Vergangenen Freitag schrieb ich mit einer Mischung aus Amüsement und Kopfschütteln über das Comeback von Kim Dotcom, alias Kim Schmitz. Der deutsche Internet-Unternehmer hatte sich von dem Schock über seine Festnahme und der Schließung von MegaUpload offenbar erholt. Er kündigte ein neues Musikprojekt an, schaltete seine neue Website Kim.com frei, auf der er sich als politischer Aktivist präsentierte. Und zu allem Überfluss stellte er auch noch einen neuen Song vor: „Are you going to fix this, Mr. President?“, der sich an US-Präsident Barack Obama richtet. „Tun wir uns zusammen, um die Freitheit des Internets zu wahren“, lautet der Refrain des Songs. Gesetzesvorhaben wie SOPA, PIPA und ACTA dürften nie eingeführt werden.
Was Schmitz‘ Forderung nach Freiheit im Netz angeht, soll sie offenbar nur für ihn gelten. Den deutschen IT-Journalisten Torsten Kleinz ließ Schmitz in den vergangenen Monaten durch seine Anwälte mehrfach vor Gericht zerren. Das hat der Autor, der unter anderem für Heise, taz und ZDF Hyperland schreibt, jetzt in seinem „Notizblog“ bekannt gegeben.
Kleinz schreibt:
Ende letzten Jahres habe ich nochmal für heise und die taz Berichte über Kim Schmitz und Megaupload verfasst. Wenig später bekam ich ein Schreiben von einer Anwaltskanzlei, in dem mir so ziemlich alles verboten werden sollte.
Und weiter:
In der Folge erhielt ich persönlich und die beteiligten Verlage drei einstweilige Verfügungen von drei verschiedenen Landgerichten, die mir auf Verlangen von Kim Schmitz (nicht:Dotcom) und Megaupload jeweils eine einzelne Äußerung verboten.
Kleinz vermutet, dass Schmitz ihn absichtlich vor mehrere verschiedene Gerichte zerren wollte. Das würde die Kosten in die Höhe treiben und Kleinz die Grundlage entziehen, die Prozesse durchzufechten. Zum Glück für ihn traten die Redaktionen, für die er schrieb, vor Gericht für ihn an, fechteten die Verfahren durch und erwirkten, dass die Verfügungen abgeschmettert wurden. Heise berichtete darüber bereits im Februar, ohne Kleinz‘ Namen zu nennen. Nur Schmitz‘ Verhaftung und die Einfrierung seiner Konten verhinderten nach Kleinz‘ Vermutung, dass er nicht noch vor deutlich mehr Gerichte gezerrt wurde.
Das Web vergisst
Schmitz, der seinen Namen später in Kim Dotcom änderte, wurde mehrfach zu Haftstrafen verurteilt, die teilweise zur Bewährung ausgesetzt wurden. Unter anderem wurde er wegen Insiderhandels in Zusammenhang mit der Pleite um das einstige Shoppingwunder Letsbuyit.com verurteilt. Eine von ihm in Aussicht gestellte Investition in das Portal kam nie an. Statt dessen sah es das Gericht als erwiesen an, dass Schmitz den Aktienkurs des Unternehmens künstlich in die Höhe getrieben und daran umgerechnet 1 Million Euro verdient hatte. Solche Fälle dokumentierte Kleinz in seinem Kimble-Report, den er über zehn Jahre lang sporadisch aktualisierte. Mittlerweile hat Kleinz die Seite eingestellt, weil er sich außer Stande sieht, mögliche weitere Rechtsstreitigkeiten zu finanzieren.
Was an dem Fall noch interessant ist: Zwar sagt man oft, das Web vergesse nie, allerdings geht in der Fülle der Berichterstattung so manches unter. Kleinz weist darauf hin, dass auch in seinem Kible-Report viele Links zuletzt nicht mehr gültig waren: „Medien gingen pleite, stellten ihre Linkstrukturen um, löschten ihre öffentlichen Archive“. Auch einige Links in Schmitz‘ Wikipedia-Eintrag führen ins Leere: Das Web vergisst manchmal eben doch. Wer genug Geld hat, kann zumindest einige Kritiker mundtot machen und auf Verjährung hoffen. Sucht man heute nach Kim Schmitz auf Google, erhält man in den obersten Suchergebnissen nur Einträge seines neuen Wirkens als MegaUpload-Chef – und eben als Speerspitze der Internetfreiheit. Sein Auftreten als Kämpfer für Gerechtigkeit sorgt vielerorts für Belustigung. Vielleicht war genau das die Absicht.
(Jürgen Vielmeier)