In einem viel beachteten Blogeintrag hat Richard Gutjahr auf sein neues Projekt hingewiesen: Gemeinsam mit OpenDataCity wurde die Plattform LobbyPlag ins Leben gerufen – ein Aufruf an die Netzgemeinde, Lobbyisten bei der Gesetzgebung in Brüssel genauer auf die Finger zu schauen.
Copy & Paste in Brüssel
Der Vorwurf: Abgeordnete in der EU übernehmen zum Teil wortwörtlich Texte von Lobbyisten für ihre Gesetzesvorlagen. Im konkreten Fall geht es um die bevorstehende EU-weite Datenschutzreform, in denen Lobbytexte zu finden sind. Es wird ein Vergleich zu den jüngsten Plagiaten von Politiker-Dissertationen gezogen, der natürlich etwas hinkt, schließlich ist es völlig üblich, dass die entsprechenden Vorlagen aus verschiedenen Quellen erstellt werden. Dennoch ist es natürlich weder im Sinne der Demokratie noch im Interesse der EU-Bürger, wenn gesamte Gesetzestexte aus der Feder von Multi-Milliarden-Konzern stammen. Bis jetzt macht LobbyPlag allerdings noch nicht den Eindruck, als dass die hunderte Seiten langen Vorschläge von Lobbytexten durchsetzt sind.
Doch kann man Amazon, Facebook & Co. überhaupt einen Vorwurf machen, Einfluss nehmen zu wollen? Meiner Meinung nach nicht. Denn es ist völlig verständlich und politisch sogar bis zu einem gewissen Grad gewollt, dass Unternehmen und Interessengruppen versuchen, den Gesetzgebungsprozess in ihrem Interesse zu beeinflussen. Das kann man gut oder schlecht finden, muss man aber wohl akzeptieren. Hinzu kommt, dass natürlich auch andere Organisationen wie Gewerkschaften oder Dachverbände versuchen, ihren Einfluss auszuüben.
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Kann man den Abgeordneten einen Vorwurf daraus machen? Bedingt. Unsere Volksvertreter sind auf Informationen von Dritten angewiesen, wenn sie Gesetze entwerfen, denn schließlich machen sie die Gesetze für Dritte und Amazon & Co. bieten sich natürlich gerne als Ideengeber an. Doch Andreas Schwab (CDU), Abgeordneter im Europaparlament, rechtfertigt sich gegenüber Gutjahr, dass es völlig in Ordnung sei, gute Ideen zu übernehmen, wenn man sie inhaltlich für richtig befindet.
Ein Vorschlag von Google ist nicht per se schlecht
Damit hat er Recht. Nur weil ein Vorschlag beispielsweise von Google kommt, muss er nicht unbedingt schlecht sein. Es empfiehlt sich aber, stets kritisch zu hinterfragen, weshalb Google eben jenen Vorschlag macht. Wenn wir zum Beispiel die Debatte um das Leistungsschutzrecht nehmen, habe ich den Eindruck, dass die Netzgemeinde größtenteils die Position von Google stützt. Und das, obwohl jeder weiß, dass Google ein finanzielles Interesse daran hat, dass das Leistungsschutzrecht nicht kommt.
Wenn aber ein Vorwurf angebracht ist, dann an die Art, wie Gesetze und deren Entwürfe entstehen. Denn der Prozess ist zum einen intransparent und zum anderen unfair in dem Sinne, als dass nicht alle Interessengruppen gleichermaßen gehört werden – im konkreten Fall also der Bürger.
Insofern ist das Ziel von LobbyPlag also durchaus begrüßenswert: Transparenz und Aufklärung schaffen, wer welche Interessen verfolgt und von wem Parlamentarier ihre Ideen übernehmen. Allerdings sehe ich auch die Gefahr, dass ein Schwarz-Weiß-Denken einsetzt, das in einer komplexen Welt mit einem noch komplexeren Vorhaben nicht mehr zeitgemäß ist. Daher ist es viel wichtiger, solche Gesetzgebungsverfahren künftig für alle Beteiligten und Betroffenen zu öffnen.
Öffentliche Konsultationen und geringes Feedback in England
In England ist das schon der Fall: Die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom (Office of Communications) stellt jeden Regulierungsentwurf von der Vergabe von Frequenzspektren bis hin zum Breitbandausbau online und bittet sowohl Bürger als auch Unternehmen um Feedback. Letztes Jahr war ich allerdings bei einem Meeting im Londoner Büro der Behörde eingeladen, bei der sich Generalsekretär Graham Howell über das bescheidene Feedback aus der Bevölkerung beklagte. Dennoch werde man weiter an dem Prozess festhalten – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Auch die EU verfolgt einen ähnlichen Ansatz und versucht teilweise die Bürger in ihre Beratungen einzubinden. Es ist allerdings nicht klar, warum manche Gesetzesvorhaben öffentlich beraten werden und andere nicht. Der Fokus der Netzgemeinde sollte daher lieber darauf liegen, sämtliche Beratungen und Gesetzgebungsverfahren transparent und öffentlich zugänglich zu machen.
Denn selbst wenn die Gefahr besteht, dass das Feedback der Bürger an einer Hand abzuzählen ist, kann sich dann keiner mehr über eine unerwünschte Einflussnahme beschweren und das Unwort Lobbyismus verliert vielleicht seinen anrüchigen Charakter beziehungsweise – noch wichtiger – seine Bedeutung im Gesetzgebungsprozess. Wenn LobbyPlag einen Teil dazu beitragen kann, wäre schon viel gewonnen.