Erst die Brechstange, jetzt das Zuckerbrot. Die Telekom rudert in ihren Drosselungs-Plänen zurück und gibt an, auch ab 2016 weiterhin eine echte, unbeschränkte DSL-Flatrate im Angebot haben zu wollen. Sei das Freivolumen erreicht, würden 10 bis 20 Euro dafür sorgen, dass bis zum Monatsende mit voller Bandbreite gesurft werden könne. Ganz neue Töne, kein Wort mehr von zubuchbaren Volumenkontingenten. Die Entwicklungen sind als Erfolg der massiven Protestbewegung zu werten. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass die Telekom durchs Hintertürchen faktisch eine Preiserhöhung durchsetzt, die den DSL-Wettbewerb verändern wird. Immerhin: die Netzneutralität bleibt dadurch weitgehend gewahrt. Das ist die Hauptsache!
Die Macht der Masse
Den Schritt der Telekom, alle ab Mai abgeschlossenen Festnetz-Neuverträge mit einer DSL-Drosselung ab einem gewissen Datenaufkommen zu versehen, quittierten Internet-Fachleute, Medienlandschaft und Kunden mit einem Aufschrei, der es in sich hat. Auch ich machte meiner Skepsis in einem umfangreichen Beitrag Luft und schrieb nieder, wieso die Netzneutralität das höchste Gut der digitalen Gesellschaft ist. Schützenswert. Weil schon heute labil, an einigen Ecken mit Füßen getreten und von der Telekom-Drosselung ausgehebelt.
Doch auch an anderen Fronten erwachte Kritik: Eine Petition gegen das Vorhaben sammelte bis heute knapp 175.000 Mitzeichner. Der Initiator Malte Götz wurde daraufhin zu einem Gespräch mit Telekom-Vorstandsmitglied Niek Jan Van Damme geladen und nutzte die Gelegenheit, den aktuellen Datenbestand der Unterschriften gleich mitzubringen. Auch die Telekom-Pressestelle berichtete in der Kategorie „Verantwortung“. Dort hieß es, man habe in einem „sehr guten und offenen Gespräch“ die eigenen Sichtweisen ausgetauscht und bleibe in Kontakt.
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Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mahnte die Telekom für ihr Vorgehen ab, bezeichnete die Drosselung gar als „unzulässig“. In der Summe erreicht das Thema mittlerweile politische Ausmaße und sorgt sogar in Bundesregierung und Oppositionsparteien für Aufmerksamkeit.
Jetzt ein Einlenken. Erfolg der Proteste.
Bei der heutigen Vorlage der aktuellen Quartalszahlen überraschte (Noch-)Telekom-Chef René Obermann mit der Ansage, auch 2016 weiterhin gänzlich unbeschränkte DSL-Tarife ohne Drosselung anbieten zu wollen. Die Mehrkosten dafür sollen 10 bis 20 Euro betragen – auf Grund der dynamischen Marktentwicklungen sei heute eine konkrete Aussage aber noch nicht möglich. Als Grund für die höheren Preise nannte Obermann die ominösen Milliarden-Investitionen in den Netzausbau und unterstrich dabei, dass die Standardpakete mit Drosselung ohnehin für die meisten Kunden ausreichen würden.
Schon Anfang Mai bei der Übergabe der Petitions-Unterschriften ließ Telekom-Vorstand Van Damme durchscheinen, dass offenbar ein Umdenken bezüglich der Drosselungspläne in der Führungsposition des Unternehmens einsetzt. So heißt es in der Pressemitteilung zum Treffen mit Petitions-Initiator Götz:
Wer zukünftig seine Datenpakete aufgebraucht habe, die zu seinem Tarif gehören, könne nach Bedarf Datenpakete hinzu buchen. Dies müsse er nur für die Monate tun, in denen er die größere Datenmenge brauche. „Für die Vielnutzer werden wir zusätzlich eine dauerhafte, attraktive Zubuchoption anbieten“, sagte van Damme.
Das klang am Tag der Ankündigung der Drosselungspläne Ende April noch ein wenig anders. Zu diesem Zeitpunkt hieß es, dass die Telekom „mit der Umsetzung der Geschwindigkeitsbegrenzung Zubuchoptionen einführe“. Klang so, als könne gegen Aufpreis mehr Volumen – theoretisch auch nur für Dienst X (bspw. Spotify) – gekauft werden, wenn die Radikal-Drosselung auf 384 Kilobit pro Sekunde greife. Eine einmalige Gebühr für weiterhin gänzlich unbeschränktes Surfvergnügen zog die Telekom zu diesem Zeitpunkt aber offenbar noch nicht in Betracht, gibt es doch keinen Grund, dies nicht direkt öffentlich und glasklar zu kommunizieren. Also ein Erfolg der Protestbewegung?
Doch dem nicht genug. Auch in Bezug auf das sensible Thema Netzneutralität scheint man sich in Bonn Gedanken gemacht zu haben. Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte ein Sprecher, auch kleine Unternehmen könnten sich „Managed Services“ leisten: „Die Partner müssen dafür nicht vorab bezahlen, sondern wir teilen uns die Umsätze. Gerade Newcomer haben so erst die Chance, neue und empfindliche Dienste zu starten.“ Unter das Schlagwort „Managed Services“ fällt beispielsweise das freigestellte Entertain-Streamingvolumen für TV-Inhalte.
Die DSL-Welt wieder halbwegs im Lot
Wie man es auch sehen mag – mit der Ankündigung, alle Powersauger mit einer pauschalen Gebühr bis zum Monatsende von der Drosselung freizustellen, hat die Telekom einen Schritt in eine Richtung gemacht, mit der ich als Befürworter freier Netze leben kann. Für die Masse bleiben die Preise konstant, wer viel verbraucht zahlt eben mehr. Das ist okay. Eine simple Preiserhöhung. Mehr nicht. Essentiell ist aber, dass die Netzneutralität in meinen Augen in der Breite gewahrt bleibt. Zwar ist weiterhin das Entertain-Volumen freigestellt, was eine Unterscheidung und Einordnung von „eigenen“ und „fremden“ Daten erforderlich macht.
Sollte die Telekom hier allerdings keine tief einblickenden Maßnahmen anwenden, die die Privatsphäre des Kunden gefährden, ist auch das okay. Denn dass man als reiner Carrier und plumper Datenverteiler heutzutage nicht mehr genug Gewinn verbucht, um die eigenen Netze auch fit für die Zukunft zu machen, sollte insbesondere auf Märkten mit extrem geringen Margen einleuchten. Der DSL- und Festnetzmarkt ist so einer.
Ist der Ruf erst ruiniert…
Bleibt der Schaden, den der Ruf des ehemaligen Monopolisten genommen hat. Ich persönlich habe die Telekom in den letzten Jahren als positiv wirtschaftend und stark Service-orientiert wahrgenommen. Als langjähriger, sehr zufriedener Mobilfunkkunde spreche ich aus Überzeugung und eigener Erfahrung. Und jetzt dieses Marketing- und Kommunikations-Desaster mit der Radikal-Drosselung. Preiserhöhung für Vielnutzer, Netz weiterhin frei, ein wenig Protest, fertig ist die Neupositionierung. Aber eine Drosselung auf 384 Kbit/s ab 75 Gigabyte Datenvolumen, ohne klar zu machen, dass Vielsauger einfach mehr zahlen sollen, um in ihrem Tun weiter frei zu bleiben? Ein Super-GAU.
Die Einführung der DSL-Drosselung mit der Brechstange löste einen fäkalen Regenschauer aus, der dem Telekom-Management frontal ins Gesicht wehte. Dass der Konzern – trotz zweifelsohne vorhandener Warnsignale – eine solche ausgeprägte Protestwelle nicht vorhergesehen hat, zeigt die Ignoranz des Top-Managements. Da hilft auch das verspätete Zuckerbrot nicht mehr. Der Ruf der Telekom hat Schaden genommen. Die Konkurrenten beobachten, geben sich verschlossen und machen alles richtig. Bleibt abzuwarten wie die Zusatzpakete für Powersurfer 2016 letzlich aussehen werden. Bei einem halbwegs humanen Mehrpreis sollten nicht allzu viele Tränen fließen. Jedenfalls dann, wenn die Leitung auch ordentlich Durchsatz bietet.
Aus #Drosselkom wird #Teuerkom
Die Telekom ist somit im Zugzwang. Denn wenn 2016 die Radikal-Bremse greift, sich in den Jahren seit der Ankündigung aber auf Netzebene kaum etwas getan hat, dürfte die Öffentlichkeit wieder parat stehen und heftig Kritik üben. Ich hoffe, ein zweites #Drosselkom bleibt aus. Jetzt heißt’s erst einmal (wieder) #Teuerkom.