Horrorgeschichten. Das ist es, was man zuletzt über die Startup-Fabrik Rocket Internet der Samwer-Brüder gelesen hatte. Mitarbeiterrepressalien, Wutanfälle der Chefs, Geschäftspartner, die wissentlich in den Ruin getrieben wurden. Leider geben sich die Startups für gewöhnlich sehr verschlossen. Auf der NEXT 12 in Berlin allerdings traf ich Wimdu-Chef Arne Bleckwenn und stellte ihm ein paar Fragen dazu.
Wimdu ging vor einem Jahr als augenscheinliche Kopie der US-Unterkunftsbörse AirBnB unter dem Dach der Samwer-Startupfabrik Rocket Internet an den Start. Seitdem eröffnete man Niederlassungen in zahlreichen Ländern weltweit und beschäftigt mittlerweile, nach nur einem Jahr, 350 Mitarbeiter. Für 2012 erwarten die Berliner einen Umsatz in Höhe von 100 Millionen Euro. Allerdings gab es Wachstumsschmerzen: vergangenen Sommer wurden einige Mitarbeiter, die man offenbar im Übereifer eingestellt hatte, wieder auf die Straße gesetzt. Bleckwenn äußert sich dazu und auch zum Vorwurf, Chef eines seelenlosen Samwer-Klons zu sein.
Basic Thinking: Es gab eine Phase im vergangenen Sommer, in der es hieß, ihr würdet Mitarbeiter entlassen.
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Bleckwenn: Ja, das war auch so. Nicht so viele, das wurde ziemlich aufgebauscht und das finde ich auch immer noch unfair. Alle Rocket-Firmen werden immer in eine Kiste gesteckt. Es war in Wahrheit so: Im Juli letzten Jahres haben wir uns mit unserer internationalen Expansion verschätzt. Wir haben 25 bis 30 von damals schon 250 Mitarbeitern entlassen und haben das auch nicht gut gemacht. Das ging zu schnell und verlief zu hektisch. Was das Gute an der Sache ist: Ab Herbst gingen unsere wirtschaftlichen Zahlen deutlich nach oben, so dass Rocket sich im Herbst ganz aus der Geschäftsführung zurückgezogen hat. Das heißt: In den letzten fünf Monaten haben weder Oliver Samwer noch ein anderer Rocket-Manager unser Büro jemals mehr betreten.
BT: Die Horrorgeschichten, die man von den Samwer-Startups gelesen hat, treffen also auf euch nicht zu?
Bleckwenn: Ich will nicht über andere Firmen reden, ich rede lieber nur über mich, das ist fairer. Und bei uns war es so: In der ersten Phase bis zum Sommer war auch vieles nicht gut. Ich habe nie irgend jemanden angebrüllt, aber wir haben einige Dinge nicht gut gemacht, wie die Sache mit den Entlassungen. Aber dann im Herbst haben wir uns vor unsere Mitarbeiter gestellt und gesagt: Leute, wir haben auch ein paar Fehler gemacht, wir wollen uns jetzt um 180 Grad drehen – gebt uns noch einmal eine Chance. Und das kam bei den Mitarbeitern extrem gut an. Wir legen viel Wert auf ein gutes Betriebsklima und sind auch davon überzeugt, dass wir anders die besten Mitarbeiter, die wir haben wollen, nicht bekämen.
Eine Aussage, die sich nur schwer überprüfen lässt, auch wenn Bleckwenn im Gespräch sehr sympathisch erscheint. Die Arbeitgeberbewertung Kununu hat keinen Eintrag über Wimdu vorliegen. Von Horrorgeschichten wie bei Groupon ist im Netz allerdings bei kurzer Recherche ebenfalls nichts zu finden.
BT: Nun ist es ja so, dass die Idee hinter Wimdu nicht ursprünglich von euch ist. Ist Wimdu ein AirBnB-Klon?
Bleckwenn: Also, Klon würde ich jetzt nicht sagen, aber natürlich gab es AirBnB schon auf dem Markt und natürlich lässt man sich auch von schon vorhandenen Marktteilnehmern inspirieren. Aber ich finde, wir haben auch viel anders gemacht. Es gibt ja diese ewige Diskussion mit den Copycats, die, wie ich finde, auch ein bisschen unfair ist. Viele Volkswirte sagen: Dieses Prinzip, was es bei uns gibt, gibt es in fast jeder Branche. Und das ist eigentlich vorteilhaft für die Wirtschaft. Für wirklich schützenswerte Sachen gibt es Patente, aber die schaffen Monopole. Und wenn wir jetzt unseren Markt nehmen: Wenn es 9flats, Housetrip und uns nicht gäbe, sondern nur AirBnB, dann glaube ich, wäre es eher ein Monopol, und das wäre sowohl für Vermieter als auch für Gäste schlechter. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir glauben sehr stark an Lokal, haben weltweit viele lokale Offices gegründet. Und jetzt ist es so – ich will es nicht unterstellen, aber es sieht für mich so aus, als mache AirBnB sehr stark das und übernimmt unser Konzept.
Ein Original, das zurückklont? Als ich AirBnBs Deutschland-Chef Gunnar Froh einen Tag später darauf anspreche, relativiert er dies. Durch eine eigene Finanzierungsrunde, die in etwa zeitgleich mit der von Wimdu zusammenfiel, sei der Weg für eine Auslandsexpansion frei geworden. Mit Wimdu habe das nichts zu tun. Allerdings sieht auch er die Konkurrenz durch Wimdu nach außen hin entspannt. Es gebe sogar gute Kontakte zu Wimdu noch aus alten Studienzeiten. Sein Chef Brian Chesky sehe das aber vermutlich anders, so Froh.
BT: Was den Rocket-Startups immer vorgeworfen wird, ist ja gar nicht mal die Idee, die übernommen wird, sondern das oft nahezu identische Design. Die Websites von Wimdu und AirBnB sehen sich sehr ähnlich. Warum gab es diese Anpassung? Ihr hättet ja auch etwas völlig anderes entwerfen können.
Bleckwenn: Es war nicht so, dass wir gesagt haben: Wir machen eins zu eins AirBnB. Aber man lässt sich inspirieren von dem, was da ist. Wir haben uns auch angeschaut, was Booking.com oder HRS gut machen. Oder schau dich um: E-Commerce-Seiten, die heute starten, sehen in Deutschland häufig so aus wie Zalando. Warum? Weil Zalando gute Arbeit und eine gute Seite gemacht hat. Ich glaube, es ist normal, von anderen zu lernen. Und ich glaube, in einem Dreivierteljahr wird mich niemand mehr fragen, ob wir von Rocket sind oder ein Klon sind. Wir werden dann etwas ganz anderes sein als alle anderen.
BT: Arne, danke für dieses Gespräch.
Hier zwei Screenshots der aktuellen Startseiten von Wimdu und AirBnB – oder AirBnB und Wimdu? Zur Verdeutlichung habe ich jeweils die Logos der beiden Unternehmen herausgenommen. Könntet ihr auf den ersten Blick erkennen, wer wer ist?
Die Designs ähneln sich nach wie vor sehr: Das Logo oben links, die Suche und ein großes Bild mittig platziert, darunter vier in Reihe gesetzte Bilder. Der Verdacht liegt nach wie vor nahe, dass das Design gleich mehrmals von AirBnB übernommen wurde. Wimdu ist mit einem Kapital in Höhe von 90 Millionen US-Dollar ausgestattet, AirBnB mit 112 Millionen Dollar. Froh und Bleckwenn schwärmen unabhängig voneinander im Gleichklang davon, wie schön es sei, an fremden Orten bei Einheimischen unterzukommen – statt im anonymen Hotel einzuchecken. Nach unserem Interview sagt Bleckwenn mir noch, und es klingt wie ein Waffenstillstandsangebot an AirBnB: „Die eigentlichen Mitbewerber, das sind die Hotels.“
(Jürgen Vielmeier)