Fernsehsender müssen damit leben, dass Zuschauer langsam abwandern. Dadurch sinken Werbebudgets und letztlich steht ihnen weniger Geld für Programm und Personal zur Verfügung. Darüber, dass das natürlich auch Auswirkungen auf den jeweiligen Standort hat, habe ich mir bislang weniger Gedanken gemacht. Aber natürlich fließt damit auch weniger Steuergeld, und Arbeitsplätze werden abgebaut, Gehälter reduziert. Fatal für eine Stadt wie Köln, die als Medienhochburg gilt. Hinter vorgehaltener Hand erfährt man, dass die Medienkrise der Stadt am Rhein große finanzielle Probleme bereitet. Köln bleibt also gar nichts anderes übrig, als die Zukunft zu begrüßen.
Eigentlich wollte man sogar Europas Internethauptstadt werden. Statt dessen wird man jetzt nur „Internetstadt„. Ein Konzept dazu hat der Stadtrat vor zwei Wochen beschlossen. Im Konzeptpapier heißt es (und es ist leider nicht klar, von wem das Zitat darin stammt):
Damit soll das Profil der Stadt im Bereich Internet wirksam optimiert und Köln „als nationaler und internationaler Standort für Internettechnologie und Internetinfrastruktur weiterentwickelt“ werden.
Das klingt toll! Was bedeutet das?
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Laut dem Stadtrat ist damit unter anderem gemeint, Konzepte für Open Government umzusetzen, etwa Ratssitzungen live ins Web zu streamen. Mein Kollege Christian kann jetzt Wertsachen aus dem Fundbüro endlich online durchsuchen (allerdings ohne Foto), während er früher am Rechner nicht einmal einen Termin ausmachen konnte. Immerhin. In dem Konzept fallen aber auch Stichwörter wie Nutzungsatlas, Co-Working, E-Participation, mobiles oder dezentrales Arbeiten.
Für die Zukunft fehlt der rechtliche Rahmen
Unterstützung der Internetwirtschaft derweil bedeutet etwa Ansiedlung von Startup-Zentren. Es gibt mittlerweile das Clusterhaus, das Betahaus oder den Startplatz für junge Gründer oder digitale Nomaden. Und die Kölner Internetwoche im September mit der Photokina, dem European Pirate Summit und der Dmexco, dazu die Gamescom im August. Ja, Konzepte der Politik in Hinblick auf das Web wirken in den Augen der Bürger oft lachhaft und überflüssig. Es wird jahrelang in den Amtsstuben hin- und herdiskutiert, bis sich dann vielleicht wirklich eine Stadt „Internethauptstadt“ nennen darf. Kritik ist da völlig angebracht. Aber immerhin: In Köln will man aus der Not eine Tugend machen, und vieles davon sieht man bereits.
Bewegen müssten sich eigentlich auch die Bosse der Fernsehsender. Die Senderketten RTL und ProSiebenSat.1 wollten nicht umsonst eine gemeinsame Streaming-Plattform ins Leben rufen – was leider von den Kartellwächtern untersagt wurde. Bei ProSiebenSat.1 hat man spät erkannt, dass es sich vielleicht lohnt, einmal etwas in Sachen Internet zu wagen, wie die Erstausstrahlung im Web von US-Serien wie „Spartacus“ oder „Sons of Anarchy“.
Preisgeld wird in Form von Fernsehwerbung vergütet
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein ganz neues Konzept, das die Tochter SevenVentures an einem Tag im November in London veranstalten wird: einen Startup-Pitch. Die Besonderheit beim SevenVentures Pitch Day: Es gibt 7 Millionen Euro Preisgeld, das nicht ausgezahlt, sondern in Form von Fernsehwerbung vergütet wird. Die Spots der Gewinner werden also auf den Sendern von ProSiebenSat.1 laufen. Ein großes Marketing-Budget für die Startups, und für den Sender ein bescheidener Aufwand, abgedeckt von einer anderen Kostenstelle im gleichen Hause.
So bescheiden wie der finanzielle Aufwand, so bescheiden auch die Auswirkungen auf die deutsche Medienlandschaft. Der Sender sucht sich neue Investments, weil es mit dem Kerngeschäft nicht mehr funktioniert. Der Investitionsarm der Deutschen Telekom, T-Venture, geht in eine ganz ähnliche Richtung. Allerdings fehlen echte Gamechanger. Der Zuschauer will ja eigentlich nichts anderes, als seine Lieblingssendungen sehen, wann immer er will. Das ist nach wie vor ein rechtliches Problem. Wird dies nicht auf absehbare Zeit gelöst, könnten die Sender das Rennen gegen ausländische Streamingplattformen verlieren, weil diese die Technik und Inhalte schon haben und auch hier loslegen können, sobald die Schranken einmal gefallen sind.
(Logo: SevenVentures)
Tja… Einfach das Niveau anheben und auch mal die Serien ordentlich ausstrahlen…
Das ist doch schon kein Genießen mehr wenn alle 15 Minuten Werbung für 5 Minuten kommt. Da schau ich mir die Serie dann doch nicht an.
Oder auf Kabel1 zb. habe ich mir letztens den Film The Heist – Der letzte Coup angeschaut, da kamen doch ernsthaft 7 – 9 Minuten Werbung.
Heute ist das kein TV mit Werbeunterbrechung mehr, sondern Werbung mit TV Unterbrechung.
Die Serie am stück ausstrahlen und davor bzw. danach den Werbeblock von 10 – 15min von mir aus, aber nicht mitten drin.
Als internetaffiner Kölner freue ich mich natürlich über diese Ausrichtung. Die Frage wird aber sein, wie ernsthaft und wie glaubwürdig das wirklich angegangen wird.
Zum einen ist natürlich die Frage, ob man die richtigen Dinge angeht. Große Veranstaltungen wie die Gamescom oder die Dmexco vor der Haustür zu haben ist schon praktisch – dennoch sind beide Veranstaltungen zu großen Teilen Werbe- und Verkaufsveranstaltungen. Richtig gute, große, inhaltlich getriebene Veranstaltungen wie die Re:publica gibt es in Köln (noch) nicht. Die DfC geht sicher in die richtige Richtung, ist aber noch vergleichsweise klein.
Auch wird die Verfügbarkeit von günstigem Wohn- und Büroraum ein wichtiges Kriterium gerade für Startups sein. Da sehe ich aktuell in Köln eher eine gegenteilige Entwicklung.
Ich glaube, dass auch ganz viel davon abhängt, wie stark sich führende Entscheider in der lokalen Politik und Wirtschaft wirklich dahinter klemmen – und wie stark sie das in die Breite tragen können. Internet-Themen sind häufig Querschnittsthemen, da reichen ein schlaues Konzeptpapier oder ein paar verstreute Experten einfach nicht aus.
Ich glaube die ganzen Produktionsstandorte verlieren ihre Bedeutung. Die Produktion von Fernsehen verlagert sich immer mehr ins Internet, in die Cloud und der Vertriebsweg wird auch das Internet werden. Die Standorte haben ausgedient.
iptoux hat es auf den Punkt gebracht. Wobei mir es weniger um die Werbung in der Mitte, sondern eher um das restliche Sendeprogramm geht. Warum wird in Deutschland nichts mehr vernünftiges produziert? Nur noch Richtershows, Lenßen und Partner Dreck, Unterschichten Comedy und Kopien von Castingshows. Außerdem dauert es ewig bis Produkte aus Übersee bei uns ausgestrahlt werden. Im Prinzip hat privates Free-TV fertig und bedient eh nur noch seine übriggebliebene Zielgruppe. Die Produktionsstandorte sind schon immer gewechselt von München nach Berlin und eben Köln. Im Prinzip könnte man auch in einem Studio in Pirna produzieren das spielt doch überhaupt keine Rolle.
Was wurde denn mal gutes in Deutschland produziert (heute im Vergleich zu 15 Jahren?). Mir fällt nichts ein, noch nie kamen besonders gute Produktionen aus Deutschland. Heute ist es halt Richter Hold, vor 30 Jahren war es das königlich bayrische Amtsgericht im ÖR.
Ich brauche TV schon lange nicht mehr, ich würde mich freuen wenn alle Sender dicht machen würden, damit ich auch garantiert nicht mehr in Versuchung komme, den Kasten anzuschalten.
Man darf aber bei allem Meckern über deutsche Produktionen, von denen ich selber auch nichts gucke oder gut finde, nicht vergessen, das die Gassenhauer in den USA eben auch Casting, Reality, Richter und Talk-Shows sind, die es glücklicherweise nicht über den Teich schaffen, bis auf das Programm von MTV/Viva oder in ihren Umsetzungen hier zum Glück nichts mehr reißen (Big Brother, Bachelor/Bachelorette, Survivor). Alleine die beiden letztgenannten haben Quoten jenseits des erträglich Vorstellbaren. Da ist mir schon wohler dabei wenn die Leute hier Danny Lowinski, Der letzte Bulle oder Tatort gucken…
Ich frage mich gerade, ob die Grundannahme („Fernsehsender müssen damit leben, dass Zuschauer langsam abwandern“), so überhaupt stimmt.
Laut ARD-ZDF-Onlinestudie ist der Fernsehkonsum seit mehreren Jahren steigend:
http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id=353
Ich weiß zwar nicht, wer diese ganzen Stunden guckt (ich ganz sicher nicht), aber so schlecht scheint es um das Medium Fernsehen aktuell noch nicht bestellt zu sein.
Ich meinem Umfeld schauen die Leute tatsächlich weniger fern, aber ist das wirklich ein genereller Trend? Lässt sich das irgendwie an Zahlen festmachen?
Ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn es tatsächlich so wäre, aber mir sind keine Zahlen bekannt, die das bestätigen.
@Marius
Die Studie wurde, soweit ich das beurteilen kann durch Zahlen des Panels erstellt, womit auch die Einschaltquoten gemessen werden. Das sind – ebenfalls soweit ich das in Erinnerung habe – weniger als 2000 Leute in Deutschland, mit denen die Einschaltquoten für die Gesamtbevölkerung hochgerechnet werden.
Die Leute bekommen dafür kein Geld oder so, es interessieren sich dafür naturgemäß also sowieso nur Hardcore-Fernseh-Konsumenten, die eine hohe Affinität zu dem Medium haben.
Nachtrag, sorry, hab noch mal recherchiert: Es sind 5000 Haushalte in ganz Deutschland. Trotzdem recht wenig, wenn diese die Basis für alle solche Statistiken und Einschaltquoten darstellen.
Allein die Aussage: „…als nationaler und internationaler Standort für Internettechnologie und Internetinfrastruktur weiterentwickelt“ zeigt, dass man in Köln nichts verstanden hat. Es geht nicht nur um die Technologie, sondern auch um Inhalte. Man stelle sich vor, Köln wäre der nationale Standort für „Fernsehtechnologie“… es geht um die Inhalte, um die Konzepte. Solange man von Technologie redet, kommt auch nur Technologie, und das ist eben nur ein Teil des Kuchens.
Als mein analoger Sat-Empfänger letztens umstellungsbedingt gebrickt wurde, hab ich überlegt was ich mache. Teurer Umstieg auf digital Satellit? Billige DVB-T-Box wie meine Mitbewohnerin? Gar kein TV mehr? Während ich die Entscheidung vor mich herschob, kam plötzlich der Sonntag wo Formel1 lief und ich es nicht gucken konnte. Einmal im Netz gesucht, und siehe da: Sportereignisse werden von RTL selbst im Netz live gestreamt. Mit Werbung und allem drum und dran, in nicht zu verachtender Qualität. Als ich dann auch noch eine Webseite fand die per P2P-Streaming Prosieben anbietet und so bequem in meinen feierabendlichen Simpsons-Genuß zu kommen wenn gewünscht, war für mich die Entscheidung gefallen – ich brauch keinen TV-Empfang mehr, mir reicht das Internet. Dass das auch mit Werbung funktioniert demonstriert RTL doch anschaulich.
Die Ersparnisse an Infrastruktur wenn man komplett wechselte wären gewiß gewaltig, aber um die Netze nicht vollkommen zu überlasten sollte dazu erstmal IPv6 mit seiner Multicasting-Fähigkeit etabliert sein.