Eigentlich müsste man keine Angst haben. Andre Meister von Netzpolitik verweist auf das „Strucksche Gesetz„, wonach ein Gesetz nie so den Bundestag verlässt, wie es hinein kommt. Oft, wenn auch leider nicht immer, schafft es der gemeinsame Protest aus dem Netz, ein umstrittenes Gesetz noch zu kippen. Und dann hätten wir da noch die Sicht eines Blogs, die im Wesentlichen so lauten könnte: Sollen die Verlage doch ruhig die Kettensäge auf den eigenen Ast halten, auf dem sie sitzen. Wir als Blog, auf das man dann immer noch kostenlos verlinken darf, hätten plötzlich massiven Linkzulauf.
Ganz so einfach ist es aber leider nicht.
Und das Problem fängt schon damit an, dass das Bundeskabinett im heute beschlossenen Gesetzesentwurf Blogs vom Leistungsschutzrecht ausnehmen will. Das könnte man vielleicht mit Erleichterung aufnehmen, man könnte sich allerdings auch fragen, wie der Gesetzgeber das so genau unterscheiden will. Misst man es am Jahresumsatz, an der Zahl der Mitarbeiter oder der der Lobbyisten? Was ist mit Mehrautorenblogs wie Androidnext oder Mobiflip? Noch ein Blog oder schon ein Verlag? Just Anfang der Woche zeigte „Blogpapst“ Robert Basic die Chancen von Blog-Zusammenarbeit auf, die die Möglichkeiten von Verlagen noch überschreiten. Erst kürzlich habe ich über den neuen Dienst der Twitter-Gründer, Medium.com, geschrieben. Publizieren für Jedermann wird dadurch einfacher denn je. Es ist schon lange nicht mehr so einfach, zwischen Blog, Presse oder einfach einem Selbstverlag online zu unterscheiden. Der Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht scheint aber genau diese Trennlinie aufrecht erhalten zu wollen.
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Entscheidend ist offenbar, ob man mit seinen Inhalten im Netz Geld verdient. Wer das vorhat (wir gehören dazu), wird Probleme bekommen, denn im Gesetzesentwurf des Bundeskabinetts heißt es:
Mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage wird den Presseverlagen das ausschließliche Recht eingeräumt, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen.
Wobei natürlich noch zu klären wäre, was ein Presseerzeugnis ist und was nicht. Vielleicht alles, was von einem Presseverlag stammt und im Internet veröffentlicht werden soll? Dann bekämen die Verleger mit diesem Gesetz das Recht, dies zu tun, was sie freilich auch vorher schon getan haben. Im Folgenden wird es etwas komplizierter:
Jedoch ist ein Schutz nur vor systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch die Anbieter von Suchmaschinen und Anbieter von solchen Diensten im Netz geboten, die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten, (…)
Wehret den Suchmaschinen! Man könnte euch dort finden.
(…) da das Geschäftsmodell [der Suchmaschinen] in besonderer Weise darauf ausgerichtet ist, für die eigene Wertschöpfung auch auf die verlegerische Leistung zuzugreifen.
Google News kann damit nicht gemeint sein. Dort finde ich seit Jahren keinerlei Werbung und damit Wertschöpfung. Reine „Verlinkung und Nutzungen im Rahmen der Zitierfreiheit“ sei nicht betroffen. Was aber dann? Etwas konkreter wird es in §87g, Absatz 4:
Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten.
Das beträfe etwa Rivva, aber auch Dienste wie Pocket (früher: Read It Later). Dass das Bundeskabinett heute erst den dritten Entwurf als Gesetzesgrundlage durchgewunken hat, beschreibt bereits das ganze Dilemma. Die Bundesregierung sah sich also offenbar in der Pflicht, demjenigen ein Gesetz zu geben, der nur laut genug trommelt. Und dazu haben die Presseverlage natürlich alle Mittel. Auf wen nun genau geschossen wird, damit müssen sich jetzt die Juristen auseinander setzen. Google ist nach Ansicht von „Zeit“-Redakteur Kai Biermann noch nicht einmal betroffen. Vielleicht eher Dienste wie Meltwater, die Springer-Lobbyist Christoph Keese kritisierte, oder auch Newsletter wie Turi2, in denen man erst auf gute Beiträge aufmerksam wird.
So überflüssig wie die Tonträgerindustrie
Die Idiotie dahinter habe ich in der Vergangenheit schon beschrieben. Was eigentlich jedes Kind auf den ersten Blick erkennen müsste, die Verlegerlobby aber offenbar nicht, bringt Mario Sixtus noch einmal auf den Punkt:
Mit der gleichen Logik könnte ein Restaurantbesitzer von Taxifahrern Geld verlangen, die ihm Gäste bringen, ein Konzertveranstalter von den öffentlichen Verkehrsbetrieben und ein Schlüsseldienst von den „Gelben Seiten“.
Im April hat der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) das Leistungsschutzrecht aus eigener Sicht in einem Video erklärt und darin sehr gut dargelegt, warum man die Presseverlage eigentlich zum Dorfe hinausjagen müsste: Weil sie sich auf die gleiche Stufe stellen wollen wie die überflüssig gewordene Unterhaltungsindustrie aus Plattenfirmen und Hollywood-Studios:
Und hätte ich auch gerade nicht übel Lust dazu, den Mob anzuführen, der sich mit Mistgabeln und Fackeln bewaffnet. So einfach geht das leider nicht. Für Boulevard- und Technikthemen braucht inzwischen niemand mehr die Presseverlage. Für alles andere in meinen Augen schon. Noch. Denn Themen aus Politik, Wirtschaft und Lokales sind noch nicht gut ohne Verlagsinfrastruktur durchführbar. Und auch Google News würde derzeit nicht ohne diese Inhalte funktionieren.
Maßgeblich ist das allerdings deswegen der Fall, weil die Verlage über Geld und Organisation verfügen, um die besten Redakteure an sich zu binden. Aber gib einem Netzwerk aus guten Politikjournalisten das Geld und sie könnten Springer, Bauer und Co. genauso gut verlassen und künftig im Web publizieren. Eine Frage der Zeit und des Geldes. Für alles andere schneiden sich die Verlage gerade tiefer ins eigene Fleisch, als sinkende Auflagen es könnten. Und man möchte ihnen zurufen: Demontiert euch gerne weiter selbst, aber lasst wenigstens uns dabei in Ruhe! Im nächsten Schritt gibt das Web euch dann endgültig den Rest.
(Jürgen Vielmeier, Bild: BDZV)