Auch wenn das Gerede vom Ende der sogenannten „Kostenlos-Kultur“ im Internet längst zur ritualisierten Floskel verkommen ist, scheint dieser insbesondere von den Verlegern dieser Welt angestrebte Idealzustand doch mittlerweile so nah zu sein, wie nie zuvor. Galten Bezahlschranken – oder neudeutsch Paywalls – bis vor einigen Jahren noch als Selbstmord aus Angst vor dem Tode, sehen inzwischen immer mehr Verlage keinen anderen Ausweg mehr. Offenbar macht sich angesichts der aktuellen Pleitewelle im Blätterwald und stetig sinkender Auflagen doch so langsam ein wenig Panik breit. Medien von links bis rechts, von konservativ bis liberal, sind sich mit Blick auf wegbrechende Werbe- und Abo-Einnahmen auf einmal völlig einig darin, dass das bedingungslose „Verschenken“ von journalistischen Inhalten im Internet doch kein Geschäftsmodell sein kann.
Als Neuzugang zwischen Springer, Süddeutsche, NZZ und FAZ hat sich am Donnerstag überraschend auch die tageszeitung (taz) für die Einführung einer Art Bezahlschranke auf ihrer Online-Präsenz entschieden – wenn auch bisher ohne bindende Wirkung, d. h. der nun beim Aufruf eines Artikels aufpoppende Layer lässt sich einfach wegklicken. Trotz euphemistischer Ummantelung („Freiwilliges Bezahlen“) ist das Signal eindeutig: Wenn selbst eine links-alternative Zeitung wie die taz in diesem Punkt im Einklang mit ihren publizistischen Widersachern marschiert, dann ist das durchaus bemerkenswert – zumal das 1978 gegründete Blatt mit der Panthertatze als Markenzeichen immer ein wenig anders sein wollte und auch noch ist. Beispiel Finanzierungskonzept: Hier setzt die taz seit Anfang der 90er-Jahre auf eine Genossenschaft mit über 12.000 Mitgliedern, die jeweils einen Anteil von mindestens 500 Euro halten. Noch zum 20-jährigen Jubiläum im März verkündete eine hauseigene Pressemitteilung dazu fröhlich, die „Gründung der taz Genossenschaft bedeutete nach verhaltenem Start schließlich das Ende der fortgesetzten finanziellen Krisen der taz“.
Ganz so unbeschwert waren die letzten Jahre aber dann vermutlich doch nicht: 2011 führte taz.de unter dem Motto „Kultur der Fairness“ das auf Freiwilligkeit setzende Projekt „taz zahl ich“ ein und nutzte zusätzlich die Dienste von flattr. Insgesamt kamen dabei laut Hausblog bisher 70.000 Euro zusammen. Dass nun doch eine – wenn auch durchlässige – Bezahlschranke hochgezogen wird, darf als deutliches Zeichen dafür gewertet werden, dass nette Worte an die Moral allein noch lange keine Lohntüte füllen. Dafür spricht auch der Kommentar der taz-Verantwortlichen für den Digitalbereich, Nina Schoenian, demzufolge mit der Kampagne die Anzahl der insgesamt Zahlungsbereiten erhöht werden soll.
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Für mich heißt das im Umkehrschluss: Wenn es nicht einmal der taz mit ihrer von sozialen Leitprinzipien geprägten Leserschaft gelingt, ein zwangsfreies Bewusstsein für den monetären Wert publizistischer Arbeit zu schaffen, dürfte es wohl niemandem gelingen. Kurzum: Experimente mit auf Freiwilligkeit basierenden Konzepten bringen nicht genug ein. Bei der Suche nach Einnahmequellen wird die Bezahlschranke daher künftig in einem zunehmenden Maße eine Rolle spielen. Paywalls sind also längst kein Testballon gieriger Verlagsmanager mehr, sie werden zur Antwort des Systems Journalismus auf die neue Ordnung, in der „Print“ nichts MEHR, „Digital“ aber NOCH nichts einbringt. Entrinnen gibt es für die Leser nur noch solange, wie nicht alle offen mitmachen. Das allein dürfte aber bloß eine Frage der Zeit sein. Auch wenn das vielleicht noch längst nicht jeder Chefredakteur im Land wirklich zugeben möchte.