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RIP RIM? Umsatzeinbruch zeigt BlackBerry zwischen Hoffnung und Abgesang

„Diese Plattform wird die Basis für Innovationen der kommenden Dekade sein“, sagte Ed Colligan im Januar 2009 auf der CES in Las Vegas. Wer ist Ed Colligan? Der Herr war damals Chef von Palm, das gerade den Pre mit dem neuen Betriebssystem WebOS vorgestellt hatte. Ein Jahr und drei Monate später flüchtete sich Palm nach stetigem Niedergang bekanntermaßen in die Arme von HP. Auch dessen Interimschef Leo Apotheker schlug zunächst verbal ordentlich Schaum und verkündete, WebOS auf jedes HP-Gerät bringen zu wollen – also letztendlich genau das, was Microsoft gerade mit dem einheitlichen Ökosystem um Windows 8 und Windows Phone 8 versucht. Allerdings entsorgte Apotheker sein Konzept bereits einige Monate später im Lokus. Der Rest ist bekannt.

Orts- und Zeitwechsel: „Die öffentliche Wahrnehmung von RIM entspricht nicht unbedingt dem Zustand, in dem wir uns befinden“, sagte RIM-Manager Sascha Lekic im November letzten Jahres auf einem Technik-Forum seines Unternehmens. „Wer an uns vorbei will, braucht schon ein bisschen mehr als ein Betriebssystem und ein Smartphone“, so Lekic mit Blick auf Nokia und Microsoft. Was angesichts des niedrigen Marktanteils von Windows Phone zwar auch heute noch richtig ist, relativiert sich schnell beim Blick auf die übrigen Unternehmensdaten.

„Für den Abgesang noch zu früh“

Diese erinnern immer mehr an die tragische Geschichte von Palm – mit dem Unterschied, dass RIMs erklärter Hoffnungsträger, das neue BlackBerry-10-Betriebssystem, noch nicht einmal erhältlich ist und nun auf das erste Quartal des kommenden Jahres verschoben wurde. Man wolle kein unfertiges System ausliefern, sagte RIM-Chef Thorsten Heins am Freitag zur Bekanntgabe der jüngsten Quartalsergebnisse. Wie Colligan einst bei Palm verbreitete Heins allerdings sogleich Aufbruchstimmung. „Ich bin sicher, dass die ersten BlackBerry-10-Smartphones die bahnbrechende User Experience einer neuen Gerätegeneration bieten werden.“ Selbst wenn dies aus heutiger Sicht stimmen würde, bis zur geplanten Marktreife in 6 – 9 Monaten liegen gerade im Mobilfunkgeschäft Welten. Denn dann ist nicht nur das iPhone 5 längst im Handel, sondern ebenso Windows Phone 8 und eine Reihe neuer Android-Geräte mit Version 4.1.

Zudem befindet leidet RIM an extremem Umsatzschwund. Das aktuelle Quartalsergebnis der Kanadier ist desaströs. Da hilft es wenig, wenn RIM-Manager wie Lekic unablässig über Sonnenschein am BlackBerry-Hain philosophieren. „Jetzt einen Abgesang auf RIM zu singen, ist viel zu früh“, sagte dieser am Freitag laut Nachrichtenagentur dpa. Mag ja sein, aber die Instrumente dürfen wir wohl so langsam stimmen. Denn im Unterschied zum Krisenfall Nokia hat RIM keinen Partner à la Microsoft an seiner Seite, der mit Milliardeninvestitionen trotz bislang kaum sichtbarer Erfolge in einen hart umkämpften Markt drängt und dafür ein komplettes Ökosystem mitliefert.

Noch haben die Kanadier zwar ein Barvermögen von 2,2 Milliarden US-Dollar auf der hohen Kante und sind nach eigenen Angaben schuldenfrei. Wenn sich die derzeitige Entwicklung allerdings so fortsetzt, geht RIM mit Vorstellung der ersten BlackBerry-10-Geräte ebenso schnell die Luft aus, wie einst Palm.

Die Gründe dafür hat Statista heute in Form einiger Grafiken aufbereitet:

Ein Drittel weniger Umsatz zum Vorquartal

Wen das nicht überzeugt, für den liefert der aktuelle Geschäftsbericht einen Einblick in den kritischen Zustand des einstigen Erfolgsherstellers. Beispiel Umsatz: Dieser brach In den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres 2012/2013 gegenüber dem Vorquartal um ein Drittel ein und ging von 4,2 auf 2,8 Milliarden Dollar zurück. Verglichen mit dem gleichen Quartal des letzten Geschäftsjahres beträgt der Rückgang sogar 43 Prozent. Den Löwenanteil der Verluste häufte die Hardware-Sparte an, die 59 Prozent weniger Umsatz erwirtschaftete, aber auch bei den Diensten waren die Einnahmeverluste mit 36 Prozent beträchtlich. Und auch die Marktanteile kennen nur eine Richtung:

Als Riesenflop erwies sich erneut das Tablet PlayBook, das nur 260.000 Abnehmer fand. Lediglich das Software-Geschäft blieb mit einem geringen Minus von 5 Prozent recht stabil. Unter dem Strich stand dabei ein deftiger Verlust von 518 Millionen Dollar. 5.000 Mitarbeiter müssen daher ihren Stuhl räumen. Die Aktie fiel im nachbörslichen Handel zeitweise um mehr als ein Fünftel. RIM kündigte außerdem bereits an, dass auch das nächste Quartal herbe Umsatzverluste und sinkende Verkaufszahlen bringen wird.

Wenn der Körper schwächer wird, sind bekanntlich die ersten Geier nicht mehr weit. Nachdem kürzlich erst Facebook-Übernahmegerüchte die Runde machten, soll Reuters zufolge auch Microsoft vor einigen Monaten erste Sondierungsgespräche zu einer Zusammenarbeit mit RIM geführt haben, um Windows Phone auch über BlackBerry-Hardware zu vermarkten – angeblich nicht zum ersten Mal. Die Absage aus Waterloo kam heute allerdings prompt: Man sei ausschließlich auf BlackBerry 10 fokussiert, hieß es laut dpa.

Wie kurz die Halbwertszeit derartiger Aussagen allerdings mittlerweile sein kann, zeigte sich am Donnerstag auf dem BlackBerry 10 Jam – einer Werbeveranstaltung für das neue OS. Dieses werde später in diesem Jahr gestartet, erklärten die RIM-Manager da den anwesenden Entwicklern. Nur wenige Stunden danach galt das erste Quartal 2013 als neues Zieldatum.

(Christian Wolf)

Über den Autor

Christian Wolf

Christian Wolf wird am Telefon oft mit "Wulff" angesprochen, obwohl er niemals Bundespräsident war und rast gerne mit seinem Fahrrad durch Köln. Er hat von 2011 bis 2014 für BASIC thinking geschrieben.

17 Kommentare

  • Naja, in wie weit Microsoft eine Hilfe für Nokia ist, wird sich noch zeigen. ;o) Wenn man auf dem aktuellsten Nokia Smartphone kein Windows 8 wird installieren können, singen wir am besten die Nokia Melodie gleich mit.
    Un gehen wir mal davon aus, dass es Microsoft irgendwie schafft ein Windows 8 ähnliches System auf aktuellen Nokia Geräten zum laufen zu bringen, dann wird man wo möglich keine Windows Phone 7 Apps installieren können … a never ending story (by Microsoft)

  • @andre:

    – man wird wp8 SICHER NICHT auf heutigen geräten installieren können
    – auf aktuelle geräte kommt wp7.8 auf dem wird man SICHER wp7 apps installieren können.

    die einzige neverending story sind deine hirgespinste.

    on topic: RIM lässt Nokia wie Apple aussesehen. lol.

  • RIM wird irgendwann in sehr naher Zeit lediglich eine Termin- und Kontakte-App für diverse OS (Android, iOS…) sein – und angesichts der bislang grottigen Blackberry-Hardware war es eigentlich auch nie viel mehr.

  • Ich denke das RIM schon sehr bald einen jedenfalls kleinen aufwärtsschub erhält, da der Trend der Smartphone Riesen ja auf Datenklau und dubioser weit verbreiteter Apps geht welche die Konten, ID, Nachrichten und Mails der Benutzer auslesen.

    Daten sind so wichtig wie nie zuvor, die Leute werden das verstärkt begreifen und zu systemen wechseln denen diskretion noch etwas wert ist und dabei ist Blackberry nun bei weitem noch ganz vorne dabei.

    Zudem verstehe ich den ganzen Rummel nicht, unzählige Firmen, ergo dort wo das Geld sitzt, vertrauen RIM und das macht RIM ja auch nicht für umsonst, selbst wenn der Vertrieb der Geräte einbricht bezweifle ich das das ganze Unternehmen zerfällt, sie haben Kunden, Firmenkunden, große. Da sind Prepaid bürger ein unsichtbares Licht dagegen auch in der Masse.

    Ich hatte ein IPhone 3gs und war SEHR verwundert als bei einem Update plötzlich Google Maps haargenau wusste wo ich welches Bild geschossen habe ohne das ich dies einstellte.

    Ich hatte ein Galaxy Note udn war ÜBERAUS verwundert das völlig belanglose Internet Radios und Print-Apps meine ID auslasen, meine Nachrichten auslesen durften „und diese sogar verändern DURFTEN“

    Irgendwo ist schluss, heute habe ich ein Blackberry, das IPad ist nur noch was für unwichtiges, ein Playbook habe ich mir schon bestellt.

    Behaltet eure SpyPhones und Google-Handys (wobei der begriff Google ziemlich passend ist wenn man in die Nutzerdaten schön rein „googelt“ )

    Es geht nicht darum das ich denke meine Daten sind superwichtig, es geht ums Prinzip.

    Jeder sollte sich fragen warum er seinen Briefkasten abschließt und dort kein Fenster rein baut.

    Anschließend Smartphone in die Hand nehmen und schauen welche programme zugriff auf weas haben
    Achja, das GEHT BEI APPLE JA GARNICHT, sowas aber auch…

    … viel spass mit dem SpyPhone, Apple liebt eure Daten.

  • @frankfurt:
    Reality check: RIM hat sich zb den emiraten gegenüber verpflichtet alle emails etc zu entschlüsseln und dem staat jederzeit zugänglich zu machen.
    Das kann mit eigenem exchange server und active sync nicht passieren.

    Soviel zu „spyphone“ und der „sicherheit“ von blackberry.

  • Ich hoffe wirklich nicht, dass die Firma die Grätsche macht. Im Gegensatz zu den iPhone Nutzern liebe ich meinen Blackberry. Ich glaube auch, meine Firma hätte echt Probleme auf iPhones umzusteigen, denn mit der Sensibilität der Daten soll es ja nicht zum Besten bestellt sein.

  • Ein Unternehmen, das 2007 bei der Vorstellung des iPhone (durch ein bis dato branchenfemdes Unternehmen) den Komponenten- und Zulieferer-Markt nicht im Auge hatte, so das die RIM-Ingenieure das iPhone 1 selbst nach der öffentlichen Präsentation für nicht machbar hielten (siehe Link unten) hatte und hat offenbar noch immer ein gewaltigs Problem im R&D-Department.
    Vielleicht hätte RIM 2007 einfach ein paar hundert führende Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung vor die Tür setzen sollen – statt jetzt unternehmensweit tausende Mitarbeiter?!
    Wobei RIM ja sogar eine 2. Chance hatte, als Palm auf dem Markt war – aber die Kanadier musste ja weiter an ihrem uralt-OS weiterbasteln und weiter wenig performante Hardware (teils Inhouse) zusammenschrauben…

    BWL-Spacken haben RIM ruiniert – nund gibt es auch keinen Grund für ein Überleben für diese inzwischen obsolete Randgeschichte der IT-Entwicklung.

    http://www.pcwelt.de/news/Miserable-Akku-Laufzeit-erwartet-RIM-hielt-Apple-iPhone-fuer-technisch-nicht-machbar-4064187.html

  • @Frankfurt: Mag ja alles sein. Aber, und das ist ein großes ABER: Der Umsatz mit den großen Firmen wird nicht reichen, um die Firma langfristig am Markt zu halten. Die Zahlen oben in den Charts sind eindeutig.

  • Die Branchenhelden kommen und gehen … Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

    Gesten standen noch die Nokias oder RIMs auf den Siegerpodesten … Heute heißen sie Apples oder Googles.

    Im Nachhinein weiß jeder Taxifahrer besser, warum ein Unternehmen untergehen oder am Wettbewerb vorbeiziehen musste … Leider konnte bis heute kein Experte den nächsten Branchenhelden vorhersagen.

    Erinnert mich irgendwie an ein Fußball-Tipp-Spiel 😉

  • Ich denke auch, dass es das bald gewesen sein wird. Immerhin kann man die Technologie noch verkaufen – Moment, haben die eigentlich noch irgendwelche Technologien / Patente, die anderen Herstellern fehlen und interessant wären?

    Wirklich schade finde ich es nicht, der Markt reguliert sich, gehört einfach dazu..

  • RIM passiert, was allen Firmen passiert, wenn sie stehen bleiben und der Markt sich verändert. So wenig Innovation wie RIM lieferte, verwunderte es mich, wieso es nicht schon zwei Jahre früher bachab ging.
    Übrigens nervt die ganze Spyphone-Labberei: Kein Smartphone sendet soviele Daten an den Hersteller wie RIMs BB. Die funktionieren nicht einmal wenn RIMs Server streiken!

  • @4 Frankfurt

    Es liegt nicht an der Technik oder den Geräten , sondern wohl daran das „RIM“ dieses Spiel der Anderen nicht mitspielt.
    Würden sie auch alle 2Wo den „verwöhnten Gören und Blogger“ ihren „Stoff“ in Form von fingierten Änderungen , Neuerungen und perfekt zelebrierten Ankündigungen mit geben wären sie noch „Big“.
    Der ganze „Hype“ den Apple , Google und nun teilweise auch Microsoft verursachen , beruht auf den gleichen „süchtig“ machenden Belohnungssystem von Computerspielen wie ein „Diablo“ oder „Spielautomaten Sytem“ welches hier „gespielt“ wird, in immer kürzeren Abständen.
    Gebe den Nutzer ständig etwas „neues“ als Belohnung und er wird das Spiel immer weiter mitspielen.
    Würde RIM diese Taktik auch anwenden hätten sie sicher weniger Sorgen, denn es geht kaum noch um die technischen Unterschiede, Sicherheiten oder Qualitäten dabei.