Gestern verhängte die EU-Kommission gegen Microsoft eine Geldstrafe wegen unlauterer Geschäftspraktiken. Das Preisschild: 561 Millionen Euro. Der Grund: Microsoft habe wiederholt seine marktführende Position ausgenutzt und den Nutzern seinen Internet Explorer aufgedrückt. Die Strafe ist jedoch wirkungslos und lässt an der Kompetenz und Durchschlagkraft der Kommission zweifeln.
Zweite „IE-Strafe“ für Microsoft
Die Strafe ist der Tragödie zweiter Teil, wenn man so mag, denn schon 2008 hat man Microsoft zu einer Strafe von 860 Millionen Euro verdonnert, weil Steve Ballmer den Usern die Entscheidung der Browserwahl abnahm. Ab 2010 gab es schließlich den „Ballot Screen“, über den der User zwischen verschiedenen Browsern auswählen konnte, wenn er den Rechner das erste Mal startete.
Der Kompromiss stellte auch EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia zufrieden, doch mit dem Service Pack 1 für Windows 7 verschwand die Auswahloption kurzerhand wieder. Microsoft sprach von einem „technischen Fehler“, der sofort korrigiert wurde. Etwa 15 Millionen Nutzer seien laut EU-Kommission davon betroffen gewesen.
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Hat Microsoft die Strafe mutwillig in Kauf genommen?
Mein erster Gedanke war: „Das hat Microsoft doch absichtlich gemacht!“, doch inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher. 15 Millionen User sind zwar nicht wenig, allerdings entspricht dies etwa der Anzahl pro Quartal verkaufter PCs in Westeuropa. Das ist definitiv zu wenig, um den Browser-Markt umzukrempeln.
Hinzu kommt, dass man pro User 37 Euro hätte verdienen müssen, um die jetzige Strafe wettzumachen (561 Mio. Euro / 15 Mio. User). Da die EU sogar das Zehnfache an Bußgeld hätte verhängen können, müsste man also 370 Euro pro User verdienen, damit einem die Strafe egal ist. Da aber die einzige indirekte Umsatzquelle des Internet Explorers zusätzlicher Traffic zu Microsofts Suchmaschine ist, dürfte es nahezu ausgeschlossen sein, dass Microsoft die Strafe mutwillig in Kauf genommen hat. War es also wirklich ein technischer Fehler in der Programmierung? Man möchte es kaum glauben, sonst müsste man wohl die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber gut, darum soll es hier nicht gehen.
Viel entscheidender ist, dass die Strafe sowohl 2008 als auch jetzt fünf Jahre später sinnlos ist. Die Strafgelder werden aus der Portokasse bezahlt – Microsoft hat schon angekündigt, dass man keinerlei Einspruch einlegen werde.
IE verliert seit 2009 konstant an Marktanteil
Auch war der Marktanteil des Internet Explorers schon seit Mai 2009 im Sinkflug. Und selbst Firefox verliert seit Januar 2009 kontinuierlich an Zuspruch, obwohl man ja eigentlich von dem Ballot Screen hätte profitieren müssen. Zwar ist der IE-Marktanteil ebenfalls weiter gesunken, doch ich bezweifle, dass das mit der Auswahl-Option zusammenhängt. Viel eher haben seitdem Google Chrome und Safari aufgeholt, die wie der Microsoft-Browser derzeit bei um die 18 Prozent Marktanteil liegen.
Gerade Apples Safari lässt einen an der Effektivität der Browser-Auswahl zweifeln. So hat Mac OS X in den letzten Jahren nicht nur leicht an Verbreitung gewonnen, auch wurde der Apple-Browser bereits im August 2012 aus dem ersten Set der Browser-Auswahl gestrichen und hat trotzdem seither weitere 4 Prozentpunkte beim Marktanteil zugelegt.
Früher eingreifen, existierenden Wettbewerb berücksichtigen
Ist eine Regulierung also in jedem Fall überflüssig oder gar schädlich? Nicht unbedingt. Allerdings ist hier ein gewisses Feingefühl gefragt. Man denke etwa an Googles Chromebooks, die im Prinzip nur aus dem hauseigenen Browser bestehen oder Apple, deren iOS stark von der Konkurrenz abgeschottet ist. Hier greift die EU-Kommission aber (zu Recht!) nicht ein, weil die beiden Systeme nicht marktbeherrschend sind.
Gleichwohl gilt im Prinzip ähnliches wie bei Microsoft. Sollte beispielsweise Chrome OS irgendwann ein Quasimonopol sein, ist es eigentlich zu spät um über Sanktionen und Auswahl-Screens den Wettbewerb zu fördern. Und über die abschreckende Wirkung von Strafen lässt sich ohnehin streiten.
Ein Teufelskreis also? Keineswegs. Die EU-Kommission könnte in Fällen von sogenannten Envelopment-Strategien beispielsweise viel früher reagieren und rechtzeitig Kompromisse mit den Unternehmen schließen, um Marktdominanz und unlautere Geschäftspraktiken zu unterbinden. Parallel dazu lohnt sich stets ein Blick auf die aktuelle Marktentwicklung: Wenn der Internet Explorer aufgrund starker Konkurrenz bereits verliert, ist ein Eingreifen eigentlich wieder überflüssig – so wie die erneute Strafe für Microsoft.