Amazon hat uns vorgewarnt und seine Ankündigung vom Februar in die Tat umgesetzt: Ab heute können Kindle-Fire-User in den USA Apps auch mit den Amazon Coins bezahlen. 500 Coins – oder 5 Dollar pro Account gibt’s als Begrüßungsgeld.
5-Dollar-Gutschein für jeden User
Man kann Amazon nicht vorwerfen, dass sie es nicht ernst meinen würden, denn bei geschätzten 6-7 Millionen Kindle Fires in den USA läppern sich die Ausgaben für den 5-Dollar-Lockvogel. Wer zudem 100 Dollar oder mehr in Amazon Coins umwandelt, bekommt noch einmal 10 Prozent Rabatt.
Doch ich verstehe nach wie vor nicht, was das Ganze soll. Im Februar habe ich schon sehr kritisch geschrieben, dass die Coins ein Rohrkrepierer werden und in der Pressemitteilung von Amazon lese ich kein Argument, das dagegen spricht.
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Einfach bezahlen – warum nicht per Amazon-Account?
Überhaupt: Amazon erwähnt grundsätzlich nicht, welchen Vorteil die Amazon Coins haben sollen. Man freut sich lediglich, dass die User nun eine „einfache Möglichkeit“ haben, um Apps und In-App-Käufe zu bezahlen. Einfach ist ja schön und gut. Aber gibt es etwas einfacheres als Amazons patentierte 1-Klick-Methode? Anmelden, kaufen drücken, fertig, vom Konto abgebucht oder Kreditkarte belastet.
Der einzige Vorteil, der hin und wieder genannt wird, ist, dass man seinen Kindern ein besseres Limit setzen kann, wenn sie auf dem Kindle Fire des Schutzbefohlenen Spiele spielen und Horden digitaler Schafe kaufen. Meinetwegen. Aber dafür gleich eine eigene Währung einführen? Wie wäre es mit Benutzerkonten und Nutzerrechten?
Will Amazon die Bilanz auffrischen? Oder Steuern umgehen?
Doch zurück zu Amazons Währung. Der Umrechnungskurs ist mit 100 Coins für einen Dollar zwar relativ simpel, doch es ist kein Geheimnis, dass man bei virtuellen Währungen ein wenig das Preisgefühl verliert. Aber dass Amazon-Kunden ungewollt Millionen Dollar ausgeben ist auch unwahrscheinlich.
Unter meinem Artikel im Februar kommentierte Oliver, dass er den Zweck der Amazon Coins in einer Bilanzauffrischung sieht. Wenn jeder der 6-7 Millionen potentiellen User zehn Dollar einzahlt, kommt ganz schön was zusammen. Der Gedanke ist interessant, doch bei einem Netto-Umsatz von 16 Milliarden Dollar im letzten Quartal müsste jeder potentielle User schon kräftig Amazon Coins horten. Eher unwahrscheinlich.
Ein anderer Gedanke geht in die Richtung, dass Amazon bei mit der digitalen Währung getätigten Einkäufen keine Online-Umsatzsteuer abführen müsse, die der US-Senat jüngst abgenickt hat. Das mag vielleicht stimmen, auch wenn ich mich im amerikanischen Handelsgesetz nicht auskenne, aber dürfte sich auch nur auf reale Güter beziehen, die nach Hause geliefert werden. Digitale Güter wie Apps und In-App-Käufe müssten davon sowieso ausgenommen sein.
Hat Amazon Größeres vor?
Wie man es dreht und wendet, ich kann mir keinen Reim darauf machen, was Amazon zu einer eigenen digitalen Währung bewegt und vor allem, wie man das millionenschwere Promotion-Programm rechtfertigt. Denn nicht nur gibt es für den User keinen Vorteil, auf die Amazon Coins umzuschwenken. Auch müssten die User ja mit den Amazon Coins zusätzliche Käufe tätigen, damit sich das rechnet – und zwar in Millionenhöhe. Vorsichtig gesagt klingt das optimistisch.
Ein Satz in Amazons Pressemitteilung bleibt aber doch hängen: Man werde bald weitere Möglichkeiten anbieten, um Coins zu verdienen und auszugeben, heißt es da. Ob damit reguläre Einkäufe im Amazon Marketplace gemeint sind, ist schwer abzuschätzen. Ob es damit zu tun hat, dass Amazon ein eigenes 3D-Smartphone bauen will, auch.
Vielleicht hat Jeff Bezos wirklich den ultimativen Masterplan in der Hinterhand. Aber solange der nicht zum Einsatz kommt, bleibe ich dabei: Die Amazon Coins werden ein Rohrkrepierer.
Bild: Amazon