Ach ja, das Kleingedruckte. Seitenlange Texte, die unscheinbar wirken (sollen), in denen aber die Essenz jedes digitalen Angebotes verzeichnet ist. Quasi ein Grundgesetz, dem Jeder zustimmen muss, andernfalls bleibt er außen vor. Die Zustimmung geschieht in der Regel entweder allein durch die Nutzung eines Dienstes, oder einen Mausklick, kaum eine Sekunde lang. Was damit im Einzelnen genau abgesegnet wird, ist dem Großteil der Nutzer weder bekannt noch wirklich wichtig. Aufmerksamkeit erfahren die endlosen Regeln und Pflichten daher maximal dann, wenn ihre Änderung ansteht. Oft geht es um juristische Formalitäten, in einigen Fällen bergen die Neufassungen jedoch auch versteckte Sprengsätze.
Fragliche Formulierungen
Eine dieser Bomben tickt gerade unter Instagram. Und die Zündschnur glimmt bereits. Denn Eigentümer Facebook hat offenbar große Pläne mit dem Bilder-Dienst. Die Voraussetzung dafür bilden allerdings neue Datenschutz- und Nutzungsbedingungen, die ab dem 16. Januar kommenden Jahres in Kraft treten sollen. Darin räumt sich Instagram unter anderem das Recht ein, Fotos seiner Nutzer auf eigene Rechnung zu vermarkten – ohne entsprechende Vergütung. Nicht einmal eine Information über die Weiterverwertung soll es geben, obwohl die Bilder offiziell weiter im Besitz der Nutzer verbleiben – eine interessante Logik. Fotos dürften dann beliebig von Instagram an Unternehmen oder Organisationen lizensiert werden, auch für Werbezwecke. Im Original klingt das so:
„To help us deliver interesting paid or sponsored content or promotions, you agree that a business or other entity may pay us to display your username, likeness, photos (along with any associated metadata), and/or actions you take, in connection with paid or sponsored content or promotions, without any compensation to you.“
Oder wie es die „New York Times“ in ihrem Bits Blog so schön ausdrückt: „You could star in an advertisement – without your knowledge“. Für manche vielleicht ein Traum, allerdings tatsächlich wohl weniger wert, als eine Statistenrolle bei „Gladiator“. Zudem kann es demnach im ungünstigsten Fall abgebildete Personen treffen, die nicht einmal einen Instagram-Account besitzen – vom Schnappschuss am Strand auf die Werbetafel am Times Square. Tolle Vorstellung. Und das alles natürlich ohne Haftung. Hat ein Nutzer etwa ein urheberrechtlich geschütztes Werk gespeichert, das von Instagram dann verwendet wird, dann wäscht der Dienst seine Hände proaktiv in Unschuld.
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Noch ist nichts sicher
Aber halt: Wenn es denn wirklich so kommt. Noch ist völlig unklar, ob hinter den spitzfindigen Formulierungen tatsächlich finstere Monetarisierungspläne auf Kosten der eigenen Nutzer stehen. Während dies zwar vielfach unterstellt wird, gibt es auch gegenteilige Einschätzungen. Ruft man sich aus dem Hinterkopf aber die kürzlich bekannt gewordenen Pläne Facebooks hervor, ein eigenes Werbenetzwerk aufzubauen, wirkt der Schritt dann doch irgendwie sehr passend, ließe sich doch so vielleicht das Fundament für eine eigene Bildagentur legen.
Die unerschöpfliche Fotoquelle, die sich die Facebook-Juristen da möglicherweise still und heimlich zurechtbasteln wollen, droht nun aber ohnehin aufgrund der steigenden Aufregung vorzeitig zu versiegen. Zum einen kündigen sich bereits rechtliche Probleme an (so verstoßen bestimmte Punkte der neuen Nutzungsbedingungen in einigen US-Bundesstaaten offenbar gegen bestehende Gesetze; von hiesigen Datenschutzbestimmungen ganz zu schweigen), zum anderen haben zahlreiche Instagram-Nutzer der Plattform bereits aus Protest den Rücken gekehrt, die Empörung ist groß. Auch auf Twitter gewinnt das Thema an Präsenz:
Im Zweifel besser Account löschen
Und tatsächlich bleibt im Zweifelsfall offenbar keine Wahl, als den Stecker zu ziehen und die eigene Fotosammlung vom Server zu löschen. Denn nur wer vor dem 16. Januar reagiert, kann die Bilder zuverlässig vor dem Zugriff der Facebook-Instagram-Vermarkter sichern. Nutzer, die sich erst danach zur Löschung ihres Kontos entschließen, haben keine Gewähr, dass ein Kleinod ihrer Sammlung nicht doch eines Tages in einem Hochglanzprospekt auftaucht. Eine offizielle Stellungnahme von Facebook oder Instagram, die viele Bedenken zerstreuen könnte, steht jedenfalls noch aus. In dieser Situation wirkt ein solches Schweigen allerdings eher verdächtig, als beruhigend – und schadet wohl Instagram am meisten.
Aber ist die Aufregung eigentlich prinzipiell gerechtfertigt, nur wegen einigen belanglosen Fotos, über die zum Aufhübschen ein paar Filter gezogen worden sind? Hat die Mehrheit der Instagram-Nutzer überhaupt so wertvolles Bildmaterial zu bieten? Aus meiner Sicht sind die Antworten darauf eigentlich unerheblich. Unabhängig von der tatsächlichen Intention der AGB-Änderungen ist eine Diskussion darüber gut und notwendig, wie weit werbebasierte Geschäftsmodelle eigentlich gehen sollten.
Update
Doch nur viel Lärm um nichts? Zumindest aus Sicht der deutschen Facebook-Sprecherin Tina Kulow ist die Aufregung übertrieben. Laut heise.de erklärte Kulow bei Facebook: „Instagram ist nicht in dem ‚Fotoverkaufsbusiness‘. Alles andere ist Spekulation.“ Die Regelungen von anderen Diensten seien sehr ähnlich; wenn man sich Services im Internet anschaue, brauche man bestimmte Genehmigungen, um zum Beispiel Daten mit einem anderen Service oder einem Account zu verknüpfen. Sollte es sich wirklich um einen ganz normalen Allerweltsvorgang handeln, müssen sich Facebook und Instagram aber zumindest fragen, warum so lange keinerlei Reaktion auf die offensichtlich vorhandenen Befürchtungen vieler Nutzer erfolgt ist.
Update 2
Und da ist sie endlich, die Stellungnahme von Instagram. Im hauseigenen Blog erklärte Mitgründer Kevin Systrom nun ausführlich, was die Änderungen der neuen Nutzungsbedingungen im Kern bedeuten. Zudem sollen die umstrittenen Passagen klarer formuliert beziehungsweise ganz gestrichen werden. Systrom betonte noch einmal, dass es nicht die Intention von Instagram sei, Fotos zu verkaufen und die Bilder allein den Nutzern gehörten. Auch räumte er Kommunikationsfehler ein. „Änderungen, die wir vornehmen, müssen wir eindeutig kommunizieren – das ist unsere Pflicht euch gegenüber.“ Dieses Statement kommt spät, aber wohl noch rechtzeitig. Dennoch: Wäre die Ankündigung vor zwei Tagen ebenfalls mit dieser Klarheit und Ausführlichkeit ausgefallen, hätte es den Trubel darum sicher nicht gegeben. Kommunikation ist eben alles.
Update 3
Nun rudert Instagram vollständig zurück und will offensichtlich auch die letzten Zweifler besänftigen. Es hat den Anschein, als ob die letzte Klarstellung von Kevin Systrom ihren Zweck als Beruhigungsmittel noch verfehlt hat. Zumindest hat der Instagram-Mitgründer in einem weiteren Blog-Eintrag Versäumnisse bei der Vermittlung der neuen Nutzungsbedingungen eingeräumt und eine Entschuldigung hinterhergeschoben. Darüber hinaus erklärte Systrom, die umstrittene Passage zur Werbevermarktung werde nun vollständig zurückgenommen, die bisherige Regelung von Oktober 2010 bleibt also weiter bestehen, und es habe eine kleinere Änderung an den Datenschutzbestimmungen gegeben, um deren Bedeutung stärker hervorzuheben. Gleichzeitig sollen die Monetarisierungspläne zunächst genau ausgearbeitet und durchdacht werden, bevor man erneut an die Öffentlichkeit gehen will. Sämtliche Änderungen treten am 19. Januar 2013 in Kraft.