Sonstiges

Aufregung um neue AGBs: Instagram räumt sich das Recht zur Vermarktung von Nutzerfotos ein (Update 3)

geschrieben von Christian Wolf

Ach ja, das Kleingedruckte. Seitenlange Texte, die unscheinbar wirken (sollen), in denen aber die Essenz jedes digitalen Angebotes verzeichnet ist. Quasi ein Grundgesetz, dem Jeder zustimmen muss, andernfalls bleibt er außen vor. Die Zustimmung geschieht in der Regel entweder allein durch die Nutzung eines Dienstes, oder einen Mausklick, kaum eine Sekunde lang. Was damit im Einzelnen genau abgesegnet wird, ist dem Großteil der Nutzer weder bekannt noch wirklich wichtig. Aufmerksamkeit erfahren die endlosen Regeln und Pflichten daher maximal dann, wenn ihre Änderung ansteht. Oft geht es um juristische Formalitäten, in einigen Fällen bergen die Neufassungen jedoch auch versteckte Sprengsätze.

Fragliche Formulierungen

Eine dieser Bomben tickt gerade unter Instagram. Und die Zündschnur glimmt bereits. Denn Eigentümer Facebook hat offenbar große Pläne mit dem Bilder-Dienst. Die Voraussetzung dafür bilden allerdings neue Datenschutz- und Nutzungsbedingungen, die ab dem 16. Januar kommenden Jahres in Kraft treten sollen. Darin räumt sich Instagram unter anderem das Recht ein, Fotos seiner Nutzer auf eigene Rechnung zu vermarkten – ohne entsprechende Vergütung. Nicht einmal eine Information über die Weiterverwertung soll es geben, obwohl die Bilder offiziell weiter im Besitz der Nutzer verbleiben – eine interessante Logik. Fotos dürften dann beliebig von Instagram an Unternehmen oder Organisationen lizensiert werden, auch für Werbezwecke. Im Original klingt das so:

„To help us deliver interesting paid or sponsored content or promotions, you agree that a business or other entity may pay us to display your username, likeness, photos (along with any associated metadata), and/or actions you take, in connection with paid or sponsored content or promotions, without any compensation to you.“

Oder wie es die „New York Times“ in ihrem Bits Blog so schön ausdrückt: „You could star in an advertisement – without your knowledge“. Für manche vielleicht ein Traum, allerdings tatsächlich wohl weniger wert, als eine Statistenrolle bei „Gladiator“. Zudem kann es demnach im ungünstigsten Fall abgebildete Personen treffen, die nicht einmal einen Instagram-Account besitzen – vom Schnappschuss am Strand auf die Werbetafel am Times Square. Tolle Vorstellung. Und das alles natürlich ohne Haftung. Hat ein Nutzer etwa ein urheberrechtlich geschütztes Werk gespeichert, das von Instagram dann verwendet wird, dann wäscht der Dienst seine Hände proaktiv in Unschuld.


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Noch ist nichts sicher

Aber halt: Wenn es denn wirklich so kommt. Noch ist völlig unklar, ob hinter den spitzfindigen Formulierungen tatsächlich finstere Monetarisierungspläne auf Kosten der eigenen Nutzer stehen. Während dies zwar vielfach unterstellt wird, gibt es auch gegenteilige Einschätzungen. Ruft man sich aus dem Hinterkopf aber die kürzlich bekannt gewordenen Pläne Facebooks hervor, ein eigenes Werbenetzwerk aufzubauen, wirkt der Schritt dann doch irgendwie sehr passend, ließe sich doch so vielleicht das Fundament für eine eigene Bildagentur legen.

Die unerschöpfliche Fotoquelle, die sich die Facebook-Juristen da möglicherweise still und heimlich zurechtbasteln wollen, droht nun aber ohnehin aufgrund der steigenden Aufregung vorzeitig zu versiegen. Zum einen kündigen sich bereits rechtliche Probleme an (so verstoßen bestimmte Punkte der neuen Nutzungsbedingungen in einigen US-Bundesstaaten offenbar gegen bestehende Gesetze; von hiesigen Datenschutzbestimmungen ganz zu schweigen), zum anderen haben zahlreiche Instagram-Nutzer der Plattform bereits aus Protest den Rücken gekehrt, die Empörung ist groß. Auch auf Twitter gewinnt das Thema an Präsenz:


Im Zweifel besser Account löschen

Und tatsächlich bleibt im Zweifelsfall offenbar keine Wahl, als den Stecker zu ziehen und die eigene Fotosammlung vom Server zu löschen. Denn nur wer vor dem 16. Januar reagiert, kann die Bilder zuverlässig vor dem Zugriff der Facebook-Instagram-Vermarkter sichern. Nutzer, die sich erst danach zur Löschung ihres Kontos entschließen, haben keine Gewähr, dass ein Kleinod ihrer Sammlung nicht doch eines Tages in einem Hochglanzprospekt auftaucht. Eine offizielle Stellungnahme von Facebook oder Instagram, die viele Bedenken zerstreuen könnte, steht jedenfalls noch aus. In dieser Situation wirkt ein solches Schweigen allerdings eher verdächtig, als beruhigend – und schadet wohl Instagram am meisten.

Aber ist die Aufregung eigentlich prinzipiell gerechtfertigt, nur wegen einigen belanglosen Fotos, über die zum Aufhübschen ein paar Filter gezogen worden sind? Hat die Mehrheit der Instagram-Nutzer überhaupt so wertvolles Bildmaterial zu bieten? Aus meiner Sicht sind die Antworten darauf eigentlich unerheblich. Unabhängig von der tatsächlichen Intention der AGB-Änderungen ist eine Diskussion darüber gut und notwendig, wie weit werbebasierte Geschäftsmodelle eigentlich gehen sollten.

Update

Doch nur viel Lärm um nichts? Zumindest aus Sicht der deutschen Facebook-Sprecherin Tina Kulow ist die Aufregung übertrieben. Laut heise.de erklärte Kulow bei Facebook: „Instagram ist nicht in dem ‚Fotoverkaufsbusiness‘. Alles andere ist Spekulation.“ Die Regelungen von anderen Diensten seien sehr ähnlich; wenn man sich Services im Internet anschaue, brauche man bestimmte Genehmigungen, um zum Beispiel Daten mit einem anderen Service oder einem Account zu verknüpfen. Sollte es sich wirklich um einen ganz normalen Allerweltsvorgang handeln, müssen sich Facebook und Instagram aber zumindest fragen, warum so lange keinerlei Reaktion auf die offensichtlich vorhandenen Befürchtungen vieler Nutzer erfolgt ist.

Update 2

Und da ist sie endlich, die Stellungnahme von Instagram. Im hauseigenen Blog erklärte Mitgründer Kevin Systrom nun ausführlich, was die Änderungen der neuen Nutzungsbedingungen im Kern bedeuten. Zudem sollen die umstrittenen Passagen klarer formuliert beziehungsweise ganz gestrichen werden. Systrom betonte noch einmal, dass es nicht die Intention von Instagram sei, Fotos zu verkaufen und die Bilder allein den Nutzern gehörten. Auch räumte er Kommunikationsfehler ein. „Änderungen, die wir vornehmen, müssen wir eindeutig kommunizieren – das ist unsere Pflicht euch gegenüber.“ Dieses Statement kommt spät, aber wohl noch rechtzeitig. Dennoch: Wäre die Ankündigung vor zwei Tagen ebenfalls mit dieser Klarheit und Ausführlichkeit ausgefallen, hätte es den Trubel darum sicher nicht gegeben. Kommunikation ist eben alles.

Update 3

Nun rudert Instagram vollständig zurück und will offensichtlich auch die letzten Zweifler besänftigen. Es hat den Anschein, als ob die letzte Klarstellung von Kevin Systrom ihren Zweck als Beruhigungsmittel noch verfehlt hat. Zumindest hat der Instagram-Mitgründer in einem weiteren Blog-Eintrag Versäumnisse bei der Vermittlung der neuen Nutzungsbedingungen eingeräumt und eine Entschuldigung hinterhergeschoben. Darüber hinaus erklärte Systrom, die umstrittene Passage zur Werbevermarktung werde nun vollständig zurückgenommen, die bisherige Regelung von Oktober 2010 bleibt also weiter bestehen, und es habe eine kleinere Änderung an den Datenschutzbestimmungen gegeben, um deren Bedeutung stärker hervorzuheben. Gleichzeitig sollen die Monetarisierungspläne zunächst genau ausgearbeitet und durchdacht werden, bevor man erneut an die Öffentlichkeit gehen will. Sämtliche Änderungen treten am 19. Januar 2013 in Kraft.

Über den Autor

Christian Wolf

Christian Wolf wird am Telefon oft mit "Wulff" angesprochen, obwohl er niemals Bundespräsident war und rast gerne mit seinem Fahrrad durch Köln. Er hat von 2011 bis 2014 für BASIC thinking geschrieben.

23 Kommentare

  • Ein heute weit verbreiteter Fehler: AGB ist bereits Plural, daher muss kein „s“ mehr angehängt werden, auch in dieser Überschrift. Wahrscheinlich einer der beliebtesten Rechtschreibfehler in Deutschland.

    • Einerseits hast du Recht, andererseits müsste es dann ja auch beispielsweise bei LKW so sein. Und nun schau mal doch mal, was der Online-Duden da sagt 😉 (Plural: die Lkw[s]). Offenbar doch nicht immer so eindeutig…

  • Nennt sich so etwas nicht „Enteignung“?
    Wo bleiben hier die staatlichen Urheberrechsverfechter oder Kümmern sie sich nur um die Belange großer Firmen oder Verlage?

  • @Christian:
    Autsch!
    1. DAs betrifft fotos die öffentlich gemacht worden sind.
    2. Damit räumt sich das Unternehmen das Recht ein, diese Fotos bspw. auf der eigenen HP zu promoten. Wie beispielsweise http://pinterest.com/
    3. Diese klausel gilt nur für instagramm selbst und die Muttergesellschaft. bspw. Facebook.
    4. Das gilt nicht für andere Unternehmen.

    entspannt schalfen gehen und agb interpretation den menschen überlassen, die ahnung haben.
    Ps: nicht böse für die ausdruckweise sein. 🙂

    • @ Mini:
      Autsch!
      1. Habe ich dem nirgends widersprochen.
      2. Geht das so direkt nicht aus den AGB(s) hervor, daher ja gerade die Verwirrung auf allen Seiten. Oder wie erklärst du Dir bitte die Flut an entsprechenden Berichten? Zudem habe ich darauf verwiesen, dass es auch gegenteilige Ansichten gibt und die „Alles-wird-verkauft“-Interpretation nur eine von vielen ist. Solltest du nicht gerade Jurist sein, ist deine Interpretation ebenfalls nur eine von vielen.
      3. Geht auch dies ja offensichtlich nicht direkt aus den AGB(s) hervor.
      4. Wäre das noch zu beweisen.

      entspannt schlafen gehen und das kommentieren vielleicht besser menschen überlassen, die den Text richtig gelesen haben.

      P.S. Ebenfalls nicht böse für die Ausdrucksweise sein. 🙂

  • @Christian Wolf:
    Naja beweisen muss man es nicht, denn auch bei flickr, pinterest, facebook und jeder fotocommunity aus den usa ist genau der selbe paragraph enthalten.
    Juristen Blogs in den USA durchschauen. ->Standard Paragraph um sich die Erlaubnis für eine solche Nutzung einzuholen.
    Den selben aufschrei gab es damals auch bei Facebook! War aber notwendig um eine timeline umzusetzten. Das amerikanische Gesetzt ist halt anders.
    PS: Tina Kulow von Facebook hat schon ein statement abgegeben. 😉

    • Sollte dem so sein, wäre die Aufregung übertrieben, das ist richtig. Werde ich mal checken. Ansonsten danke für den Hinweis auf das Statement, ist mit aufgenommen. 🙂

      Nachtrag:

      Zumindest bei Flickr stimmt deine Aussage nicht ganz. Dort gibt es so eine Passage nicht. Zudem nutzt Flickr die Fotos von Nutzern nach eigenen Angaben nur mit deren ausdrücklicher Genehmigung.

  • Noch lustiger würde es sicher wenn Microsoft oder Google anfangen die Rechte für alle Texte welche online mit Office 365 bzw. Google Docs erstellt wurden für sich zu Beanspruchen und zu Verkaufen.
    Sehr interessannt sicher auch für Codec wenn die MP3 Music oder der H.264 Film nur noch Eingeschränkt dem „Künstler“ gehören würden…

  • @Christian Wolf:
    auszug aus flickr Nutzungsbedinungen: (Klingt doch ähnlich der grad diskutierten nutzungsbedinungen?-es gibt auch eine für nicht öffentlich 9.2 ->lesen. 🙂
    9.3 Wenn Sie einen Inhalt in einen öffentlich zugänglichen Bereich von Yahoo! eingeben, gewähren Sie Yahoo!, den mit Yahoo! verbundenen Unternehmen und den Vertragspartnern von Yahoo! das gebührenfreie, nicht ausschließliche, unbefristete Recht, diesen Inhalt (ganz oder teilweise) weltweit zur Erbringung der im Rahmen des betreffenden Dienstes angebotenen Leistungen und zur Bewerbung der Dienste von Yahoo! zu nutzen. Für die Erbringung von Diensten ist es insbesondere erforderlich, dass die von Ihnen veröffentlichten Inhalte von Yahoo! gespeichert, auf Servern gehostet, zum Abruf bereitgehalten, technisch vervielfältigt, dargestellt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Zu den Leistungen von Yahoo! zählt auch, dass Yahoo! seinen Nutzern bei einigen Diensten gestattet, Teaser und/oder Auszüge von Inhalten – nicht aber vollständige Inhalte – auf deren Seiten unter Verwendung sog. RSS-Feeds darzustellen und öffentlich zugänglich zu machen, soweit diese Teaser und/oder Auszüge einen Link zu dem betreffenden Dienst enthalten.

    • Ok, ich sehe, wir reden ein wenig aneinander vorbei. Mir geht es speziell um den auch oben zitierten Passus, dass Inhalte zu Werbezwecken ohne Zustimmung verkauft werden können. Den finde ich bei Flickr / Yahoo nicht.

  • Egal was die deutsche Stimme von Instagramm sagt, es steht anders in den AGB (nicht eindeutig) ! Und DAS ist das einzige, was am ende zählen wird.

  • Schätze mal, das war der Versuchsballon.
    Facebook braucht Umsatz für die Aktionäre und Instagramm soll Geld machen. Aber die User laufen dank der AGB-Änderungen weg – als das auf Twitter die runde machte gestern, haben viele gleich ihren Acc gelöscht – und ohne User und schlechtem Image macht man nunmal kein Geld. Also heißt es jetzt zurück rudern und die User beruhigen.
    Und sobald etwas Gras über die Sache gewachsen ist schaut man mal, wie man doch Geld machen kann.

    Instagram ist nunmal kein Wohlfahrtsverein. Und das Einzige, womit sie Geld machen können, ist ihr Content, den die User liefern.
    Also wird garantiert wieder etwas in der Richtung folgen.

  • Ich bin sowieso kein Fan von Instagram… Für meinen Teil ist es absolut überflüssig und ich würde es auch nie benutzen…

  • Das war mir schon klar das dies früher oder später sowie bei Facebook geschieht. Einerseits will sich Instagramm schützen anderseits muss mann sich als user schon die auch die Gefahren bewusst sein.