Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, legt 2015 ihr Amt nieder und hat sich ein ambitioniertes Ziel bis zur Rente gesetzt: Bis 2015 soll Europa einen einheitlichen Mobilfunkmarkt ohne Ländergrenzen haben. Das Projekt ist die konsequente Weiterführung der bisherigen Regulierungspolitik der EU, gleicht aber auch einer bürokratischen Mammutaufgabe.
Europäische Mühlen mahlen langsam
27 Mitglieder hat die EU und nicht nur bei der Euro-Rettung zeigt sich, dass die Brüsseler Mühlen häufig langsamer mahlen als das manchem Beobachter lieb ist. Mit den bürokratischen Hindernissen im Hinterkopf erscheint es ziemlich ehrgeizig, dass in zwei Jahren der europäische Mobilfunkmarkt signifikant anders aussieht. Schon seit mehreren Jahren versucht die EU-Kommission, den europäischen Markt einander anzugleichen und die Roaming-Gebühren zu senken – eigentlich schon ab Sommer 2007 sollte ein Handygespräch im Ausland nicht mehr als zuhause kosten. Doch auch wenn die Gebühren für paneuropäische Gespräche dank der Regulierung sinken – beim mobilen Datenverkehr in Europa kommt häufig das böse Erwachen mit der Handyrechnung.
Kroes ließ dennoch keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie von einem Telekommunikationsmarkt ohne Grenzen und ohne Fragmentation träumt – und dass diese Vision ihr Hauptanliegen bis zum Ende ihrer Amtszeit sein wird. Vorher will sie eigentlich nicht in Rente gehen. Die Dame ist übrigens schon 71, also Hut ab vor so viel Tatendrang.
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Keine Grenzen, keine Roaming-Gebühren
Ohne europäische Mobilfunkgrenzen wären die Roaming-Gebühren und eine Regulierung dieser obsolet. Für Verbraucher und vor allem für Geschäftsreisende natürlich ein Traum. Für die Mobilfunkbetreiber eher ein Albtraum, denn man verdient ja immer noch gut daran, wenn von Holland nach Belgien telefoniert wird. Amerikaner, deren „lokaler“ Mobilfunkmarkt sich über neun Zeitzonen erstreckt, schütteln da nur den Kopf.
Doch auch die Mobilfunkunternehmen unterstützen den Plan, denn sie erhoffen sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber amerikanischen und asiatischen Betreibern. Während in den USA sechs große Mobilfunkanbieter 310 Millionen Amerikaner abdecken, gibt es in der EU bei 500 Millionen Einwohnern mehr als 100 Betreiber; Großbritannien hat sechs Anbieter, China kommt gerade einmal auf drei.
Die Fragmentation auf dem europäischen Markt hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die USA und China vermehrt den Ton angeben, welche Services und Standards angeboten werden. Daher glaubt auch Michael Duncan, CEO von Telefónica Digital Europe, dass ein einheitlicher Markt in der EU ohne Fragmentierung zu schnelleren Netzwerken und einem besseren Zugang zu digitalen Diensten führen könnte, sodass sich die nächste Generation pan-europäischer Standards auch global durchsetzt.
Auch für die EU insgesamt wäre ein einheitlicher Markt von Vorteil: Die EU-Kommission hat errechnet, dass bei einem europäischen Mobilfunkmarkt Unternehmen 110 Milliarden Euro einsparen würden und das Bruttoinlandsprodukt der EU um 0,8 Prozent wachsen könnte.
Deadline für Vorschlage wurde vorverlegt
Wie realistisch die Ziele von Kroes sind, ist schwer zu bewerten, doch eine Deadline für erste Vorschläge wurde von Oktober auf Juni vorverlegt. Die EU-Kommissarin meint es also ernst. Da die Industrie sich auch nicht allzu stark gegen die Vorschläge von Kroes wehrt, könnte die Niederländerin ihren Traum vielleicht tatsächlich bis 2015 realisieren.
Fraglich ist aber, wie sich das auf die Preise der Mobilfunkbetreiber auswirkt. Denn wenn die Roaming-Gebühren als Einnahmequelle komplett wegfallen, muss das Geld woanders herkommen, um den Netzausbau voranzutreiben. Es ist wohl kaum zu erwarten, dass die Anbieter den Ausbau aus den anderen Einnahmen stemmen können oder wollen.
Daher ist es auch vorstellbar, dass die Preise für Mobilfunkgespräche, die in den letzten Jahren stetig gesunken sind, bei einem einheitlichen Markt erst einmal auf dem derzeitigen Niveau verbleiben würden. Mittelfristig ist allerdings zu erwarten, dass eine Konsolidierung auf dem europäischen Markt einsetzt und sich nationale Anbieter zu europäischen Mobilfunkbetreibern zusammenschließen. Das wird aber höchstwahrscheinlich nicht mehr in der Amtszeit von Neelie Kroes passieren.