Eigentlich hatte ich mich auf das Lumia 900 gefreut, Nokias derzeitiges Spitzenmodell. Doch dann platzten die Negativschlagzeilen dazwischen: Telekom, Vodafone und Base werden das Phone gar nicht bei sich verkaufen, Updates auf das in wenigen Monaten erscheinende Betriebssystem Windows Phone 8 wird es nicht geben. Eine Affenschande, denn das Lumia 900 ist alles in allem ein gutes Gerät, ein tragischer Held, der in eine aussichtslose Schlacht geschickt wird. Knapp zwei Wochen hatte ich es zum Testen da. Das wichtigste kurz:
- Der Bildschirm! Ich habe selten einen Screen in so leuchtenden Farben gesehen. Amoled, Corning Gorilla Glas, Clear Black sind die Details, mit denen Nokia das 4,3-Zoll-Display beschreibt. Das sieht einfach gut aus.
- Umso enttäuschter bin ich von den Fotos, die die 8-Megapixel-Hauptkamera schießt. Sie verlieren ihren Effekt sofort dann, wenn man sie eben nicht auf diesem Display sieht, sondern auf einem handelsüblichen Rechner. Wenig satte Farben, viel Rauschen. Da hat man sich zu wenig Mühe gegeben.
- Man mag ja einiges auf Microsoft schieben, aber das Lumia 900 hat offiziell schon das jüngste Update Tango installiert. Und da erwarte ich auch konkurrenzfähige Software, gerade für die Kamera. Genau die Bedienung hier bleibt leider ein Gefummel. Es gibt keine Schnelltasten, es gibt keine Menüführung, immer wieder wird die Zurück-Taste des Systems verlangt. Es bleibt bei der seltsamen Vorgabe für Windows Phone, dass man beim Scharfstellen direkt auslöst. Während der Videoaufzeichnung kann man keine Fotos machen oder die Schärfe nachstellen. Dinge, die Samsung und HTC bei ihren Spitzenmodellen Galaxy S III und One X einfach pfiffiger gelöst haben.
- Gut gefällt mir, dass das Lumia 900 im Vergleich zu seinem kleinen Bruder Lumia 800 eine Frontkamera spendiert bekommen hat und dass man Micro-SIM-Karten-Einschub und Micro-USB-Anschluss nun ohne das etwas fummelige Klappensystem anwendungsfreundlicher gestaltet hat.
Das Lumia 900 liegt gut in der Hand, ist mit seinen 160 Gramm allenfalls etwas schwer; der Gehäuserücken anfällig für Kratzer. Die Reaktionsgeschwindigkeit des 1,4-GHz-Prozessors (Single Core) ist hoch, der Akku recht schnell zu entleeren, aber er lässt sich mangels abnehmbaren Gehäuserückens leider nicht herausnehmen. Der Arbeitsspeicher hätte allerdings etwas großzügiger ausfallen können als nur mit 512 MByte.
Guten Gewissens kann man zu einem Kauf nicht raten
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Nokias eigene Services wie „Bus & Bahn“, „eBook“, „Karten“, „Musik“ oder „Navigation“ motzen das Lumia-Gerät im Vergleich zu aktuellen Windows Phones etwas auf, ansonsten bleibt das Betriebssystem eine Geschmacksfrage. Nur dass in diesem Falle eben erschwerend hinzu kommt, dass das Lumia 900 bloß noch ein Update auf Windows Phone 7.8 bekommt. Das erlaubt es dem Anwender, den Startbildschirm mit kleineren und größeren Kacheln (Live Tiles) besser anzupassen. Nokia will auch weitere Services dafür liefern – das ist es dann aber auch schon.
Das Lumia 900 ist ab etwa 500 Euro zu haben. Das mag für das Spitzenmodell eines Herstellers generell in Ordnung gehen. Zu einem Kauf kann ich trotz positiven Gesamturteils dennoch nicht raten. Die Zukunft für Mobilfunksysteme mit Microsoft-Software heißt schon in wenigen Monaten Windows Phone 8, und auf der Party wird das Lumia 900 nicht mitfeiern dürfen. Schade.
Lumia 610: Probleme schon beim Start
Noch kürzer kann und muss ich mich beim Lumia 610 fassen. Denn etwas anderes als das böse Wort „Totgeburt“ trifft es leider nicht. Wenn es nur alles wäre, dass es natürlich ebenfalls kein Update auf Windows Phone 8 bekommt. Aber schon vor Wochen wurde bekannt, dass selbst einige heute gängige Apps nicht auf dem kleinen Smartphone laufen werden. Das betrifft vor allem Spiele wie das beliebte „Angry Birds“ oder die VoIP-Software Skype. Schuld ist der mit 256 MByte sehr gering proportionierte Arbeitsspeicher. Der Prozessor ist mit 800 MHz auch nicht der schnellste seiner Art.
Wäre ja alles kein Problem, solange das in der Praxis funktioniert, richtig? Stimmt wohl, tut es aber nicht. Schon bei der von Haus aus vorinstallierten App AccuWeather bekomme ich Probleme. Die App startet unsäglich langsam, hakt und reagiert oft sekundenlang nicht auf Wischgesten. Ich habe das unten einmal in eimem Video dokumentiert. Man muss sich fragen, wie zukunftsfähig das 610 überhaupt ist, wenn es heute schon an allen Ecken und Enden hakt und von Apps in der Zukunft generell eher mehr als weniger Speicherbedarf erwartet wird.
Gehäuse darf nicht der einzige Pluspunkt sein
Und so überzeugt mich beim Lumia 610 lediglich das Gehäuse. Hier hat man erstens eine sehr schöne, handschmeichelnde Form gewählt und die stabil wirkende Rückwand lässt sich angenehm einfach und ohne viel Fummelei öffnen. Der Akku, der gut mitspielte, lässt sich austauschen. Im Vergleich zum leuchtenden Display des Lumia 900 wirkt das des 610 allerdings seltsam matt und unnötig verspiegelt. Positiv für diese Preisklasse muss man dafür die Sensor-Tasten unterhalb des Touchscreens hervorheben. Ansonsten war es das aber auch schon mit dem Lob für das Gerät. Nokia hat hier viel Wert auf ein hübsches Äußeres gelegt, dabei aber die inneren Werte völlig vernachlässigt.
An wen sich das Lumia 610 offiziell richten soll, scheint klar: an Smartphone-Einsteiger mit wenig Geld in der Tasche. Letztendlich kann man aber nicht einmal diesem Kundenkreis zu einem Kauf raten. Das Lumia 610 sieht schön aus, ist aber für gewöhnliche Alltagsanwendungen einfach zu schwach auf der Brust, selbst für Einsteiger. Das dürfte auch der Grund dafür sein, warum es in den meisten Online-Shops nicht einmal mehr 200 Euro kostet und weiter stark im Preis fällt.
Das Timing könnte mieser nicht sein
Nokia hat mit seinem ersten Windows Phone, dem Lumia 800, eigentlich viel richtig gemacht. Der kleine Handschmeichler ist ordentlich motorisiert und kam bereits im vergangenen Herbst auf den Markt, so dass Interessenten noch genug Zeit blieb, um mit Windows Phone 7.5 glücklich zu werden. Sie dürften weniger erbost darüber sein, dass es für sie kein Update mehr auf Windows Phone 8 gibt, wenn das neue System ein Jahr später herauskommen wird. Für das Lumia 900 stimmt dagegen das Timing einfach nicht. Zu spät auf dem europäischen Markt und zu nah dran an Windows Phone 8. Das Lumia 610 halte ich für komplett marktuntauglich. Wer auch immer hieran geplant hat und Einsteiger im Kopf hatte, hat offensichtlich nicht zu Ende gedacht.
Für Nokia bleiben die Zeiten hart. Wer die Meldungen der letzten Wochen einigermaßen verfolgt hat und weiß, dass irgendwann im Herbst Windows Phone 8 kommen wird, der wird sich in diesem Sommer ganz gewiss kein Nokia-Smartphone kaufen. Und ich kann ihm guten Gewissens auch nicht dazu raten. Nokia muss schnell auf WP8 umsatteln und erste Geräte mit dem neuen System noch im Weihnachtsgeschäft auf den Markt bringen. Dann hat man noch die Chance, sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen.
(Jürgen Vielmeier)