Wie das „Wall Street Journal“ auf seinem Blog berichtet, hat die linksliberale Partei Dänemarks „Radikale Venstre“ im vergangenen Wahlkampf Cookies eingesetzt, mit denen das Wahlverhalten von Usern analysiert wurde.
In den Monaten vor der Wahl wurden User auf Bannern nach ihren politischen Einstellungen gefragt. Diejenigen, deren Ansichten voll auf Parteilinie lagen oder ganz weit abseits davon waren, bekamen das Banner nicht mehr zu sehen, schließlich waren sie entweder schon im Sack oder kaum noch umzustimmen. Stattdessen wurde den Wackelkandidaten weiter Werbung angezeigt. Auch wenn ein kausaler Zusammenhang nicht wirklich herzustellen ist: Die Partei erreichte bei der Wahl im September 2011 9,5 Prozent der Stimmen und übernimmt seitdem Regierungsverantwortung – vier Jahre zuvor hatte es nur für 5,1 Prozent gereicht.
Die Agentur ist stolz, die Datenschutzbehörde besorgt, die Partei zuckt mit den Schultern
Bekannt wurde die Praxis nun dadurch, dass die verantwortliche Werbeagentur Mindshare ihre Kampagne für den Danish Advertising Effectiveness Award 2012 eingereicht hat. Während die Agentur stolz darauf ist, im Wahlkampf 2,2 Millionen Cookies gesammelt zu haben – das sind fast halb so viele wie Dänemark Einwohner hat – ist die dänische Datenschutzbehörde wenig begeistert und überlegt, eine Untersuchung einzuleiten. Die Partei hingegen verteidigt die Praxis und argumentiert, dass Targeting-Maßnahmen bei Online-Kampagnen Gang und Gäbe seien und dass man nichts Illegales getan habe.
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Ich sehe das ähnlich, beziehungsweise wundere mich, dass die anderen dänischen Parteien gegenüber dem „Wall Street Journal“ zu Protokoll geben, dass sie Cookies nicht oder zumindest nicht hierfür nutzen würden. Denn, selbst wenn ich mich mit den dänischen Datenschutzgesetzen nicht auskenne, gehe ich schwer davon aus, dass Retargeting-Kampagnen auch bei unserem nördlichen Nachbarn nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Denn nichts anderes ist hier passiert und da Retargeting nun mal einen Cookie voraussetzt, ist die Meldung kaum eine wert. Da die „Daten“ über die politische Einstellung des Users auch noch von ihm selbst geliefert wurden, ist die Aufregung für mich wenig verständlich.
Targeting bei politischer Werbung wird immer wichtiger
Hinzu kommt, dass vermutlich sämtliche Parteien und Politiker aus der ganzen Welt neidisch auf die Professionalität schielen, mit der im amerikanischen Wahlkampf geworben wird. Über Cookies lachen die Demokraten und Republikaner jedenfalls. Gut, die Republikaner vielleicht nicht mehr.
Doch auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles konnte sich beim Parteitag der Demokraten gleich selbst von den Wahlkampfpraktiken überzeugen und nahm als Anregung eine Software mit nach Hause, mit der Rückmeldungen bei Bürgergesprächen systematisch erfasst und analysiert werden.
In den USA hat die Datensammelwut und die kontinuierliche Optimierung der Kampagne zwar sicherlich noch einmal eine andere Qualität, wobei allerdings auch mit anderen Budgets hantiert wird. Doch man muss schon naiv sein, um zu glauben, dass solche oder ähnliche Methoden in Good Old Europe nicht auch schon längst eingesetzt werden. Schon eine zielgerichtete Werbekampagne auf Facebook geht ja in die gleiche Richtung und es ist durchaus verständlich, dass man die knappen Werbebudgets nicht sinnlos verschleudern möchte.
Insofern gehe ich nicht davon aus, dass die angedrohte Untersuchung Konsequenzen hinter sich ziehen wird. Einen Werbeeffizienz-Preis würde ich dafür aber auch nicht verleihen.
Bild: Flickr / Brett Jordan