Joyn. Was ein Name. Ob nun besser als der in der Technik weit verbreitete Abkürzungs-Irrsinn, der Bezeichnungs-Perlen wie HSDPA oder WiMAX hervorbrachte? Hip und jugendlich in jedem Fall. Und das liegt ja bekanntlich im Trend. Auch egal: Die Telekom führt den lange überfälligen SMS-Nachfolger jetzt in ihrem Mobilfunknetz ein und attackiert damit bereits etablierte Messaging-Dienste wie WhatsApp, iMessage oder Facebook Messenger. Da es immer schwer ist vom Kuchen zu naschen, wenn man spät dran und die Stücke schon verteilt sind, scheint der Durchbruch für die SMS-Nachfolge zunächst einmal fraglich. Das ändert sich allerdings schnell, wenn man sich die Fakten ansieht.
Joyn: der SMS-Nachfolger
Mit Joyn hat die GSM Association (GSMA) einen Nachfolger für den angestaubten und auf 160 Zeichen begrenzten Short Message Service (SMS) sowie den nicht weniger staubbehängten und nie wirklich erfolgreichen Multimedia Messaging Service (MMS) entwickelt. Auch für Joyn gibt es einen netten, chiffrierten Code, der sich RCD-e schimpft und Rich Communications Suite enhanced abkürzt. Es handelt sich dabei um einen einheitlichen Standard, der tief in mobile Betriebssysteme integriert werden kann und somit eine enge Verknüpfung auch über Netze und Geräteklassen hinaus zulässt.
Als Beispiel ist hier das Telefonbuch zu nennen, das bei Joyn-fähigen Endgeräten in der Lage ist, Live-Informationen zum Gesprächspartner anzuzeigen. So ist beispielsweise ein Videoanruf nur dann möglich, wenn der Gegenüber auch eine entsprechend schnelle Bandbreite zur Verfügung hat. Ein Standard eben, über Grenzen der mobilen Betriebssysteme hinweg.
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Weiter ist Joyn in der Lage, neben klassischen Textnachrichten auch Audio-, Bild- und Videomaterialien zu übertragen. Joyn setzt dabei auf bestehenden Industriestandards auf und nutzt eine mobile Datenübertragung der dritten (3G / UMTS, HSDPA) oder vierten (4G / LTE) Generation. Bei der Ortung der eigenen Position greift Joyn auf einen in das Smartphone integrierten GPS-Sender zurück.
Wozu Joyn?
Alles Dinge, die moderne Messenger wie WhatsApp auch beherrschen. Wo liegt also der Mehrwert für den Kunden, dem mögliche Mehrkosten gegenüber stehen? Insbesondere aus Sicherheitsaspekten hat Joyn allen Fremdentwicklungen etwas voraus. Dadurch, dass sich Joyn modernster Mobilfunkstandards bedient und keinen Umweg über externe Server nimmt, muss sich der Benutzer keine Gedanken mehr darüber machen, dass getauschte Informationen in die falschen Hände gelangen. Auch ein Abgleich des Adressbuches ist nicht nötig – keine unnötigen Daten verlassen das eigene Telefon. So kommt Joyn auch für die Übertragung sensibler Daten in Frage. Und das bei nahtloser Integration in neue Endgeräte in der Zukunft. Eine Liste bereits akkreditierter Apps findet sich auf der offiziellen Joyn-Webseite der GSMA. Darin finden sich Nokia, Samsung, HTC, Sony, Huawei oder LG.
Bis Ende August kostenfrei
Nun zur CeBIT führt die Telekom Joyn nach Vodafone als zweiter deutscher Mobilfunk-Konzern im eigenen Netz ein. Bis Ende August dieses Jahres ist die unbegrenzte Nutzung in jedem Tarif kostenlos, danach wird pro Nachricht eine Gebühr in Höhe von 19 Cent fällig. Ist eine Datei enthalten, steigt der Preis auf 39 Cent bei einer maximalen Größe von 15 Megabyte. Eine ähnliche Preisstruktur wie von SMS und MMS bekannt also. Interessant: Wer eine Sprach-Flatrate oder ein Minutenpaket in seinem Sprachtarif gebucht hat, kann Videotelefonie kostenfrei nutzen. Andernfalls fallen zusätzlich die üblichen Minutenpreise an. Auch sind Joyn-Nachrichten in Verbindung mit einer SMS-Flatrate dauerhaft kostenfrei. Der Empfang von Joyn-Nachrichten ist stets zum Nulltarif möglich.
Wie man der obigen Grafik entnehmen kann ist Joyn in vollem Umfang kostenfrei, wenn eine Datenflatrate hinzugebucht oder im Tarif enthalten ist. Dabei werden die Merkmale von Joyn nach Angaben der Telekom stets und auch dann noch mit Highspeed und ungedrosselt zur Verfügung stehen, wenn das enthaltene Freivolumen bereits aufgebraucht ist. Das gilt auch für Videotelefonie. Wer benötigt da schon noch Skype?
Gut Ding braucht Weile – eine späte, aber starke Alternative
Durch die überraschend ansprechende Preisgestaltung der Telekom ist Joyn eine willkommene Alternative zu wirklich allen verfügbaren Messaging-Diensten. Der große Vorteil: es handelt sich um einen Industriestandard, der in Zukunft oftmals nativ im mobilen Betriebssystem implementiert ist. Und wenn nicht über eine kostenlose App nachträglich hinzugefügt werden kann. Eine Android-App steht bereits im Google Play Store parat, eine iOS-App befindet sich in der Entwicklung und soll in Kürze folgen. Da Nokia als Entwickler bei der GSMA gelistet ist, sollte auch mit einer zeitnahen Integration in Windows Phones zu rechnen sein. Damit werden die wichtigsten Smartphones mit Joyn bedient. Ein Umdenken lohnt sich. Besonders für alle, die für Joyn ohnehin keinen Aufpreis zahlen. Alle anderen Telekom-Bestandskunden sollten ernsthaft über einen Tarifwechsel nachdenken, der auch Joyn-Kommunikation abdeckt – nicht zuletzt der Sicherheit zuliebe.
Mit Joyn rollt ein mächtiges Werkzeug der modernen Kommunikation auf uns zu. Für viele ohne Mehrkosten, sicher, und eine Quasi-Erweiterung des Highspeed-Volumens in Surftarifen. Zwar ein wenig spät, dafür hoffentlich ausgereift. Wer hätte das gedacht? Ich jedenfalls nicht.