Die CeBIT startet. Und erste Neuerungen plätschern aus Hannover in die große, weite Technikwelt. Den Anfang machte am Montag die Telekom. Eine Kooperation mit der WLAN-Community Fon erlaubt Telekom-Kunden ab Sommer 2013 den Zugang zu Millionen offener Drahtlosnetzwerke weltweit. Wenn sie denn mitmachen. In Bonn nennt man dies „Innovation durch Kooperation“. Dabei handelt es sich treffender um Service-Erweiterung durch Zusammenarbeit.
„WLAN To Go“ als Option für alle Telekom-Kunden
Die Idee von Fon ist nicht neu. Wer sein WLAN freigibt, erhält kostenfrei Zugang zu allen anderen WLANs innerhalb der Community. Ein Geben und Nehmen also. Sozial. Crowdsourced. Mit dieser Idee ist Fon nicht nur in Ländern erfolgreich, die über eine lückenhafte oder schlechte Mobilfunkversorgung verfügen – auch in hochentwickelten Technologiestaaten wie Frankreich, Belgien oder Großbritannien gehören Fon-HotSpots zum funkenden Stadtbild. Doch kein Grund jetzt als weniger teilfreudiger Deutscher in Scham zu versinken, ist dies weniger der sozialen Großherzigkeit anderswo zu verdanken. Vielmehr war Fon in Deutschland bisher mangels Kooperationen nur dünn vertreten.
Nun soll Fon also auch in Deutschland populärer werden. Und die Deutsche Telekom agiert als Mittelsmann zwischen Kunde und Fon-Community. Dabei haben all jene Telekom-Kunden Zugriff auf die weltweiten Fon-HotSpots, wenn sie ihr Telekom-Internet auch für andere Fon-Nutzer freischalten. Dazu ist spezielle Hardware nötig, die eine Trennung von privatem und öffentlichem Internet vornimmt. Konkret wird dies bei der Telekom mit dem Speedport W724v möglich sein, weitere Modelle sollen folgen. Wie die Telekom über Twitter wissen lässt, ist die Fon-Nutzung mit einer FRITZ!Box von AVM oder älteren Speedport-Modellen nicht möglich. Wer keinen eigenen Fon-HotSpot betreiben möchte, kommt als Telekom-Kunde mit gebuchter HotSpot-Flatrate immerhin in Deutschland kostenfrei in alle Fon-Netzwerke. Visualisiert sieht das so aus:
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Interessant ist die Technologie, mit der Fon und Telekom die zweifelhafte Störerhaftung in Deutschland umgehen. So ist spezielle Hardware nötig, um einen Fon-HotSpot bereitstellen zu können – in Deutschland zum Start der angesprochene W724v. Dieser ist in der Lage zwei voneinander unabhängige WLANs aufzubauen. Eines privat, das andere öffentlich und von allen Fon-Usern nutzbar. Dies sorgt für ein hohes Maß an Datenschutz und schafft quasi zwei voneinander unabhängige Netze, verspricht die Telekom. Durch die bestehende Kooperation zwischen Fon und der Telekom als Internetanbieter mit rechtlicher Sonderstellung und Providerprivileg ist der Telekom-Kunde als Anschlussinhaber aus dem Störerhaftungs-Schneider. So ist das öffentliche WLAN quasi ein solches der Telekom. Alles gut.
Nur in Deutschland neu
Die Telekom ist dabei kein Innovator, so wie sie es darstellt. In anderen Ländern bestehen schon lange Kooperationen zwischen Fon und Telco-Firmen. So ist beispielsweise die BT Group (British Telecom) seit 2007 als erster großer Telekommunikations-Konzern im Fon-Boot. Gleiches gilt für Belgacom, den größten Telco in Belgien, der seit Ende 2011 dabei ist. Die Popularität in den Industriestaaten ist somit durch das Zusammenspiel von Fon und lokalen Carrier-Größen begründet, weniger durch die Gutmenschlichkeit der Einwohner. Was ein Glück. Und ich hatte beim ersten Lesen der Pressemitteilung schon das Gefühl, wir Deutschen seien unsozial. Der Situation angemessen unsozial, wohlbemerkt. Sind die Spielregeln für freie WLANs hierzulande ohne konkrete Trennung von privatem und öffentlichem (Provider-)WLAN alles andere als, sagen wir, fair.
Störerhaftung weiter problematisch
Schöne, heile WLAN-Welt. Wäre da nicht die bereits angemerkte Störerhaftung. In Deutschland sieht die Rechtsprechung vor, dass Betreiber von drahtlosen Netzwerken für Vergehen haftbar gemacht werden können, die von ihren Netzwerken aus getätigt wurden. Ganz egal wer es war. Brisanter Stoff, wird so der Anbieter eines WLANs in die Pflicht genommen, für etwaige Verstöße der Mitnutzer zu haften. Einerseits sinnvoll, da so leichtfertige Bundesbürger für naiv unverschlüsselte Netzwerke haftbar gemacht werden können. Und offene private WLANs folglich keine frei zugängliche Spielwiese sind, auf denen Rechtsverstöße unverfolgt bleiben. Andererseits absurd, diejenigen für Straftaten in die Pflicht zu nehmen, die schlicht und höchstwahrscheinlich unwissend das Mittel zum Zweck bereitstellen. Schließlich haftet der Staat auch nicht für die Straßen, auf denen täglich Straftaten geschehen. Zugegeben, natürlich kein wirklich treffender Vergleich. Und doch Ausdruck für die Absurdität, mit der dieses Thema beladen ist.
Ich kann nur hoffen, dass diese juristische Schieflage durch neue Gesetze korrigiert und konkretisiert wird, um den flächendeckenden Ausbau von frei zugänglichen, schnellen Funknetzwerken nicht zu hemmen. Andernfalls haben WLAN-Communities wie Fon in Deutschland einen schlechten Stand und keine rosige Zukunft. Immerhin: mit der Telekom hat Fon einen starken Partner an der Hand, der mit vielen Millionen DSL-Kunden immerhin eine gute Basis dafür bildet, dem Crowdsourcing-Projekt zu Popularität zu verhelfen. Allerdings sind neue Kooperationen mit anderen Internetanbietern nötig, um die Störerhaftung auch an Telekom-fremden DSL-Anschlüssen in Deutschland zu umgehen. Das dämpft die Hysterie ein wenig.
Hut ab vor allen Kämpfern
Entsprechend gilt mein Respekt an dieser Stelle all jenen, die für Freifunk kämpfen. Auch Fon und der Telekom. Schippern die beiden Partner doch mit Deutschland in schwer schiffbare Gewässer. Dies allerdings mit einem unsinkbaren Kreuzfahrtschiff, dem die deutsche Rechtsprechung nichts anhaben kann. Schade für all jene sozialen Surfer, die bei einem anderen Provider zuhause sind.