Die geplante Drosselung ist mittlerweile offiziell bestätigt. Das Update vom 22. April mit weiteren Infos findet ihr am Ende des Beitrags.
Die Telekom plant womöglich die Drosselung von DSL-Flatrates ab dem 2. Mai dieses Jahres, wenn man internen Dokumenten glauben darf, die den Machern des Fanboys-Podcasts von einer Mitarbeiterin des Bonner Konzerns anonym zugespielt sein sollen. Nachdem ich von dieser Neuigkeit las, schweifte mein Blick intuitiv auf den Kalender. Bin ich dem ersten April auf den Leim gegangen? Offenbar nicht. Ein Flashback in dankend tot geglaubte Zeiten.
Um Jahre zurück
Es ist Jahre her, da pflegte ich bei onlinekosten.de federführend den Breitband- und DSL-Bereich. Es waren Zeiten, in denen DSL-Anschluss und -Tarif noch getrennt vermarktet wurden. Ein Preiskrieg entfachte sich, als Dutzende kleine Reseller aus dem Boden sprießten und sich fast täglich um Cent-Beträge unterboten, um in den Preisdatenbanken der großen Internetmagazine ganz oben zu stehen und neue Kunden zu locken. Damals waren es die Poweruser, die den kleinen aber aggressiv preisenden Resellern arg zusetzten. Und das große Flatrate-Sterben, die Kannibalisierung des DSL-Marktes zur Folge hatten. Schaut man heute auf den Markt, so finden sich nur noch die Großen, deren preisliche Flexibilität auf einem soliden Fundament mit eigener Infrastruktur und leistungsstarkem Backbone steht. Telekom, Vodafone, Telefónica heißen die Überlebenden. AOL, Tiscali oder tlink die längst zersetzten DSL-Leichen.
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Ein Gutes hatte es, dass der Markt sich in den letzten Jahren selbst regulierte: die Kunden sammelten sich alle bei den größten Anbietern und stärkten diesen so den Rücken. Neue Gelder für Netzausbau, begleitet von Regulierungsentscheidungen des Gesetzgebers und sinkenden Peering-Entgelten führten zur Rückkehr der echten Flatrate. Ohne Begrenzung, ohne Bremse, ohne Absicherungsklausel. Bis jetzt.
Drosselung ab 75 Gigabyte
Denn wie das interne Dokument der Telekom zeigen soll, könnte am 2. Mai dieses Jahres eine radikale Überarbeitung des DSL-Portfolios stattfinden. Ab einem gewissen Datenvolumen würde dann eine Drosselung auf dürftige 384 Kilobit pro Sekunde (Kbit/s) im Downstream greifen, um weitere Traffic-Sprünge im Keim zu ersticken. Ganz unabhängig von der gebuchten Maximalbandbreite. Die Inklusiv-Volumina würden bei Umsetzung folgendermaßen aussehen:
- Freivolumen: Anschlussart
- 75 Gigabyte: Call & Surf mit (A)DSL / Entertain mit 16 Megabit pro Sekunde
- 200 Gigabyte: mit VDSL
- 300 Gigabyte: mit Fiber 100
- 400 Gigabyte: mit Fiber 200
Zugegeben, eine Absicherung über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist bei der Telekom nicht ganz neu. In den AGB der Call & Surf-Tarife behält man sich unter Punkt 2.1.2 die Begrenzung der Surfgeschwindigkeit auf Niveau von DSL 6000 vor, wenn zu große Datenmassen über die Lichtleiter blinken – Entertain- und VoIP-Daten ausgeklammert. Bei VDSL 25 sind 100 Gigabyte (GB), bei VDSL 50 immerhin 200 GB das Fullspeed-Maximum. In den Fiber-Varianten gelten die in der obigen Auflistung genannten 300 und 400 GB. In der Praxis wurde diese „Bandbreitensteuerung“ bisher wenn überhaupt nur in Einzelfällen vorgenommen – genau das ändert sich so wie es aussieht mit der konsequenten Durchführung ab dem 2. Mai, begleitet von einer Drosselungs-Grätsche auf 384 Kbit/s statt bisher 6 Mbit/s.
Über das Twitter-Profil des Telekom-Kundendienstes lässt man die Öffentlichkeit wissen, es gäbe aktuell keine Änderung der Tarife. Das macht Mut. Umschifft in der Formulierung allerdings vielmehr ein klares Dementi. Schließlich würden die Leistungen der Tarife erst an besagtem 2. Mai angepasst. Klar, dass sich heute noch nichts ändert.
Neue Spielregeln für DSL? Es gibt aktuell keine Änderung der Tarife. Mehr dazu hier bit.ly/WYPVoy ^ms
— Telekom hilft (@Telekom_hilft) 22. März 2013
Im momentan recht schwer erreichbaren, da überlasteten (Freivolumen aufgebraucht?) firmeneigenen Blog veröffentlichte Telekom-Pressesprecher Philipp Blank am Freitagvormittag einen Eintrag unter dem Titel „Neue Spielregeln für DSL?“. Im Text heißt es, für Bestandskunden ändere sich nichts – bei Neuabschlüssen würden Kunden „selbstverständlich über die Vertragsbedingungen transparent informiert“. Anschließend folgt die Frage, wieso es solche Überlegungen überhaupt gäbe – die Antwort folgt:
„Wie alle Netzbetreiber steht auch die Telekom vor einer großen Herausforderung: Auf der einen Seite wächst das Datenvolumen exponentiell. Die Netze müssen also massiv ausgebaut werden und das kostet Milliarden. Auf der anderen Seite kennen die Telekommunikationspreise seit Jahren nur eine Richtung: abwärts und das rasant.“
Um diesem Widerspruch, mehr Datenaufkommen bei günstigeren Preisen, entgegen zu wirken, wäre es „tatsächlich“ eine Lösung, das in den Tarifen enthaltene Volumen zu begrenzen. „Der Vorteil ist, dass nur die Kunden mehr zahlen müssten, die tatsächlich mehr Volumen beanspruchen. Bisher ist es so, dass sämtliche Nutzer die intensivere Nutzung einiger quersubventionieren“, so Blank. Bahnt sich hier also ein Dogmen-Wechsel an? Weg von der Flatrate, wieder hin zu Volumentarifen? Wir fragten bei der Telekom-Pressestelle nach. Mit ernüchterndem Ergebnis: „Mehr als das, was im Blog steht, haben wir derzeit nicht zu dem Thema zu sagen“, so ein Sprecher aus Bonn.
Entwicklung an der Realität vorbei
Auch wenn sich die Telekom geschickt um eine konkrete Aussage windet – die Tendenz ist klar. Die Zeichen stehen auf Veränderung. Sonst wäre ein glasklares Dementi die einfachste Möglichkeit gewesen, dem nun aufkeimenden Shitstorm den Wind aus den Segeln zu nehmen. Womöglich ist es aber auch Strategie. Viel Lärm um nichts, hoffend auf vorsorgliche Kündigungen derer, die man ohnehin nicht an Bord haben möchte. In Hinblick auf den Image-Schaden allerdings eher eine spekulative Annahme. 1&1 nutzt die Entwicklungen jedenfalls schon jetzt für eigene Zwecke und teilt über Twitter mit, man plane keine Drosselung von DSL-Anschlüssen.
Das Datenvolumen von privaten DSL-Flatrates in einer Ära zu beschneiden, in der Streaming-Dienste populärer, Video-Auflösungen höher, Update-Zyklen enger und erforderliche Datenvolumina im Umkehrschluss immer größer werden, ist einfach nur weltfremd alles andere als zeitgemäß. Dass Poweruser dem Geschäft nicht zuträglich sind ist verständlich. Diese aber mit Flatrates zu locken, die am Ende zwar ohne Volumenbegrenzung aber mit Extrem-Bremse das „Breitband“-Siegel nicht mehr verdienen, das geht dann doch wieder alle Kunden etwas an. Auch datenhungrige Familien, WGs und Streaming-Fans.
Flatrates müssen Flatrates bleiben. Der Datenhunger des Internet ist unaufhaltsam. Der Freiheit sei Dank!
Update, 22. April: Telekom kündigt neue Tarifstruktur an – Drosselung soll 2016 kommen
Auf den Tag genau einen Monat später wissen wir: Es stimmt tatsächlich. Die Deutsche Telekom hat heute angekündigt, ab dem 2. Mai bei Festnetz-Neuverträgen die Leistungsbeschreibungen anzupassen und dort die Drosselung auf 384 Kbit/s ab einem bestimmten Monatsvolumen zu verankern.
Bestandskunden sollen nicht betroffen sein. Auch werde die Drosselung voraussichtlich erst ab 2016 technisch umgesetzt, heißt es aus Bonn – Änderungen freilich jederzeit möglich. Als neue Festnetzvolumina gelten 75 GB bei Geschwindigkeiten von bis zu 16 Mbit/s; 200 GB bei bis zu 50 Mbit/s, 300 GB bei bis zu 100 Mbit/s sowie 400 GB bei bis zu 200 Mbit/s. Die Nutzung von Entertain wird nicht auf das im Tarif enthaltene Volumen angerechnet; gleiches gilt bei Teilung des Anschlusses über FON. Zusätzliches Highspeed-Volumen kann künftig optional dazu gebucht werden. Weitere Infos findet ihr auf der Telekom-Homepage.
Bilder: Telekom, Flickr / Jeremiah Ro (CC BY 2.0)