Der Filehoster RapidShare brachte gestern eine harmlos klingende Pressemitteilung heraus. Wer sich diese in Ruhe durchliest und auch nur einen Hauch Ahnung von der Web-Warez-Szene hat, bemerkt sofort, dass sich das Schweizer Unternehmen damit ab Ende November endgültig vom Graubereich des Internets und somit von rund 90 % seines Umsatzes verabschieden dürfte. Wird ein Archiv, welches auf RapidShare gehostet wird, öffentlich im Internet beworben, so dürfen alle zahlenden Kunden zusammen nur noch 30 Gigabyte dieses Archivs herunterladen. Bei den Nutzern, die kostenlos bei RapidShare downloaden, gilt sogar das Limit von nur einem Gigabyte pro Tag. Im Gegenzug hat man schon jetzt die Geschwindigkeitsbremse aller Downloads entfernt.
Wer die Bedeutung der Ankündigung verstehen will, muss einige Fakten mitbedenken. So ist in den vergangenen Jahren die durchschnittliche Größe der illegalen Filmmitschnitte ständig angestiegen. Oftmals übersteigen sogar die eher kleinen Cam-Rips oder Telesyncs die Marke von einem Gigabyte. Wenn RapidShare wie geplant den Download pro Archiv auf nur 30 Gigabyte beschränkt, kann der hochgeladene Film nicht einmal mehr 30 Mal heruntergeladen werden. In dem Fall müsste der Verbreiter der Schwarzkopie seinen Film nach weniger als 30 Downloads neu hochladen, auch die entsprechenden Links im Webwarez-Forum oder Filesharing-Blog müssten entsprechend geändert werden. Auch bei den Linkverwaltern wie LinkCrypt, LinkSave, Share-Links & Co. müsste der Link dann angepasst werden. Das klingt alles nicht gerade nach einem verlockenden Angebot für den Graubereich und seine Kunden.
Nach Auskunft von RapidShare gab es bislang keine Begrenzung bezüglich der Downloadmenge bei den kostenlosen wie auch bei den Premium-Kunden. Künftig dürfen die sogenannten Free-User wie eingangs beschrieben nur noch 1 GB täglich herunterladen, 30 Gigabyte gilt dann pro Tag für die RapidPro-User. Der Internet-Dienstleister unterscheidet dabei zwischen dem sogenannten „öffentlichen“ und dem „privaten“ Datenverkehr. Unter öffentlich versteht der Filehoster, die Links zu den Downloads wurden verbreitet, der entsprechende Download-Link ist im Internet verfügbar. Privater Verkehr: Dies seien hingegen Uploads, die nur persönlich bekannten Freunden zugänglich gemacht wurden. RapidShare erklärt die Unterscheidung auf Anfrage nochmals genauer: „Wichtig ist dabei allerdings nicht, wie der Nutzer an den Download gekommen ist (also über diesen Link in einem Forum), sondern wie sich dieser Nutzer und gegebenenfalls sein RapidShare-Account zum Account des Besitzers verhält. Dieser Public Traffic ist technisch eindeutig vom sogenannten Group Traffic zu unterscheiden. Vielleicht wird es durch diese Abgrenzung auch noch klarer: Group Traffic entsteht, in dem ich einen anderen Benutzer als Kontakt zu meinem Account hinzufüge. Der andere Benutzer erhält automatisch eine Mail und muss die Kontaktaufnahme bestätigen. Dann sind wir gegenseitig in unseren Kontaktlisten eingetragen. Ich erteile nun diesem Benutzer explizit die Download-Berechtigung für einen meiner Ordner. Ob der Ordner allgemein auf privat oder öffentlich gestellt ist, ist egal. Wenn der Benutzer nun eine Datei aus diesem Ordner herunterlädt, ist das Group Traffic. Alles andere ist Public Traffic, egal auf welchem Weg jemand einen Downloadlink bekommt. Also auch wenn ich einen Downloadlink an nur eine Person per E-Mail schicke.“
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Wie der Schweizer Dienstleister nun darüber hinaus überprüfen will, ob die Dateien öffentlich bekannt gegeben wurden oder nicht, wird leider nicht detailliert verraten. Denkbar wäre beispielsweise anhand der IP-Adressen zu prüfen, ob die Downloader aus verschiedenen Städten oder sogar Staaten kommen. Auch könnte man versuchen zu prüfen, ob einer der Linkverwalter zwischengeschaltet wurde, was unzweifelhaft auf Urheberrechtsverletzungen hinweist. Das Problem dabei: Eine Prüfung der IP-Adressen würde den hauseigenen Regeln widersprechen. RapidShare warb stets damit, die IP-Adressen der Downloader nicht festzuhalten, damit man sie folglich auch keinen Rechteinhabern aushändigen kann.
Der Online-Unternehmer und Gründer von gulli.com, Randolf Jorberg ist von dieser Ankündigung schockiert: „Rapidshare hat sich mit dieser harmlos klingenden Veränderung des Geschäftsmodells mit sofortiger Wirkung als Downloadquelle für alle Filesharing-Aktivitäten ins Abseits katapultiert. Während es von 2006 bis 2011 keinen beliebteren Filehoster gab, war Rapidshare seitdem auf dem absteigenden Ast und hat sich jetzt komplett von seinen Wurzeln verabschiedet. Jetzt gilt wohl das Prinzip Hoffnung, dass die Nutzer Rapidshare nicht mehr als Quelle für den abendlichen Filmgenuß, sondern als Alternative zu Dropbox setzen…“
Die Frage ist aber, ob das wirklich dauerhaft gelingen kann. Jegliche Versuche von RapidShare auf die Musik- oder Spieleindustrie zuzugehen, um diese für ein gemeinsames Geschäftsmodell ins Boot zu holen, sind allesamt am Unwillen der Content-Industrie gescheitert. Siehe Bild rechts: Ex-Berater Mola Adebisi und der ehemalige CEO Bobby Chang auf der Konferenz Music Meets Media 2009.
Allein mit der bezahlten Verbreitung von Antiviren-Software oder dem Verschenken von Accounts, sofern man im Gegenzug eine Ausgabe der Zeitschrift „Computer BILD“ kauft, wird sich der Filehoster nicht dauerhaft über die Runden retten können.
Ein anonymer Szene-Kontakt bringt die Situation auf den Punkt. Er glaubt, die Inhaber ziehen nach dem Verfahren gegen Kim Dotcom ihre Sicherheit vor und ziehen sich nun schrittweise aus dem Geschäft zurück. Für ihn persönlich gäbe es aber keinen Anreiz, als Endkunde den kostenpflichtigen Dienst des Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Er würde für den privaten Austausch von Daten Anbieter wie we transfer oder DropBox bevorzugen, die laut seiner Aussage weitaus besser durchdachte Konzepte präsentieren.
Weiterhin könne RapidShare bei diesem Geschäftsmodell auf Dauer lediglich die Mitarbeiter bezahlen und die laufenden Kosten decken. Was das Unternehmen jetzt plant, sei alles andere als profitabel. Den Inhabern ginge es primär darum zu verhindern, dass die nächste Durchsuchung und Beschlagnahmung eben nicht im Schweizer Baar ansteht. Unser Szene-Kontakt geht von dreistelligen Millionenbeträgen aus, die man nun zu schützen versucht. „Wenn die wirklich etwas gegen Urheberrechtsverletzungen tun wollen, müssten sie beim Upload viel deutlichere Töne anschlagen. Dann hätte RapidShare den Warez-Uploadern von Anfang an angedroht, den Behörden die IP-Adresse der Raubkopierer auszuhändigen.“ Zudem könne ein Unternehmen unmöglich einen umfangreichen Datenschutz, den Schutz von Raubkopierern und den Schutz der Rechteinhaber in Einklang bringen. Es liegt einfach in der Natur der Sache, wie er sagt. Das wäre wie Feuer, Wasser und ein drittes Element miteinander in Einklang bringen zu wollen. „Welcher Firmenkunde möchte seine Daten auf den gleichen Servern gelagert sehen, wo möglicherweise verschlüsselte Kinderpornos oder mit Schadsoftware verseuchte Programme und Spiele gehostet werden? Wer KiPos haben will, braucht sich nur im Deep Web umzuschauen und wird sofort fündig.“
Unser Fazit: Das harte Vorgehen der US-Behörden gegen Megaupload hat offenbar bis heute große Auswirkungen auf die Branche, die Angst geht um. Aber wer weiß. Vielleicht sollte man einfach aufhören, wenn es am schönsten ist. Für mich persönlich steht fest: Wenn sie ihre Strategie nicht ändern, wird sich der wahrscheinlich größte und älteste Filehoster der Welt auf Dauer selbst entsorgen. Anstatt wie bisher nach einer Abuse-Meldung nur eine Datei zu entfernen, löst sich die Firma im Laufe der nächsten Jahre wahrscheinlich komplett in Luft auf.
Die Kreativwirtschaft kann sich nur so lange darüber freuen, bis Nachfolger mit weniger Skrupel, Rechtsempfinden und einem Hauptsitz außerhalb der EU den Platz von RapidShare eingenommen haben. Vielleicht verstehen die Bosse der Content-Industrie eines schönen Tages, dass man mit dem Filehoster hätte kooperieren können, anstatt alles dafür zu tun, dass ihr herkömmliches Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert.
Grafiken: RapidShare, Foto: Lars Sobiraj.
(Lars Sobiraj)