Hier stehe ich und weiß es nicht besser. Ich bin weder Jurist, noch habe ich etwas ähnlich „Anständiges“ wie Politik studiert oder mich all zu oft mit einem der Themen der Kategorie befasst. Ich hatte für die Kooperation zwischen der Telekom und Spotify gestern einige warme Worte übrig. Viele mobile Dienste kommen nicht richtig in Schwung, weil sie sehr datenhungrig sind. Das betrifft Bilder- ebenso wie Musik und Videodienste.
Mit einem Volumenpaket von 300 oder 500 MByte im Monat kommt man da nicht weit. Toll wäre es also, wenn die Anbieter Services wie Spotify, WahWah.fm, Simfy, YouTube und Instagram keiner Datenbeschränkung mehr unterwürfen. Wie gewünscht, so umgesetzt: Die Telekom berechnet in einem neuen Spezialtarif kein zusätzliches Datenvolumen für die Nutzung der Musikflatrate Spotify. Ein guter Anfang, könnte man eigentlich meinen. Es dauerte aber nicht lange, bis die ersten Kommentatoren hier „Netzneutralität“ schrieen. Zu Recht?
Weil ich versprach, die Frage weiterzureichen, traf ich mich gerade auf der IFA mit Telekom-Pressesprecherin Marion Kessing, die darin keinen Bruch der Netzneutralität sieht und mir eine offizielle Stellungnahme der Telekom per Mail zukommen ließ. Die scheint die Antwort aber nur zu umschiffen:
Neue Stellenangebote
Mitarbeiter*in (m/w/d) für Social Media, Öffentlichkeitsarbeit und Städtepartnerschaft (m/w/d) meinestadt.de in Sachsenheim |
||
Social Media Manager:in und Digital Content Creator:in (m/w/d) Körpergut Akademie GmbH in bundesweit, Home-Office |
||
Journalist (m/w/d) als Leiter PR und Social-Media NOMOS Glashütte/SA Roland Schwertner KG in Berlin |
Grundsätzlich ist es üblich, dass unterschiedliche Tarife und Optionen unterschiedliche Services beinhalten. Bei den jetzt angekündigten Tarifen und Optionen zahlen die Kunden dafür, Spotify nutzen zu können. Wer das nicht möchte, kann einen anderen Tarif wählen. Der Kunde entscheidet, was für ihn attraktiv ist.
Ich habe die Telekom noch um eine weitere Stellungnahme gebeten und werde hier updaten, wenn eine Antwort kommt. Wie kann man das Angebot der Telekom verstehen? Hier werden einfach zwei Dienste gebündelt, könnte man argumentieren. So als würde (zufälliges, aktuelles Beispiel) Samsung ein neues Smartphone mit 50 GByte Dropbox-Speicher kombinieren. Das Gegenargument: Hier wird ein Dienst bevorzugt behandelt. Es gibt eine Art unbegrenzte zusätzliche Bandbreite für einen Kooperationspartner. Und zwar nur für einen. Das ist nicht das, was man in den vergangenen Jahren unter der „klassischen Netzneutralität“ verstanden hat. Einige Netzbetreiber überlegen seit längerem, datenintensive Services wie YouTube zur Kasse zu bitten, weil sie ihre Netze mehr als andere strapazieren.
Einschränkung der Netzneutralität in vielen Schattierungen
Der Fall Telekom-Spotify ist anders gelagert. Offenkundig zahlt hier niemand etwas extra. Spotify nicht, die Telekom nicht; der Nutzer zahlt die gleichen 10 Euro, die er ohnehin für einen werbefreien, mobilen Spotify-Zugang ausgeben müsste. Er bekommt hier aber noch etwas zusätzlich: die unbegrenzte mobile Bandbreite – nur für diesen Dienst. Fällt das unter das Thema Netzneutralität? Verlierer gibt es nämlich schon: alle Angebote, die keine solche Kooperation mit der Telekom haben. Das wären, nicht nur, Spotify-Konkurrenten wie Simfy, Rdio, MOG, Sony oder Juke.
Bisher eigentlich logisch und selten beanstandet: Wer statt einer Breitbandleitung mit 16 MBit/s lieber 50 Mbit/s will, muss mehr dafür zahlen. 1000 MByte mobiles Datenvolumen kosten beim gleichen Anbieter mehr als 300 MByte. Auch im Falle der Spotify-Telekom-Kooperation ist es so: Für mehr Geld gibt es mehr Megabyte. Logisch? Nicht unbedingt. Während ich diese Zeilen hier im Pressezentrum auf der IFA schreibe, schaut mir mein Sitznachbar über die Schulter, ein Journalist vom „Standard“ aus Österreich. Was in Deutschland schon länger gilt – mehr Bandbreite für mehr Geld – wurde vor kurzem auch von österreichischen Providern eingeführt. Seiner Ansicht nach eine Einschränkung der Netzneutralität.
Ende der Netzneutralität erst in der Folge
Auch der Journalist Jens Best hält das „Music Unlimited“-Paket der Telekom für eine Abschaffung der „Netzneutralität mit einem Marketingtrick„. Hier werde genau geschaut, welcher Art das Byte ist, das durchs Netz transportiert wird. Von einer Gleichbehandlung wie nach der Netzneutralität könne man da schon nicht mehr sprechen. Zwischen ihm und dem Politblogger Yacine Ghoggal (@Young Socialist) entspann daraufhin eine interessante Diskussion auf Twitter. Ghoggal schreibt, das Netz bleibe zwar nach heutigen Gesichtspunkten neutral, er sieht aber eine fehlende „Abrechnungsneutralität„, die langfristig dazu führen könne, dass die Netzneutralität eingeschränkt wird:
Um dann als Inhalteanbieter auch in der Form bevorzugt behandelt zu werden, müssten Unternehmen Verträge mit Providern abschließen und Provider werden dafür Gegenleistungen von den Unternehmen erwarten. (…) Neue Verträge würden nach und nach immer mehr besondere Dienste abrechnungsneutral durchleiten, während gerade die Dienste von Startups weiterhin schnell zur Drosselung der Downloadrate führten und spätestens dann nicht mehr netzneutral durch das Netz geleitet würden.
Es muss nicht unbedingt so weit kommen, aber die Folge dieses Szenarios könnte in der Tat sein, dass sich finanziell stärkere Unternehmen bei den Netzbetreibern „einkaufen“ und die ärmeren verlieren. Kein besonders reizvolles Szenario.
Wer schlau ist, macht es weniger offenkundig
Im Nachhinein muss ich meine Euphorie also zurücknehmen. Es ist toll, dass ein Netzbetreiber den Schritt geht und einem datenintensiven Dienst die Möglichkeit gibt, sich freier zu entfalten. Allerdings kommt dies unter den falschen Voraussetzungen zustande. Der einzig richtige Weg im Sinne der Netzneutralität, auch wenn der in der heutigen Tarifwelt utopisch klingt: Ein Mobilfunknetz mit unendlichem Datenvolumen, auf dass dann jeder einen Dienst wie Spotify unbegrenzt und nicht bevorzugt nutzen kann. Die Folgen davon wären allerdings eine natürlich deutlich höhere Netzauslastung und/oder höhere Preise für mobile Datentarife.
Eins zeigt dieser Fall jedenfalls sehr gut. Und es ist schade, dass kaum jemand von euch diesen Beitrag aufgrund des langweiligen Themas, der IFA-Themenflut und der Tatsache lesen wird, dass das Wochenende vor der Tür steht. Wenn Freiheiten beschränkt werden, dann längst nicht immer offenkundig. Ein cleverer Serviceprovider, die Netzneutralität einschränken will, wird sich nicht plakativ hinstellen und Google für YouTube „besteuern“. Er wird versuchen, Verhältnisse zu schaffen, die erst auf lange Sicht zu einem Ende der Freiheit führen können. Ich und viele andere sind drauf reingefallen, weil es nicht offenkundig war. Seien wir in Zukunft gewarnt!
(Jürgen Vielmeier, Bild: Telekom, unbekannt)