Wenn Parteien eine gemeinsame Erklärung herausgeben, dann ist das zumindest ein bemerkenswerter Vorgang. Immerhin ist man sich im Alltagsgeschäft ansonsten für keine kleinliche Wortklauberei zu schade. Das geplante Leistungsschutzrecht für „guten Qualitätsjournalismus“ hat es geschafft, die Jugendorganisationen der großen Parteien so weit zu einen, dass man sich zur erwähnten gemeinsamen Erklärung hinreißen ließ. Die Linksjugend fehlt zwar wieder, was aber an der grundlegenden Ablehnung der Jungen Union und der Jungliberalen liegt, überhaupt auch nur irgendetwas mit der Linksjugend gemeinsam zu machen, wie die Jungen Piraten klar stellen. Anderenfalls hätte die Linksjugend die Erklärung vermutlich mitgezeichnet.
Was die Jusos, die Junge Union, die Jungen Liberalen, die Grüne Jugend und die Jungen Piraten zu Gehör bringen, ist knapp, aber unmissverständlich formuliert.
Wir lehnen die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage ab.
Derzeit stellen viele Verlage ihre Inhalte freiwillig kostenfrei und für jedermann zugänglich ins Netz. Sie tun dies, um öffentlich wahrgenommen zu werden und um Werbeeinnahmen zu generieren. Es gibt bereits jetzt die technischen Möglichkeiten, Inhalte im Netz dem Zugriff durch Suchmaschinen und News-Aggregatoren zu entziehen. Damit bleibt es den Verlagen unbenommen, den Zugriff und die Zugriffsbedingungen für ihre Inhalte zu steuern und auszugestalten. Eine Schutzlücke gibt es nicht. Es ist uns unbegreiflich, dass der Gesetzgeber der Argumentation der Verlegerverbände folgt, es müsse eine Lücke geschlossen werden.
Der Entwurf des Leistungsschutzrechts sieht die Pflicht zum Kauf von Lizenzen dann vor, wenn die Verlagsinhalte kommerziell genutzt werden. Unklar ist, wie mit den im Netz massenhaft vorhandenen Angeboten umgegangen werden soll, die nicht eindeutig als kommerziell oder privat zu werten sind – so etwa Blogs, die durch Werbung oder Micropayment-Dienste ebenfalls zu Erlösen führen können. Diese rechtliche Grauzone im Leistungsschutzrecht birgt für Bloggerinnen und Blogger sowie Nutzerinnen und Nutzer die Gefahr, von den Verlagen systematisch mit Klagen überzogen zu werden. Ein staatliches Eingreifen ist hier völlig unnötig und sogar schädlich.
Jusos, Junge Union, Grüne Jugend, Junge Liberale und Junge Piraten sind sich darin einig, dass dieser Eingriff in die freiheitliche Architektur des Internets nicht hinnehmbar ist. Es gibt keine Notwendigkeit für diese Innovationsbremse. Die Verlage müssen sich – wie andere Branchen auch – dem Strukturwandel stellen: Statt an analogen und nicht umsetzbaren Regelungen festzuhalten, sollten sie neue, an das Internet angepasste Geschäftsmodelle entwickeln.Deswegen fordern wir alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen auf, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.
Damit folgen die Jungpolitiker weitgehend der Argumentation Googles, die das Unternehmen umfassend auf einer eigens eingerichteten Kampagnenseite verbreitet. In einem seit dem heutigen Morgen als Transskript vorliegenden Interview des Senders Deutschlandradio stellt Googles Pressesprecher Kay Oberbeck im Streitgespräch mit Springer-Vertreter Christoph Keese die Position in knappen Worten noch einmal vor. Wer Oberbecks Aussagen liest, wird nicht umhin kommen, zu bemerken, dass diese sich nahezu wortgleich in der gemeinsamen Erklärung der Jungpolitiker wiederfinden, während die durch Keese vertretene Gegenposition keinerlei Aufnahme in diese Überlegungen gefunden zu haben scheint.
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Das erscheint mir zumindest fragwürdig. Natürlich ist es legitim, zu einem Ergebnis und zu einer klaren politischen Haltung zu gelangen und diese sodann deutlich zu vertreten. Allerdings gehört es zum guten Stil, sich mit den Gegenargumenten offen auseinander zu setzen und das im Text einer solchen Erklärung auch hinreichend zu dokumentieren. Das Timing der Erklärung legt den Schluss nahe, dass man sich quasi in allerletzter Sekunde informiert und zu einer Positionierung hat hinreißen lassen, die aus tagesaktuellen Informationen gespeist ist. Verwunderlich ist das im politischen Alltag natürlich nicht. Im Gegenteil kann man ja fast schon froh sein, dass man sich überhaupt mit der Thematik befasst hat.
„Wie ich meine Inhalte vor dem Index schütze“ for Dummies oder Scheinargumente a gogo
Im Ergebnis will ich mich gar nicht über das Materielle des Aufrufs beschweren. Immerhin halte ich ebenfalls ein Leistungsschutzrecht für Verleger nicht für erforderlich. Und selbstverständlich ist es auch jetzt schon möglich, bestimmte Inhalte etwa für Suchmaschinen nicht indexierbar zu gestalten. Verlage können also bereits jetzt entscheiden, ob sie ihre Inhalte im Index haben möchten oder nicht.
An dieser Stelle kommen wahlweise zwei Argumente (ein paar andere findet man hier):
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Man behauptet, wie Keese im oben genannten Interview, man könne nur wählen zwischen An oder Aus. Eine selektive Filterung nur mancher Inhalte sei nicht möglich. So müsse man sich als Verlag entscheiden, ob man im Internet sichtbar sein will oder nicht. Das ist natürlich Unsinn. Über CMS und robots.txt lässt sich auf der Basis von Konfigurationsoptionen vergleichsweise einfach nach Inhalten unterscheiden, die man in den Index geben möchte und solche, bei denen man lieber darauf verzichten würde. Das Argument zieht hinten und vorne aus technischer Sicht nicht.
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Man behauptet, die Argumentation würde so unzulässig auf Google als Problem verkürzt. Viel schlimmer seien jedoch die kommerziellen Vervielfältiger, die etwa ganze Tageszeitungen einscannen und zum Download bereit stellen. Und denen könne man ja nicht mit einer robots.txt Herr werden. Das ist einerseits richtig, andererseits Unsinn in zweierlei Hinsicht. Zum einen verstoßen Kopierer ganzer Texte schon heute gegen das Urheberrecht, zumal wenn es sich noch um gescannte Kopien der Tageszeitungen handelt. Zum anderen bleibt bei dieser Argumentation unverständlich, warum die Befürworter des LSR auch Textschnipsel, Snippets in den Schutzumfang aufnehmen wollen. Diese Snippets werden sicherlich von Raubkopierern nicht benötigt. Diese Schnipsel allerdings sind die Grundlage einigermaßen sinnvoller Suchergebnisseiten, womit wir wieder bei Google sind.
Insofern ist das ganze Ansinnen rund um das Leistungsschutzrecht recht transparent ein Versuch, an Googles Geld zu gelangen, weil man an eigenen Ideen und Innovationen in den letzten zwanzig Jahren massiv gespart hat. Die Politik sollte nicht den Fehler machen, jetzt andere die Zinsen dafür zahlen zu lassen.
Nicht ganz unbedenklich: Social Magazines (und der mögliche Umgang damit)
Es gibt indes einen Bereich, in dem ich zumindest ansatzweise nachvollziehen kann, warum Verlage ein Problem damit haben. Aggregatoren wie FlipBoard und andere, aber vor allem Flipboard, ziehen Inhalte via RSS aus den Medienangeboten, formatieren sie um und zeigen sie in ganz anderem Kontext wieder an. Social Magazine nennt sich sowas dann. In diesen Fällen gerät das Geben und das Nehmen in der Tat aus dem Gleichgewicht.
Kann man mit Blick auf Google News noch sagen, dass die Vorteile, die Medien durch die Indexierung haben, allen voran der Traffic, der das Rückgrat der Monetarisierung der Verlngsangebote ist, die Nachteile, die man ohnehin nur mit einem selektiv wahrnehmenden Blick sehen kann, überwiegen, so ist das bei Social Magazines anders. Hier wird nicht einmal mehr Traffic an den eigentlichen Inhaltsersteller geleitet. Dieser hat von der Integration in etwa FlipBoard nichts, im Sinne von gar nichts.
Aber auch diese Tatsache spricht nicht für ein Leistungsschutzrecht. Immerhin können andere Maßnahmen zum Einsatz kommen. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, einen gekürzten Feed anzubieten. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Texte mit Lizenzen zu versehen, wie das etwa bei Bildern oder Software der Fall ist. Natürlich kann ich ein Bild, das der Fotograf allein für die redaktionelle Nutzung freigegeben hat, auch für kommerzielle Erzeugnisse verwenden. Allein, ich darf es nicht und setze mich dem Risiko von Cease-and-Desist, der Abmahnung mit Unterlassungserklärung, eventuell auch weitergehenden Schadensersatzansprüchen aus. Diese Werkzeuge gibt es bereits, es bedarf keiner weiteren.
Online-Publikationen: Dumm oder durchtrieben?
Als jemand, der schon lange in dieses Internet schreibt und stets dafür bezahlt wurde, kann ich in der Tat kein Verständnis für die Haltung der LSR-Befürworter aufbringen. Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass Häuser, die eine Leistung bei mir und anderen beauftragen, die dann nach Erbringung kostenfrei im Internet veröffentlicht wird, eine betriebswirtschaftliche Grundlage für diese Vorgehensweise sehen. Sollte dem nicht so sein, müsste man sie schlicht als dumm bezeichnen. Weiterhin ist mir geläufig, das zwar viele Medienanbieter ein Problem darin sehen, IN den Google News-Index zu gelangen. Noch nie hörte ich jedoch, dass jemand das Problem hätte, dort nicht RAUS zu kommen.
Die Welt wird immer verrückter. Apropos verrückt: Die Lesung des Gesetzes findet heute Nacht um halb drei statt? Geht’s noch?
(Dieter Petereit)
schöner text! Sehr ich auch so.
Das problem der verlage ist, dass sie bis heute kein funktionierendes konzept gefunden haben um mit Werbung geld im web zu verdienen.
Tausender-Kontaktpreise wie bei Print sind utopie. Der tausender-kontakt wird im web effektiv auf den Klickpreis runte gestutzt. Und der liegt so irgendwo bei 50 cent pro tausend… mal abgesehn davon, dass die klickrate bei bannern irgendwo bei unetrirdischen 0,1% liegt.
der einzige der online mit werbung wirklich geld verdient ist google. Google machte im ersten halbjahr 2012 erstmals mehr umsatz mit werbung als ALLE amerikanischen zeitungen und zeitschriften zusammen. An den geldtopf will man als verlag.
natürlich kann jeder google jetzt schon sagen dass das indexieren bestimmter inhalte unerwüsncht ist. Aber das wollen die verlage ja nicht. Sie wollen werbeeinnahmen, die sie selbst nicht in der lage sind zu generieren. Wenn das durchgeht werde ich verlag! 😀
Hallöchen Dieter,
ein sehr gelungener Artikel. Gut herüber gebracht, daß da was schief geht beider Presse wie bei den Parteien. Jedoch wird dabei immer ein Punkt vergessen, zu dem ich gleich komme!
@Rasentraktor:
Ja, Google hat eine Menge Geld gescheffelt. Das Dumme daran ist allerdings, daß dies nicht durch die Snippets bei Google News geschah, um die es sich ja eigentlich dreht!
@all:
Die Presseverlage monieren, daß mit Google News durch Werbung eine große Summe in die Kasse von Google fließt. Das hat allerdings einen ganz gewaltigen Fehler:
https://news.google.de/
Bei Google News gibt es gar keine Werbung, Google verdient mit diesem Dienst also null Komma gar nichts!
Das ist leider ein Punkt, der immer wieder verschwiegen wird. Von den Politikern und Verlegern ist klar warum, aber wieso mißachten auch die Gegner des LSR diesen Punkt? Alleine dadurch ist das ganze „Leistungsschutzrecht für Presseverleger“ hinfällig, da es ja eigentlich nichts bringt, wenn der Gegner Google heißt.
Grüße nun aus TmoWizard’s Castle zu Augsburg
Mike, TmoWizard
[…] BasicThinking: Seltener Konsens: Parteijugend von SPD, CDU, FDP, Grüne und Piraten rebelliert gegen… […]
Die Verlage behaupten einfach das Google sehr viel Geld alleine mit die Inhalte der Online Präsenzen der Zeitungen erwirtschaftet.
Wer sich ein wenig näher mit diese Thematik beschäftigt weiß das Google nur ein paar Prozent von Ihre gesamten Einnahmen über diesen Weg erwirtschaftet.
Aber bei viele Verlage herrscht folgende Meinung vor.
Verdammt noch mal ein System der uns über Jahrzehnte viel Geld eingebracht hat muss doch weiter gehen.Das es allgemeine Veränderungen gibt (die übrigens nicht mit Google zu tun haben) ist egal. Google ist Böse und verdient ein Haufen Geld.Jetzt muss die Politik endlich was machen.
Dabei vergessen viele Verlage die kostenlose PR Wirkung von Google.Anders gesagt,eigentlich könnte Google von die Verlage Geld verlangen.
Trotzdem lass doch diese dumme Gesetz doch kommen.Es wird Google nicht schaden und die Verlage nicht mehr Geld bringen.
Übrigens anscheinend haben auch sehr viele, junge Abgeordneter nur wenig Ahnung vom Internet.Warum? Weil wenn es anders wäre,diese zumindest Ihre Kollegen darüber aufklären würden,das Google nur ein Bruchteil seiner Gesamteinnahmen dadurch verdient.