Nicht nur Fachanwälte für Strafrecht erleben derartige Entscheidungen tagtäglich, für Datenschützer aber dürfte die Einstellung eines aktuellen Verfahrens gegen Google wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Warum? Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat bekanntgegeben, man sehe keinen ausreichenden Anlass für das Einreichen einer öffentlichen Klage wegen des Vorwurfs massenhafter WLAN-Scans. Die Ermittlungen gegen den Internetkonzern werden nach 33 Monaten mit dem Ergebnis eingestellt, es könne schlichtweg kein Tatverdacht erkannt werden.
Manche Beobachter mögen jetzt ein wenig verwirrt sein, denn im Vorfeld der Strafanzeige waren vereinzelte Staatsanwälte der Meinung, dass das Schwarz-Surfen über fremde WLAN-Router durchaus eine Straftat sein soll. Wenn also eine Privatperson den WLAN-Router seines Nachbarn anzapft, soll das augenblicklich strafbar sein. Wenn aber der weltgrößte Konzern systematisch seine Mitarbeiter per Pkw durch Hamburg und viele andere Städte schickt, um nach dem Gießkannenprinzip alle WLAN-Router im Empfangsbereich abzuscannen, um die Daten einzusammeln und später auszuwerten: Das soll dann urplötzlich legal sein.
Was ist denn da los? Hat man bei der Staatsanwaltschaft HH Angst vor den Google-Anwälten oder dem Unternehmen selbst? Ging es dabei vielleicht eher darum, ein langwieriges Verfahren zu vermeiden, weil es der Staatsanwaltschaft insgesamt doch weniger wichtig ist? Oder wartet man lieber darauf, dass jemand eine Klage einreicht, sollte das nach der Einstellung tatsächlich noch passieren? In dem Fall müsste sich ein Gericht damit befassen, und nicht mehr die Hamburger Staatsanwälte.
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Hintergrund: Die durch den Blogger und Rechtsanwalt Jens Ferner eingereichte Strafanzeige vom Februar 2010 lautete auf das Abhören, Abfangen und Ausspähen von Daten laut Telekommunikationsgesetz und Bundesdatenschutzgesetz. Ein Techniker hatte zuvor berichtet, dass man diverse Datenfragmente der WLAN-Router selbst dann einsammeln könne, wenn man sich nicht in den Router einloggt, weil einem das dafür nötige Passwort fehlt. Ferner wollte den Sachverhalt daraufhin grundsätzlich prüfen lassen. Er kritisierte, Google habe bei den Touren ihrer Streetview-Autos quer durch die Republik jede Menge Datenfragmente aller Router in Reichweite eingesammelt. Die Staatsanwaltschaft sollte klären, ob sie den zielgerichteten Empfang der Daten bereits als „abhören“ des Funkverkehrs laut §89 TKG ansieht.
Denn: Die Sammelleidenschaft von Big G ändert schließlich nichts daran, dass die vom heimischen PC oder Smartphone verschickten Daten nur für den eigenen Router bestimmt sind, nicht für Google oder die Allgemeinheit. Das ist ja auch einer der Gründe, warum so viele Menschen ihr WLAN verschlüsseln und keinen Freifunk anbieten. Und eigentlich hätte Google spätestens bei der Überspielung der von den Pkws eingesammelten Daten alle Datenfragmente der Router löschen müssen. Anderenfalls kann man wohl kaum von einer „versehentlichen Erfassung“ sprechen. Strittig war übrigens auch die Fragestellung, ob Daten nichtöffentlich sind, selbst wenn diese unverschlüsselt übertragen werden.
Kürzlich hat die Hamburger Staatsanwaltschaft ihren Bescheid verschickt. Darin teilte sie mit, dass das Abfangen der MAC-Adressen und Namen drahtloser Netzwerke keinen Empfang von Nachrichten darstelle und somit nicht strafbar sei. Da keinerlei technische Hürden überwunden worden seien, sei dies laut §202a Strafgesetzbuch ebenfalls nicht strafbar. Die empfangenen Datenfragmente wurden als frei verfügbar eingeordnet, womit das Bundesdatenschutzgesetz außen vor bleibt. Zudem geht man davon aus, Google könne glaubhaft nachweisen, dass sie keine Datenfragmente vorsätzlich abgefangen haben. MAC-Adressen und SSIDs seien demnach überdies keine schützenswerten Daten.
Trotzdem darf man sich getrost fragen, was Google überhaupt mit den ganzen Informationen anfangen wollte. Aus meiner Sicht kann von einem zufälligen Empfang (oder möglicherweise einer Auswertung der Daten) keine Rede sein. Wer seine Leute quer durchs Land schickt, um die Informationen in dicht besiedelten Wohngebieten abzugreifen, der hat sich das vorher genauestens überlegt, und die kostenträchtigen Fahrten bis ins letzte Detail durchgeplant.
Zumindest juristisch scheint die Angelegenheit nun allerdings abgeschlossen zu sein. Google gab bereits vor zwei Jahren bekannt, man wolle keine WLAN-Scans mehr durchführen, zumindest nicht in Deutschland. Vielleicht ist dies einer der Gründe dafür, warum Bing Streetside für deutsche Städte nicht verfügbar ist. Microsoft möchte wahrscheinlich weder unzählige Häuser verpixeln, noch irgendwelche Klagen riskieren, weil bei ihren Fahrten ebenfalls Daten der umliegenden WLAN-Routern eingesammelt wurden. In welchem Umfang dies geschah, ist nicht bekannt. Meine Presseanfrage aus dem Januar 2012 hatte die Sammlung von Microsoft zumindest bestätigt.
Bilder: Lars Sobiraj
(Lars Sobiraj)