Man stelle sich vor, die Bundesnetzagentur würde ankündigen, einfach ein ganzes Bündel an freien Funkfrequenzen zum Aufbau kostenloser WLAN-Netzwerke zur Verfügung zu stellen, mit denen dann große Teile Deutschlands überzogen werden sollen. Ohne Milliardenversteigerung, Lizenzk(r)ampf und teure Tarife. Einfach so – zum Wohl der Allgemeinheit, die dann an vielen Stellen kostenlos im Netz surfen oder telefonieren könnte. Klar, ihr werdet nun sagen, klingt gut, ist aber aus verschiedenen Gründen völlig unrealistisch.
Ihr habt zweifelsohne Recht.
FCC will TV-Funkfrequenzen in Gemeingut überführen
In den USA hat die Regulierungsbehörde FCC nach Informationen der „Washington Post“ nun allerdings eine entsprechende Initiative gestartet und vorgeschlagen, bestimmte Funkfrequenzen zur lizenzfreien Nutzung mit kostenfreien öffentlichen WiFi-Netzen freizugeben. Der Plan ist Teil einer breit angelegten Strategie, im Rahmen derer zahlreiche Frequenzen neu geordnet und anderen Zwecken zugewiesen werden sollen – etwa um einen dedizierten Notruf-Kanal zu schaffen. Laut dem Blatt unterstützen sowohl die US-Regierung als auch große Teile der Industrie das WiFi-Projekt, darunter ebenfalls Google und Microsoft, die sich einen Schub im Absatz internetfähiger Endgeräte sowie einen Innovationssprung bei mobilen Webdiensten und dem oft zitierten „Internet der Dinge“ erhofften.
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Grundlage der Idee sind (ehemalige) TV-Funkfrequenzen, die aufgrund ihrer Eigenschaften natürliche Hindernisse wie dicke Betonmauern, Berge oder Wälder überwinden und so zum Aufbau großflächiger WLAN-Netze in Städten und ländlichen Gegenden taugen. Ziel der FCC ist es dabei, nahezu jeden Ballungsraum sowie viele weitere Landstriche mit drahtlosem Gratis-Internet zu versorgen. Das Überall-Netz soll zudem neuartige Anwendungen befördern, etwa im Bereich der Car-to-Car-Kommunikation oder im Gesundheitswesen. In versorgten Gebieten wäre es darüber hinaus möglich, via VoIP kostenlos zu telefonieren oder ohne eigenen Web-Anschluss im Netz zu surfen. Ein Gratis-Eldorado der Netzgesellschaft, das vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten an den Möglichkeiten des Internets teilhaben lassen soll.
US-Kommunikationskonzerne machen mobil
Dementsprechend wenig begeistert von den Plänen zeigen sich die großen US-Telekommunikationskonzerne AT&T, T-Mobile und Verizon Wireless, sehen sie doch massiv ihr Geschäftsmodell gefährdet. In der Riege der Anti-Trommler finden sich zudem Branchengrößen wie Intel oder Qualcomm, die bei Freigabe der Frequenzen eine Überlastung der Netze sowie Störungen bestehender Dienste befürchten und dafür plädieren, die Frequenzen zum Ausbau der bestehenden LTE-Netze einzusetzen – quasi Transrapid für Wenige statt Straßenbahn für Viele.
Natürlich haben dabei auch Intel und Qualcomm eigene Interessen im Hinterkopf – wer kauft schon teure 4G-Technik, wenn es in weiten Teilen auch ein lausiges Standard-WLAN mit Billig-Komponenten tut. Dementsprechend geißelt Peter Pirsch, Intel-Chefsprecher, den Vorschlag in einem Brief an die FCC auch als drohende Investitionsbremse für teures Netzwerk-Equipment. Schützenhilfe erhält er unter anderem von einigen republikanischen Abgeordneten, die der „Post“ zufolge auf potenzielle Milliardeneinnahmen für die US-Staatskasse verweisen, welche sich aus einer regulären Versteigerung der Frequenzen ergäben. Für eine bankrotte Weltmacht durchaus gewichtige Argumente, die auch der FCC vor kurzem noch nicht fremd waren.
Endkunden- statt Anbieter-Interessen
Nun kontert die Behörde hingegen mit einem Paradigmenwechsel in ihrer Politik und gibt sich betont volksnah. Man wolle künftig weniger die Anbieter und mehr die Endkunden in den Mittelpunkt der eigenen Entscheidungen stellen, so ein FCC-Offizieller hinter vorgehaltener Hand. Noch gilt es dabei neben den politischen aber auch andere Hürden zu nehmen. So gehören einige der quasi-verplanten Frequenzen bislang lokalen Rundfunksendern, die erst einmal überzeugt werden müssen, darauf zu verzichten. Ebenfalls unklar ist, wer die notwendige Infrastruktur finanzieren und betreiben soll.
Ob das FCC-Projekt also jemals – gegen die Interessen von Milliardenkonzernen – umgesetzt wird, darf zumindest bezweifelt werden. Allerdings ist allein die Diskussion über eine Art kostenloses öffentliches Internet-Basisangebot ein Schritt in die richtige Richtung, der auch in Bonn und Berlin gern zur Kenntnis genommen werden darf. Vielleicht ergeben sich dann ja auch für die hierzulande geführte Diskussion um Störerhaftung und WLAN-Mitbenutzung neue Impulse.
Update: Vieles bleibt unklar
Bei einigen Angaben hat sich die Autorin der „Washington Post“ offenbar etwas sehr weit aus dem Fenster gelehnt und Altbekanntes mit etwas Wunschdenken und ein paar Fakten vermixt. Ein Beitrag von „Ars Technica“ stellt Teile des „Post“-Artikels jedenfalls infrage. (Danke an Flo für den Hinweis)
Bild: Daquella manera (CC BY 2.0)