Die Shitstorm-Garantie wurde eingelöst. Ob scharfe Kommentare auf der Facebook-Seite oder in den zahlreichen Kommentaren unseres Berichtes: die Community von mitfahrgelegenheit.de lief Sturm gegen die verpflichtende Einführung einer Provision in Höhe von 11 Prozent. Drei Wochen sind seitdem vergangen. Und die Intensität der Gegenbewegung ist etwas abgeflacht. Nur weil sich die empörte Öffentlichkeit beruhigt zu haben scheint, ist das aber noch lange kein Indikator dafür, dass sich Dinge nicht gewandelt haben. Zeit für eine Momentaufnahme und eine Rundumsicht über Vorgänge, Alternativen und Veränderungen.
Im fäkalen Regenschauer
Die kommerzielle carpooling GmbH, an der auch die Daimler AG beteiligt ist, stand im Kreuzfeuer der Kritik dafür, beim beliebtesten Mitfahrer-Portal Deutschlands mit über vier Millionen aktiven Mitgliedern für alle Fahrten ab 100 Kilometern eine Gebühr in Höhe von 11 Prozent einzuführen. Von außen betrachtet scheint es, als wäre das Portal einer Abwanderungswelle ausgesetzt, von der alternative und weiterhin kostenfreie Alternativen profitieren.
„Das neue Mitfahren“ kommt bei der Mehrheit der Benutzer nicht an, so scheint es. Doch ist dem wirklich so? Ich sprach mit Thomas C. Rosenthal von carpooling.com über die Entwicklungen der letzten Wochen und bin überrascht, wie entspannt die Rückmeldung ausfällt: „Wir haben in den vergangenen Tagen und Wochen weiterhin eine sehr hohe Zahl von neuen Inseraten auf der Plattform“, so Rosenthal. „Natürlich gab es auch Abmeldungen aber wir sehen hier keine große Veränderung“.
Neue Stellenangebote
Mitarbeiter*in (m/w/d) für Social Media, Öffentlichkeitsarbeit und Städtepartnerschaft (m/w/d) meinestadt.de in Sachsenheim |
||
Content Creator / Social Media / Marketing (m/w/d) Delitzscher Schokoladenfabrik GmbH in Delitzsch |
||
Content Creator / Social Media / Marketing (m/w/d) Halloren Schokoladenfabrik AG in Delitzsch |
An Gebühren festhalten
Die Antwort auf meine Frage, ob man an dem neuen Bezahlmodell festhalte, ist vor diesem Hintergrund schon fast rhetorischer Natur. „Wir werden an unserem Buchungssystem und den Gebühren festhalten“. Klare Antwort. Die Einführung der Gebühr ermögliche die „Weiterentwicklung des Mitfahrens“ sowie des Unternehmens und schaffe die unternehmerischen Freiheiten, die man benötige, um das Mitfahren „einer noch breiteren Nutzerschicht nahezubringen“. Ziel sei es, mitfahrgelegenheit.de langfristig zu einer echten Alternative neben den anderen Verkehrsmitteln auszubauen.
Interessant ist, dass es aktuell keine Pläne gibt, ein entsprechendes Gebührenmodell auch auf das ebenfalls zu carpooling.com gehörende Angebot von mitfahrzentrale.de auszubauen. Fragt sich nur wie lange, schließlich ist kostenfreie Konkurrenz aus einem Hause sicher nicht gewünscht. Eine Frage von Zeit und Popularität, will ich behaupten.
Alternativportale im Aufwind
Sven Domroes ist Gründer von mitfahrgelegenheit.de und hat sich nach dem Verkauf der Domain- und Markenrechte Ende des Jahres 2011 an carpooling.com an einer alternativen Mitfahr-Website beteiligt, die auf den Namen fahrgemeinschaft.de hört. Im Gespräch gab Domroes an, dass sich die Nachfrage in den letzten Tagen „mehr als verzehnfacht“ habe. Nach Aussage von Domroes seien 30.000 unterschiedliche Benutzer für 300.000 Seitenabrufe pro Tag verantwortlich. Zugegeben, die 90.000 registrierten Benutzer erscheinen verglichen mit über vier Millionen Anmeldungen beim Marktführer nicht sonderlich groß. „Täglich kommen rund 1000 neue Registrierungen dazu, durch die aktuellen Entwicklungen stieg diese Anzahl zeitweise auf über 2000“. Ordentlich.
„Ich bin enttäuscht dass die gut funktionierende und umweltschonende Idee von mitfahrgelegenheit.de nun kommerziell ausgeschlachtet wird“, gibt sich Domroes kritisch. Er besitze zwar Anteile an der carpooling GmbH, stufe die aktuellen Entscheidungen aus kaufmännischer Sicht jedoch als „nicht sinnvoll“ ein. „Die über Jahre erarbeitete Monopolstellung des Unternehmens wird unnötigerweise gefährdet“.
Kostenfreie Portale unter einem Dach auf ride2go.com
Das Angebot von fahrgemeinschaft.de wird kostenlos bleiben. Das unterstreicht Domroes im Interview mehrfach. Neben klassischer Werbung befinde sich derzeit eine Seite für freiwilliges Spenden in der Mache. Außerdem sei eine werbefreie Darstellung des Internetauftritts für 1 Euro pro Monat in Planung. Weitergehend stünde eine Vernetzung verschiedener Mitfahrportale unmittelbar bevor – so soll schon im Mai dieses Jahres eine Umsetzung unter www.ride2go.com stattfinden.
Neben mitfahrgelegenheit.de und fahrgemeinschaft.de existieren weitere mal mehr, mal weniger professionelle Angebote im Netz, die für alle Mfg-Fans einen Blick wert sind. Für ganz Europa bietet sich BlaBlaCar an – ein französisches Startup, das seit April auch in Deutschland am Netz ist und nach eigenen Angaben monatlich europaweit eine halbe Million Fahrten vermittelt. Auch flinc.org ist eine Alternative.
Ebenso buhlen viele kleinere Projekte um die Gunst der Masse, namentlich sind das bessermitfahren.de, drive2day.de, meinemitfahrt.de, nochplatz.de und mifaz.de. Die Angebots- und Nutzerentwicklungen der einzelnen Seiten gilt es in den nächsten Monaten zu beobachten, womöglich wird sich dann ein Sieger im Buhlen um die Gunst der Pendler heraus kristallisieren.
Fazit: Der Markt reguliert sich selbst. Es bleibt spannend.
Die Argumentation der Betreiber von mitfahrgelegenheit.de bleibt aus unternehmerischer Sicht absolut schlüssig. Eine große Website, Server, Angestellte und Vermarktung kosten Geld. Auch ist Wachstum stets das Ziel und meist nur mit Investitionen zu stemmen. Doch 11 Prozent? Von heute auf morgen? In meinen Augen hätte man die Einführung der Gebühren ein wenig feinfühliger vornehmen können. 1 bis 2 Euro pro Fahrt oder eine monatliche Flatrate-Gebühr im einstelligen Bereich hätten es sicher auch getan. Ich denke, in Verbindung mit einer solch gravierenden Umstrukturierung eines auf sozialen Grundfesten stehenden Projektes hat die Brechstange nichts verloren.
Dass Sven Domroes mit fahrgemeinschaft.de eine kostenfreie Alternative auf die Beine stellt, ehrt ihn sehr. Die offene Kritik daran hat unter Berücksichtigung des ertragreichen Verkaufs der einst freien Plattform mitfahrgelegenheit.de an die kommerzielle carpooling GmbH und eine weiterhin bestehende Beteiligung zumindest ein „Gschmäckle„. Allerdings machen die Art und Weise, der Ton, mit dem Domroes die Vorgänge bei seinem alten Projekt kritisiert, einen durchaus vertrauenserweckenden Eindruck. In meinen Augen also kein Grund, hier Skepsis aufkommen zu lassen.
Ob der soziale Gedanke am Ende stärker ist als die Bequemlichkeit, auf einen teuren, aber funktionalen Empfänger- und Mitfahrerkreis zurückgreifen zu können, muss die Zukunft zeigen. Ausreichend Alternativen sind jedenfalls vorhanden – dem Gemeinschaftsinn sei Dank!
Gute, sichere und vor allem kostengünstige Fahrt allerseits.