Ich liebe Messen. Vor Ort sein ist das Größte. Es ist Jahre her, da kam ich in den Genuss live von der CeBIT in Hannover berichten zu dürfen. Schön im Anzug auf dicke Hose, den blauen Presse-Ausweis um den Hals. Hostessen Produkte betrachtet, Visitenkarten getauscht, wurde ich auf jedem Stand mit einem Lächeln empfangen, ganz egal ob Fachpresse oder nicht. Messe, das ist die Zeit im Jahr, in der man als Fachjournalist seine eigene Wissbegierde nach Neuem befriedigt. Sich wichtig vorkommt. Da heißt es früh aufstehen, den vormittaglichen Terminplan nach möglichen Journalistenbuffets ausrichten, zu Fuß viele Meter machen – und eben auf der Suche nach den Perlen sein, die abseits der Pressekonferenzen darauf warten, gefunden zu werden. Leider hat das Budget dieses Jahr (noch?) nicht für einen Besuch der CES in Las Vegas ausgereicht. Daher muss ein Blick auf die bisherigen Entwicklungen in der Wüstenstadt aus der Ferne genügen.
Samsung und LG ernüchtern
Die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas ist in jedem Frühjahr der erste Indikator dafür, wohin sich die Elektronikwelt in den folgenden Monaten noch bewegen wird. In diesem Jahr leider bisher aber auch nicht mehr als das, blieben große und gleichzeitig bezahlbare Innovationen mit Aha-Effekt doch aus. Beim Livestream der LG-Pressekonferenz am späten Montagabend konnte ich kaum die Augen offen halten, so sehr strengte es mich an, altbekannte „Neuheiten“ wie das Optimus G verkauft zu bekommen, als seien sie die Neuerfindung des Rades. Weiter ging es mit bulligen, grobschlächtigen Nutzgeräten wie Waschmaschinen, Kühlschränken und Trocknern, deren Aneinanderreihung von Superlativen und Energy-Star-Zertifizierungen den Metallklötzen ebenso wenig Sexiness einhauchte, wie die schon Jahre alte Idee des vernetzten Zuhauses. Highlight war hier der nur 4 Millimeter dünne, 55 Zoll große und unter 10 Kilogramm schwere OLED-Fernseher, dessen Preis mit 10.000 US-Dollar allerdings fernab gutbürgerlicher Haushaltsbudgets angesiedelt ist. Doch das ist Nebensache, ist das Aufzeigen von Trends in Forschung und Entwicklung ja durchaus auch ein Sinn, den Messen inne haben.
Weiter ging’s mit Samsung. Hier sorgte immerhin ein in seiner Hässlichkeit durchaus innovativer Ultra-HD-Fernseher namens S9000 für ein Zucken im Mundwinkel. Man kann sich wirklich nur fragen, nach welchen Regeln der Ästhetik die Designabteilung der Koreaner hier den Pinsel geschwungen hat. Womöglich sollten die beiden wuchtigen Standfüße an das jahrzehntelang bestehende Referenzdesign für frei stehende Schultafeln erinnern und beim Betrachter romantische Gefühlsstürme und Erinnerungen an die unbeschwerten Lehrjahre zu Tage bringen. Freche Idee. Trotzdem unschön. Eleganz ist anders. Vielleicht war der 85 Zoll große S9000 aber auch nur ein stark verfrühter und verdammt teurer Aprilscherz, geht die Designlinie der hochpreisigen F-Serie von Samsung doch in eine ganz andere, sehr viel unaufdringlichere Richtung. Hoffen wir mal.
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Doch genug der Häme. Kann man LG und Samsung doch eigentlich keinen Vorwurf machen – die wirklich prickelnden, bezahlbaren und vor allem greifbaren Innovationen sind schließlich auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona zu erwarten, der schon Ende Februar stattfindet. Schließlich strahlen alltägliche elektronische Begleiter, die man oftmals am Tag berührt und von denen aus (so traurig diese Entwicklung eigentlich ist) man einen nicht zu vernachlässigenden Teil seines sozialen Lebens koordiniert eine weitaus höhere Anziehungskraft aus, als ein Fernsehgerät, das man sich ins Wohnzimmer stellt und anschaut.
Intel zeigt vierte Ultrabook-Generation
Widmen wir uns kleineren elektronischen Geräten. Die vierte Generation von Intel Ultrabooks namens „North Cape“ dürfte noch in diesem Jahr an den Start gehen und besticht durch scharfe und vor allem schlanke Formen. Der Fokus liegt auf Convertibles, also einer Mischung aus Tablet und Notebook. Der in Las Vegas gezeigte Prototyp ist nur 17 Millimeter dick. Bei einer Akku-Laufzeit von bis zu 13 Stunden im Tastaturen-Dock, lässt sich so manches Dokument anfertigen. Scheinbar hat Asus mit seiner Eee Pad Transformer-Serie hier einen Trend gesetzt, den Intel nun aufgreift und mit eigenen leistungsfähigen Chips Hand in Hand mit Windows 8 massentauglich macht. Das macht doch Lust auf mehr.
Die neue Ultrabook-Generation namens „North Cape“ zielt auf Konvertibilität.
Bei Panasonic stehen die Zeichen wie bei vielen anderen CES-Ausstellern auf Ultra-HD oder 4K. Neben verschiedensten Viera-Flimmerkisten stand auf der Keynote des Unternehmens auch ein satte 20 Zoll großer, aber nur 2,4 Kilogramm schwerer Tablet-Computer im Fokus. Mit einer Auflösung von 3840 x 2560 Pixeln und starker Intel-Hardware sollte der flache Rechner nicht nur dazu in der Lage sein Bilder, eBooks oder Dokumente anzuzeigen – auch Filme, Videobearbeitung oder sonstige rechenintensive Anwendungen finden keinen Flaschenhals. Windows 8, der mit 1,8 Gigahertz getaktete Core i5, 128 Gigabyte (GB) SSD und vier GB Arbeitsspeicher in Verbindung mit der großen, kontrastreichen IPS-Bedienfläche dürfte auf jeden Fall eine Nische finden – womöglich Fotografen und Grafiker? Für die breite Masse dürfte das Tablet jedenfalls weniger interessant sein, sprengen die Abmessungen doch jegliche spontane Mobilität. Die Kennzahlen des Displays sorgen allerdings bei jedem Technikfan für übermäßigen Speichelfluss. Nett. Sehr nett.
Filigrane Handschmeichler-Neuheiten – es gibt sie doch
Trotz nahendem MWC haben es sich einige Smartphone-Hersteller nicht nehmen lassen, ihre Neuen schon in Las Vegas vorzuführen. Hier fiel mir besonders Huawei ins Auge. Der chinesische Netzwerkriese, der hierzulande bisher eher durch Discount-Androiden auffällig wurde, wildert sehr bald in den oberen Preissegmenten. Mit dem Ascend D2 geht es noch in diesem Monat in China und im Sommer in Europa auf Kundenfang. Dabei geben sich die Macher aus Fernost selbstbewusst, sprechen bei der Vorstellung des D2 fast pausenlos in Superlativen und sind sich augenscheinlich sicher, in Zukunft auch auf westlichen Märkten zu wachsen. Das D2 hat jedenfalls das Zeug dazu: 5 Zoll großes Full-HD-Display mit 443 Pixel pro inch, 2 GB RAM, 32 GB Speicher, ein 3.000 mAh starker Akku und ein Gehäuse aus Aluminium. Um nur einige Eckdaten zu nennen. Mehr zu den Huawei-Neuheiten finden sich hier. Interessant: Huawei bringt mit dem Ascend W1 sehr bald auch sein erstes Windows Phone. Da stellt sich scheinbar jemand äußerst breit auf – na, wenn man das Zeug dazu hat!?
Außerdem ins Auge des Smartphone-Liebhabers fiel das neue Sony-Flaggschiff, das auf den Namen Xperia Z getauft wurde. Vollbrüstig von Sony-Chef Kazuo Hirai als „Superphone“ bezeichnet, ist das Design des neuen Androiden tatsächlich sehr klar, zeitlos und wenig verspielt. Allerdings fällt es schwer, bei dem unaufhaltsamen Fortschreiten im Smartphone-Sektor krachende Alleinstellungsmerkmale auszumachen. Fast schade, ist das 5 Zoll große Xperia Z dank Quad-Core-Prozessor, Full-HD-Display, LTE und NFC doch eigentlich dafür prädestiniert, neue Maßstäbe zu setzen. Tut es aber nicht, bietet sogar „Highclass-Underdog“ Huawei mit dem zuvor genannten D2 doch schon jetzt ein Gegenstück, das dem Xperia Z in kaum etwas nachsteht. Wettbewerb kann so schmerzlich hart sein.
So viel vom digitalen Messerundgang der ersten beiden Tage der CES. Da die Veranstaltung dominiert wird von höchstauflösenden aber für die Masse derzeit noch unbezahlbahren TV-Geräten mit Ultra-HD (4K), bleibt in anderen Elektronik-Segmenten noch viel Luft für kommende Termine. Der Trend ist klar: hohe Auflösungen sind überall, jetzt sogar in fünf Zoll großen mobilen Rechenkästchen. Allerdings nimmt das HD-Zeitalter mit 1080p dank der Blu-Ray erst so langsam richtig Fahrt auf, wird womöglich aber schon in naher Zukunft abgelöst von Ultra-HD. Das macht doch Lust auf alles was da noch so kommen mag.
Die CES ist zwar noch lange nicht vorbei, allerdings sind die Elektronikriesen schon abgefrühstückt und haben ihr Pulver verschossen. In den nächsten Tagen könnten möglicherweise noch Bang & Olufsen und ZTE (vielleicht ein wenig mit dem Grand S, immerhin das dünnste 5-Zoll-Smartphone mit Quad-Core-Antrieb der Welt) für Überraschungen sorgen, ansonsten sticht auf dem Presse-Terminplaner nicht wirklich etwas Bahnbrechendes heraus. Sollte man also schon jetzt seine Blicke nach Barcelona richten? Wer wie ich intelligente Begleiter in kleinem Format liebt tut jedenfalls nicht schlecht daran.