Das sind ja ganz neue Töne: Bei einer Panel-Diskussion an der New York University hat Eric Schmidt, Verwaltungsratschef von Google, eingeräumt, dass der fehlende Lösch-Button im Internet ein ernsthaftes Problem sei und sich zugleich verbal dafür eingesetzt. 2009 klang das noch anders.
Funktionsweise unklar
Damals hatte der Ex-Google-Chef noch eine andere Meinung und erklärte in einem Interview mit CNBC: „Wenn es etwas gibt, von dem man nicht will, dass es andere erfahren, dann sollte man es am Besten gar nicht erst tun.“ Anschließend hagelte es ziemlich harsche Kritik.
Woher die Kehrtwende kommt, ist nicht überliefert – bemerkenswert ist sie dennoch, denn Google verdient ja mit jedem digitalen Schnipsel Geld. Doch so begrüßenswert der Vorstoß Schmidt’s ist, so vage ist er auch. Er schweigt sich nämlich darüber aus, wie der Lösch-Button genau funktionieren soll – und genau das ist das Problem.
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Ich bin kein Informatiker, aber für mich ist ein Lösch-Button schlichtweg nicht realisierbar. Ähnlich argumentiert auch die britische Regierung, die bei den Plänen der EU-Kommission, ein „Recht auf Vergessen“ einzuführen, mal wieder einen Sonderweg gehen will.
„Recht auf Vergessen“ weckt falsche Hoffnungen
Der Gedanke von EU-Kommissarin Neelie Kroes ist, dass jeder Internet-User Europas bei einem europäischen Internetunternehmen beantragen kann, seine Daten unwiderruflich zu löschen. Das ist zweifelsohne ein bemerkenswertes Vorhaben und ein wichtiger Beitrag zur modernen Internet-Gesellschaft. Aber zu behaupten, dass damit das unvorteilhafte Foto von der letzten Semesterparty für immer und ewig von allen Servern der Welt gelöscht worden sei, weckt schlichtweg falsche Hoffnungen.
Das ist auch der Grund, warum sich das britische Justizministerium gegen diese Maßnahme ausspricht. Denn wenn man glaubt, dass sich einfach per Knopfdruck unliebsame Inhalte von Servern in Russland, Hongkong und Papua-Neuguinea entfernen lassen, erliegt man einem Irrglauben.
Wer ist verantwortlich für Inhalte bei Drittanbietern?
Auch EU-Kommissarin Kroes ist sich darüber bewusst, dass es schwierig bis unmöglich ist, Inhalte auf Servern von Drittanbietern zu löschen, insbesondere außerhalb der EU. Dass Kroes fordert, der Primär-Host von entsprechenden Daten – also Facebook, YouTube etc. – solle die Drittanbieter benachrichtigen und eine entsprechende Löschung beantragen, ist blinder Aktionismus.
Wie stellt sich Kroes das vor? Wird Facebook dann mit bis zu 2 Prozent des Jahresumsatzes bestraft, weil man es nicht geschafft hat, die entsprechenden Facebook-Bilder vom Server des Drittanbieters in Übersee zu löschen? Auf die Schlagzeile freue ich mich schon.
Und das Internet vergisst doch!
Im Übrigen ist auch die Illusion, dass alles, was ich je getweetet und an digitalen Spuren hinterlassen habe, für immer und ewig in den Weiten des Internets gespeichert ist, falsch. Zwei Forscher haben letztes Jahr gezeigt, dass 30 Prozent der Inhalte, die in Tweets verlinkt wurden, nach zweieinhalb Jahren verschwunden waren. Und hier ging es nicht um Party-Fotos, sondern um Nachrichtenbeiträge über den Tod von Michael Jackson, die Wahlen in Iran oder der Ausbruch des H1N1-Virus.
Es ist also eher unwahrscheinlich, dass ein peinlicher Schnappschuss nach fünf Jahren noch irgendwo zu finden ist, wenn dieser bei Facebook gelöscht wurde – eine Garantie gibt es darauf allerdings nicht. Daher wäre es sicher sinnvoller, dass man als User externe Dienstleister damit beauftragen kann, eine eventuelle Löschung in meinem Namen zu beantragen und zu forcieren.
Lizenz zum Löschen?
Ich oder der entsprechende Dienstleister könnten dann bei den großen Plattformen – Facebook, YouTube, etc. – einen Löschantrag stellen, der schnellstmöglich bearbeitet werden muss – gerne auch per Knopfdruck. Um unglückliche Tweets und Fotos dann so weit wie möglich noch von anderen Servern zu entfernen, könnte man darauf spezialisierte Agenturen beauftragen. Anders sehe ich keinen Weg, um eine größtmögliche Löschung zu realisieren.
Trotzdem ist es unsinnig, weiterhin von einem Lösch-Button oder „Recht auf Vergessen“ zu sprechen. Insbesondere der studierte Informatiker Eric Schmidt sollte wissen, dass sich dieses Versprechen nicht einhalten lässt.
Bild: Finger is pressing delete key / Shutterstock.com