Protest im Netz drückt sich bekanntermaßen auf viele Arten aus. Viel Aufmerksamkeit mit vergleichsweise wenig Aufwand versprechen dabei erfahrungsgemäß DDoS-Attacken. Schließlich gibt es im digitalen Raum kaum ein sichtbareres Zeichen des Triumphes, als eine missliebige Website auf Knopfdruck aus dem Netz zu befördern.
Dementsprechend stolz verkündete Anonymous am Montagmorgen in bester George-W.-Bush-Manier via Facebook seinen jüngsten Erfolg. Unter der Schlagzeile „#OpGermanRights – Target down!“ postete das Hacker-Kollektiv einen Screenshot, auf dem reihenweise der HTTP-Fehlercode 503 für Service Unavailable zu sehen war. Dieser bezog sich auf die Homepage des Deutschen Bundestags. Und die Server scheinen weiter unter Beschuss zu stehen – zumindest lässt sich bundestag.de seit Anfang der Woche teilweise nur quälend langsam oder gar nicht aufrufen.
Und warum das Ganze? Natürlich, das Meldegesetz. Zumindest lautet so die offizielle Begründung aus Anonymous-Kreisen. Klarer wird der Sinn der Aktion dadurch allerdings immer noch nicht. Es kann schließlich kaum darum gegangen sein, Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, denn Medien und Öffentlichkeit waren längst damit beschäftigt, die peinliche 57-Sekunden-Zustimmung zur Änderung des Meldegesetzes in allen Einzelheiten zu zerpflücken. Bleibt als noch ein diffuses Rachemotiv oder das Bedürfnis einiger Internet-Aktivisten nach etwas Rampenlicht.
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Zumindest letzteres hat ja auch funktioniert. Inhaltlich trägt die Aktion aber nichts zur Diskussion bei, ist sogar eher hinderlich, da sie Nebenbomben wirft und vom Kernthema ablenkt. Markus Beckedahl von netzpolitik.org, der bereits am Montag zufällig auf die Attacke aufmerksam wurde, hat das sehr treffend zusammengefasst:
„Auch finde ich, dass es Zeit ist, mal eine Debatte darüber zu führen, wann und unter welchen Umständen DDoS-Attacken akzeptabel und in Ordnung sind – und wo es Grenzen geben sollte. Man sollte auch immer bedenken, dass solche Aktionen auch helfen können, gute Argumente zu diskreditieren.“
Dem bleibt wenig hinzuzufügen. So berechtigt der Protest ist, so kontraproduktiv sind derartige Selbstinszenierungen. Schließlich wird so kaum noch wahrgenommen, dass Anonymous bereits am Sonntag in einer Video-Botschaft dazu aufrief, per Online-Petition oder Demonstration ein Zeichen gegen den gesetzlich legitimierten Adressverkauf zu setzen. Beachtung findet im Nachgang nur noch das beigefügte, reichlich infantile, Kriegsgetrommel à la „Hacker, ladet eure Waffen“ und der anschließende Server-Angriff. Wer sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen will, kann an derartigen Drohgebärden kaum ein Interesse haben. Oder wie es ein Kommentator auf Facebook ausdrückte: „Und was bringt’s außer den Status in den Medien als böse Hacker.“
Zweckdienlicher wirkt da der Aufruf in einer zweiten Video-Botschaft, die Anonymous am Montag nachschob – vorausgesetzt, dass wenigstens diese auf den notwendigen Dialog zwischen Bürgern und Abgeordneten abzielt. „Um unserer Stimme Ausdruck zu verleihen, werden wir nun zu anderen Mitteln greifen. Senden Sie Briefe, Faxe, oder rufen Sie in den Geschäftsstellen der CSU & FDP an!“, heißt es dort. Eine Adressliste wird gleich mit dazu geliefert.
Gleichwohl beschleicht mich auch in diesem Fall ein wenig das Gefühl, dass der oder die Verfasser eher an eine Art DDoS-Attacke in Briefform gedacht haben. Aber entscheidet selbst.
(Christian Wolf)