Zur „D: Dive Into Mobile“-Konferenz in New York brachte CEO Evan Spiegel beeindruckende Zahlen mit: Mehr als 150 Millionen „Snaps“ würden die User pro Tag verschicken. Ansonsten hielt sich der Gründer aber ziemlich bedeckt.
Geheimdienst-Feeling ohne Geheimdienst
Snapchat – für diejenigen über 25 – ist eine App mit der sich Fotos machen und verschicken lassen. Der Clou: Die Snaps löschen sich nach 10 Sekunden selbst, quasi wie bei „Mission: Impossible“.
Der Unterschied: Im Gegensatz zu Ethan Hunt sind die wenigsten User Geheimagenten und erhalten auch weniger geheimnisvolle Nachrichten: Der überwiegende Teil sind „Selfies“ – Selbstportraits in allen Lebenslagen und – da wird es doch ein bisschen geheimnisvoller – frivole und unanständige Bildchen. CEO Spiegel widerspricht allerdings, dass „Sexting“ der Hauptnutzungsgrund sei und will dem weiter vorbeugen, indem die Community anstößige Snaps selbst melden soll. Nun gut.
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Geld verdienen? Werbung oder so!
Doch auf die Frage, wie er mit dem Dienst Geld verdienen möchte, hat er nicht so wirklich eine Antwort. Eine Option wäre laut Spiegel Werbung, aber es soll letztendlich mehrere Umsatzquellen geben. Purer Optimismus oder überspielte Verzweiflung? Man weiß es nicht.
Doch User sind schreckhafte Tiere, die bei den Worten „Werbung“ und „Nutzungsrechte“ verstört reagieren. Evan Spiegel sollte sich am Besten mal bei Mark Zuckerberg nach Instagram erkundigen, denn seit der Akquisition und dem Aufschrei um die geänderten AGB (völlig egal ob zurecht oder nicht) schwächelt das Wachstum.
Im Februar 2013 erreichte man 100 Millionen aktive monatliche User – bereits im September 2012 konnte man aber schon 100 Millionen Registrierungen vermelden. Klar, ein paar inaktive User hat man immer (wobei ein Monat schon ein weit gefasster Zeitraum ist), doch entweder wächst der Dienst nur noch langsam oder hat mit seiner Nacht- und Nebelaktion ordentlich User verprellt.
Von Äpfeln und Birnen
Snapchat will davon natürlich nichts wissen, schließlich verzeichnet Zuckerbergs Foto-Netzwerk nur 40 Millionen Bilder pro Tag. Der Vergleich hinkt allerdings gleich an mehreren Stellen: Zum einen sind sich selbst löschende Bilder nur schwer mit tatsächlichen Foto-Uploads zu vergleichen. Zum anderen ist Snapchat mehr ein visueller Messaging-Dienst denn eine echte Foto-App.
Und über 150 Millionen Nachrichten lachen WhatsApp & Co. – über WhatsApp werden pro Tag zum Beispiel sieben Milliarden Nachrichten verschickt, iMessage liegt bei einer Milliarde. Man kann auch weiter argumentieren, dass Snapchat auch nicht mit den SMS-Alternativen iMessage und WhatsApp zu vergleichen ist, sondern eigentlich eher mit einem Chat-Dienst wie ICQ – jedes Bildchen ist quasi eine Chat-Eingabe.
Zugegeben, die Grenzen verschwimmen immer mehr, doch glaubt man dem Teenager von ABC News, dass sie insgesamt 13.400 Snaps erhalten hat, dann wären das knapp 30 Bilder pro Tag, wenn sie die App seit ihrer Veröffentlichung im September 2011 täglich benutzt hätte.
Wie viele User hat Snapchat?
Ergo, die Zahl der verschickten Nachrichten mag beeindruckend klingen, sagt aber – wie vermutlich der Inhalt der meisten Snaps – kaum etwas aus. Interessanter wäre zu wissen, wie viele User Snapchat denn hat, doch darüber ist nichts in Erfahrung zu bringen, abgesehen davon, dass 80 Prozent der Snapchatter aus den USA sind. Auch wieder keine Erkenntnis, die einen weiterbringt. Und Zahlen, die man verschleiert, werden dadurch eigentlich nur umso interessanter. Rechnet man die 30 Snaps pro Tag (die wahrscheinlich deutlich zu wenig sind, aber vielleicht auch nicht wirklich repräsentativ sind) unseres Teenagers hoch, käme man somit auf fünf Millionen User. Eher Pustekuchen.
Und bedenkt man, dass Facebook mit „Poke“ einen nahezu identischen Snapchat-Klon gelauncht hat und die selbstzerstörerischen Bilder auch leicht von WhatsApp, iMessage & Co. imitiert werden könnten, sehe ich für Snapchat keine rosige Zukunft. Denn nicht nur hat man es mit potentiell mächtigen Wettbewerbern zu tun, auch verliert jeder Trend an Reiz, sobald er nicht mehr neu ist. Hinzu kommen das fehlende Geschäftsmodell, schreckhafte User und ominöse Zahlenspielchen vom CEO.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum sich das Büro von Snapchat trotz Millionen-Investments nach wie vor im Keller von Evan Spiegels Papa befindet.
Bild: Teenage girl checks her text messages / Shutterstock.com