So kann man sich irren: Ich habe die Leserschaft von Tech-Blogs ja bisher eigentlich für progressiv gehalten. Vielleicht stimmt das ja sogar. Denn womöglich bin ich dabei einfach einem zweiten Irrtum aufgesessen: Wer sich für die neuesten Technik-Trends interessiert, begreift sich selbst als jemand, der am Puls der Zeit lebt oder dieser vielleicht ein Stück voraus sein will, steht der Abweichung von gesellschaftlichen Normen daher deutlich offener gegenüber oder zelebriert diese mitunter sogar selbst. Nicht umsonst trägt etwa ein Sascha Lobo bis heute wie selbstverständlich Anzug und Iro – Bruch der Konventionen als persönliches Markenzeichen. Man hat sich längst daran gewöhnt.
Hass auf die Anderen
In den USA liegen die Dinge allerdings offenbar etwas anders. Dort sieht sich Engadget-Bloggerin Myriam Joire allein durch ihr auffälliges Äußeres einem kleinen, aber heftigen, Shitstorm gegenüber. Auch Joire trägt Iro sowie Piercings, Tattoos, schwere Boots und steht offen zu ihrer Homosexualität. Vielleicht liegt auch eher in letzterem der Grund für die heftigen Reaktionen, die ein Interview mit einem LG-Sprecher auf dem Mobile World Congress in Barcelona ausgelöst hat.
Viele Kommentare wurden von Engadget mittlerweile unter Verweis auf die entsprechenden Richtlinien gelöscht. Die noch sichtbaren Anmerkungen lassen aber erahnen, was darin wohl alles an Hass ausgegossen wurde. Weiterhin zu lesen sind etwa „Beschwerden“ darüber, dass man doch bitte nicht in diesem Aufzug auftreten und ein Interview mit einem Firmensprecher führen könne – „dressed like a hobo“ und „my eyes hurt“ sind nur einige der gehässigen Anmerkungen, die Joire um die Ohren fliegen.
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Natürlich: Man muss ihren Stil nicht mögen. Aber rechtfertigt das derartige Ausfälle? Wohl kaum. Aber im Schutz der Anonymität lässt es sich eben vortrefflich pöbeln. Und wenn die Tiraden gelöscht werden, ruft man laut „Zensur“ (oder „Faschisten“) und stilisiert sich als Opfer. Der Wahnsinn hat Methode.
Nichtige Anlässe mit großer Wirkung
Auch in Deutschland. Wer online publiziert, muss das aushalten. Heißt es jedenfalls. Natürlich kann kein Journalist erwarten, dass er mit provokanten Zuspitzungen bei seiner Leserschaft nur ein leises Gähnen erntet. Regelmäßig schießt ein anonymer Mob aber selbst bei kleinsten Anlässen deutlich über das Ziel hinaus und wird persönlich.
Ob es dabei eine Brigitte-Autorin trifft, die sich süffisant über Skateboarder jenseits der 25 mokiert und dafür auch fast ein halbes Jahres später noch Wutentbranntes entgegen geschleudert bekommt, oder einen unserer ehemaligen Autoren, der sich einst für die Kürzung unseres RSS-Feeds als „Arschloch“ titulieren lassen musste, ist vor diesem Hintergrund schon fast belanglos. Fast täglich werden neue Schlachtfelder eröffnet. Nicht immer tobt ein gewaltiger Sturm – aber auch der mit schleichender Akribie vorgebrachte Hass kann zermürbend sein.
Dabei ist es doch eigentlich so einfach: Respekt heißt das Zauberwort. Wir brauchen im Netz wieder mehr davon.