meisten“ ersetzen.
Denn Friedemann Karig hat völlig Recht: Die Internetlandschaft verändert sich rasend schnell, sodass sich selbst vermeintliche Experten kaum trauen, einen Blick in die Glaskugel zu werfen. Und dabei gibt es so viele Felder, bei denen man Orakel spielen könnte: An der Datenschutzreform werkelt die EU schon seit gut drei Jahren herum – „ihr Realisierungszeitpunkt“ ist laut Wikipedia dennoch „nicht absehbar“.
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Rasante Entwicklung wohin man schaut
Weiter geht es mit LTE Advanced, ein Standard, den Samsung schon anpreist und die Mobilfunkhersteller noch nicht erfüllen. In manchen ländlichen Regionen gibt es nicht einmal LTE oder UMTS-Unterstützung. Hinzu kommt das Datenlimit und das Bestreben der Telekom, die Geschwindigkeit von Power-Usern zu drosseln sowie bestimmte Dienste gegen Sonderzahlungen zu bevorzugen.
Oder wie wäre es mit Musik- und Video-Streaming, illegalem Filesharing, neuen Geschäftsmodelle im Printbereich, die Diskussion um AdBlocker und Paid Content, Werbeumsätze…die Liste kann ganz schön lang werden.
Das World Wide Web gibt es zwar schon seit 20 Jahren und es gibt sicherlich viele Menschen, die sich in ihrer digitalen Filterblase pudelwohl fühlen, bestens auskennen und daher annehmen, dass dies auch beim Rest der Republik so sein müsse. Doch die Mehrheit sind diese Menschen sicher nicht.
20 Prozent Offliner und eine Menge Digital Immigrants
Dafür finden sich täglich neue Beispiele. Meinem Vater muss ich etwa in unregelmäßigen Abständen damit helfen, sich auf dem Handy in WLAN-Netzwerken einzuloggen. Und gerade vorhin rief mich eine junge Frau an, die für ihre Großmutter eine Mitfahrgelegenheit bei mir organisieren wollte. Vor allem die ältere Generation tut sich oft schwerer mit der schönen neuen Webwelt als es sich die selbsternannte Twitteria wohl jemals vorstellen kann.
Für uns Onliner sind das keine größeren technischen Herausforderungen und doch scheitern die Digital Immigrants jeden Tag daran – von den Offlinern erst gar nicht zu sprechen. Immerhin rund 20 Prozent der Bevölkerung waren auch im Jahr 2013 noch nie im Netz. Und mal ehrlich: In vielen Fällen sind selbst wir Digital Natives auf Experten angewiesen, die wissen, wovon sie reden. Wir haben einen Facebook- und Twitter-Account und kommen uns vor wie der Einäugige unter den Blinden.
Wer weiß, was morgen passiert?
Das Internet bleibt Neuland. Und zwar nicht, weil wir gerade erst eine neue Insel entdeckt haben, sondern weil wir auf dieser Insel „Internet“ selbst stetig Neuland entdecken. Facebook ist in Deutschland gefühlt seit 4-5 Jahren populär, Spotify vielleicht seit letztem Jahr, die „Bild“ hat gerade ihr Bezahlmodell gestartet – möchte irgendjemand etwa ernsthaft behaupten zu wissen, wie sich das in den nächsten fünf Jahren entwickeln wird? Ich traue mich das nicht.
Witz des Tages mit einem dicken Funken Wahrheit
Sicher, der Spruch von Angela Merkel eignet sich hervorragend als Witz des Tages – insbesondere wenn man daran denkt, dass die Merkel-Regierung das Leistungsschutzrecht verabschiedet hat und sich kaum traut, die US-Regierung auf den PRISM-Skandal anzusprechen.
Und natürlich ist die Aufregung um die vermeintliche Ignoranz der Physikerin Merkel dem Internet gegenüber nicht zuletzt dem aktuellen Datenschutzskandal um die NSA-Methoden geschuldet – doch auch hier bewegen wir uns auf unbekanntem Terrain. Nach wie vor ist nicht komplett klar, wie die NSA an die Daten kommt und was damit gemacht wird.
Dennoch liegt Merkel nicht so komplett daneben, wie es die aktuelle Twitter-Timeline glauben machen könnte. Wir als Bewohner der digitalen Welt sollten uns daher lieber ein wenig mehr darum bemühen, Aufklärung zu leisten, anstatt die vermeintlich so rückständigen Bewohner der analogen Welt mit Häme aus dem Meme-Generator zu überziehen.
Bild: netzpolitik.org