Was für ein Erdrutsch – das Ende ist nah. Schnappt euch schnell eure Bilder, bevor vielleicht schon morgen alles vorbei ist, denn die große Instagram-Flucht hat bereits begonnen. Wenn ihr nicht schnell genug reagiert, werdet ihr euch fühlen, wie der Administrator einer StudiVZ-Gruppe – wirklich sehr, sehr einsam. Nein, im Ernst: Wie unter anderem „t3n“ heute vermeldet, hat sich die täglich aktive Nutzerschaft (DAU) von Zuckerbergs Bilderdienst innerhalb weniger Wochen dramatisch halbiert – angeblich aufgrund der Mitte Dezember vermeldeten AGB-Änderung, die für reichlich Wirbel gesorgt hatte. Das Portal bezieht sich dabei auf Daten von AppStats. Ursprung des Ganzen ist zudem wohl nicht zuletzt eine reißerische Meldung der britischen „Daily Mail“ von Ende vergangener Woche, in der ebenfalls von einem 50-Prozent-Einbruch die Rede ist. Diese wiederum war womöglich die konsequente Fortsetzung eines Beitrags der „New York Post“ vom 27. Dezember – weitere Glieder in der medialen Hysteriekette nicht ausgeschlossen.
„Nicht hyperventilieren“
Die Sache klingt aber eben auch zu schön: da wollte ein Unternehmen heimlich seine Nutzer über den Tisch ziehen, ist dabei aufgeflogen und erhält nun die verdiente Quittung. Fast schon eine Geschichte für das ZDF-Abendprogramm. Als Schlagzeile zudem unbezahlbar – wenn sie denn wirklich so stimmen würde. Denn vieles an der Sache ist durchaus eine Frage des Blickwinkels, lässt sich aber längst nicht so effektheischend verkaufen. Der Blogger Daniel Rehn hat diesen Umstand ironisch auf den Punkt gebracht und uns allen vorsorglich geraten, „nicht zu hyperventilieren“ (Alles klar, ich bemühe mich).
Rehn weist richtigerweise darauf hin, dass sich ein Nutzerrückgang auch als temporäres Phänomen entpuppen kann – immerhin ist die große Aufregung um die AGB-Änderung bei Instagram gerade einmal wenige Wochen her. Zwar geht die Zahl der täglich aktiven Nutzer sichtbar nach unten, die Anzahl der monatlich aktiven Mitglieder (MAU) legt hingegen tendenziell zu. Womöglich hat Instagram also vor allem in der Gruppe der (professionellen) Heavy User Vertrauen eingebüßt, während der allgemeine Zuwachs weiter anhält.
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Kausaler Zusammenhang nicht eindeutig erkennbar
Interessant ist zudem der Zeitpunkt des Einbruchs bei den täglich aktiven Nutzern. Dieser fällt wie zu erwarten exakt auf den Tag, als großflächig über die AGB-Änderungen berichtet wurde. Schon einen Tag später ist der Wert aber wieder auf dem Niveau des Tages vor der Ankündigung – und bleibt in diesem Bereich bis zum Wochenende vor Weihnachten, also einem Zeitpunkt, als Instagram-Gründer Kevin Systrom längst seinen zweiten „Sorry-Post“ veröffentlicht hatte. Erst danach geht es stetig, aber eben langsam bergab – bis zum heutigen Tag, an dem sogar ein leichter Zuwachs erkennbar ist.
Auf einen plötzlichem Einbruch oder gar eine Massenflucht weist hier eigentlich nichts hin, hätte diese doch eigentlich bereits ab dem 18. Dezember einsetzen müssen. Darauf also einen kausalen Zusammenhang auf die AGB-Änderung herauszulesen (ohne etwaige andere Erklärungsmuster überhaupt in Betracht zu ziehen), wie es vor allem auch AppStats kaum eine Woche später selbst getan hat, halte ich nicht nur für äußerst vermessen, sondern für willkürlich. Ein Schelm, wer böses dabei denkt: Mehr Publicity dürfte AppStats in den letzten Jahren kaum in dieser geballten Form bekommen haben.
Beliebiges Stochern im Nebel
Und auch wenn der vorhandene Rückgang bei Zuckerberg und Systrom nicht gerade Freudentänze auslösen dürfte, wie der sichere Abgesang auf Instagram sieht dieser nicht aus. Zudem sollte ein weiterer Punkt nicht unterschlagen werden: AppStats misst lediglich Zugriffe von Nutzer, die ihren Facebook-Account mit Instagram verbunden haben. Allein deshalb bilden die Zahlen nur einen Ausschnitt ab und taugen eher als Stimmungsbarometer. Panik ist da fehl am Platz.
Zweifelsohne ist die Stimmung für Instagram im Nachhall der AGB-Bruchlandung derzeit negativ, sind doch viele Nutzer im Zuge des Aufruhrs erst auf die Idee gebracht worden, nach Alternativen zu suchen. Manche werden daher Instagram dauerhaft den Rücken kehren, manche werden bleiben und wiederum andere werden zurückkommen – aus den gleichen Gründen, warum sie sich schon einmal für die Plattform entschieden haben. Angesichts des schmalen Zeitausschnittes ist aber jede Deutung möglicher Beweggründe nicht viel mehr, als ein beliebiges Stochern im Nebel.
Klar ist nur eines: Wirklich gefährlich wird es für Instagram erst, wenn Berichte über einen Niedergang zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Wenn sich in den Köpfen festsetzt, dass der Fotodienst irgendwie nicht ganz koscher ist, man daher besser die Finger davon lässt. Unbedingte Transparenz heißt daher das Mittel, dass den schwankenden Instagram-Blutdruck wieder dauerhaft auf Normalmaß bringt.
Grafiken: AppStats