Ich sag’s ganz ehrlich: Viele unserer Datenschutzbedenken halte ich für übertrieben: Dass eure Bewerbungsmappe aufgrund zu vieler Partyfotos auf Facebook schon im Vorfeld aussortiert wird, dürfte tatsächlich an der fehlenden Zeit der Personaler scheitern. Dass Einbrecher sich erst einmal auf Google Street View schlau machen und dann noch euren Foursquare-Status checken, bevor sie euch die Wohnung ausräumen – ein bekanntes Horrorszenario, von dem mir bisher noch kein einziger Fall bekannt geworden wäre. Da wird vieles heißer gekocht als gegessen.
Wie sich jetzt aber zeigt, waren die Warnungen vor zu viel digitalem Exhibitionismus trotzdem nicht unangebracht, denn die wirklich schweren Jungs wollen sich sehr wohl der sozialen Netze bedienen, um euch zu durchleuchten. Wie der NDR herausgefunden hat, hat sich die Auskunftei Schufa mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI) zusammengetan, um neue Wege zur Prüfung eurer Kreditwürdigkeit auszuloten. Im SchufaLab@HPI wird etwa geprüft, ob man die Zahl eurer Facebook-Freunde, eure Kontakte auf Xing oder die Umgebung eures Wohnhauses auf Google Street View für eine Bonitätsprüfung heranziehen kann.
„Informationsquelle Web“
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Bekomme ich dann noch einen Kredit für mein neues Auto, wenn ich mit den falschen Leuten auf Facebook verkehre, wenn ich in einer baufälligen Reihenhaussiedlung wohne, wenn ich gehaltlosen Blödsinn auf Twitter verfasse? Die Schufa nennt das ganze ein „Forschungsprojekt“ und hat es auf drei Jahre angelegt. Bereits seit April läuft die Zusammenarbeit mit dem HPI. In der offiziellen Lesart heißt das ganz fachmännisch:
Ziel des Projektes ist die Analyse und Erforschung von Daten aus dem Web. Forschungsschwerpunkte sind einerseits die Validität von Daten und anderseits Technologien zur Gewinnung von Daten.
Was Schufa-Vorstand Peter Villa dazu sagt, klingt für mich wie blanker Hohn:
„Mit dem Forschungsprojekt wollen wir aber auch die unzähligen Mythen und Vermutungen rund um die Informationsquelle Web auf den wissenschaftlichen Prüfstand stellen“
„Informationsquelle Web“. „Wissenschaftlicher Prüfstand“. Ich glaube, es geht los!
Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter für das Land Schleswig-Holstein hält das für „eine völlig neue Dimension“. Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg nennt es eine „Grenzüberschreitung“. Das ist, gelinde gesagt, etwas vorsichtig formuliert. Mir platzt nämlich gerade der Kragen. Nicht genug damit, dass ein einzelnes privatwirtschaftliches Unternehmen uns alle katalogisiert. Bald könnte es so aussehen, dass ihr keinen Mobilfunkvertrag mehr bekommt, weil ihr in der falschen Gegend wohnt oder mit Menschen ohne Ralph-Lauren-Shirt verkehrt. Selbst wenn ihr immer pünktlich eure Rechnungen bezahlt habt. Das ist nichts weniger als ein Skandal, eingetütet in hübsche Floskeln.
Es reicht. Sagt es weiter, protestiert, empört euch, damit diesem Spuk sofort ein Ende gesetzt wird!
Update, 8.6.: Das HPI hat das Projekt abgeblasen. Da seht ihr, was ein lauter Aufschrei so alles bewirken kann…
(Jürgen Vielmeier, Bild: loop_oh (CC BY-ND 2.0))